So steht es geschrieben
Wer legitimierte den Alten
in Davos zu dieser Macht?
„Personen und Handlungen sind frei erfunden.“ Oder doch ziemlich nah an der Wirklichkeit? Der Roman von Alexander Falk schildert das Projekt, das die Menschheit beherrschbar und kontrollierbar machen soll. Eine Leseprobe.
Der Gegenwart. — 2. April 2024
Die Exkursion nach Davos zu Bayer, Karler und den anderen Mächtigen der Erde lag Graphen im Magen. Der Rückflug gestaltete sich nicht nur in der Erdatmosphäre turbulent, sein Bauch, das Gemüt rebellierten nicht weniger als die bewegten Lüfte. Er saß in der Falle, in die er durch den Guru der Mächtigen hineingeschubst wurde. Ohne Chance zu entkommen. Die unbarmherzigen, auf keinen Widerspruch ausgelegten Worte Bayers hatten sich wie eine Eisenkette um den Hals gelegt und ihm die Luft weggedrückt. Er hatte drei Stunden und eine Nacht Zeit, in der er sich bewusst werden musste, wie er aus dieser aussichtslosen Lage herausfände. Allein bestimmt nicht, er benötigte hilfreiche Hände, nicht weniger einflussreich als Bayer, die ihm die zweite Chance eröffneten. In die Freiheit, jener, die er ohne fremde Einflüsse genießen wollte.
Graphen wusste von seiner Bekanntheit, die sich leider nur auf den ärztlichen Sektor beschränkte. Was ihm in Davos bewusst wurde, erkannte er in der ab sofort zukünftig wahrzunehmenden Macht, die Bayer den Medizinern zubilligte, gleichzeitig aber bedingungslose Loyalität abverlangte. Der Flieger schwankte erheblich, einige Passagiere jaulten laut auf und initiierten das Aktivwerden des Flugpersonals, das beruhigend einwirkte – zur Erleichterung Graphens, der sich parallel von der unerträglich gewordenen Nervosität verabschiedete und seinen Gedankenfokus auf das Wesentliche legte. Der Zukunft als Arzt, Mediziner und Forscher und der Frage, ob er seine Kompetenzen und Fähigkeiten einem Typen wie Bayer opferte. Unausgesprochen nahm er in sich die Frage wahr, wohin seine Seele tendierte. Was wollte er, William Graphen? Ohne Rücksicht auf die Ehefrau, Kinder und den Job? Akzeptierte er den kompletten Verlust der Karriere, der sozialen Anerkennung und der Chance der Einflussnahme auf zukünftige politische Entscheidungsprozesse?
Bayer redete unmissverständlich. Ein Zurück ins bisherige Leben hatten sich die Menschen aus den Köpfen zu schlagen. Die Komfortzone schmolz in den Visionen eines fragwürdigen Greises wie Schokolade in der prallen Sonne im Nu dahin. Niemand nahm ihm die Verantwortung ab, packte ihn an der Hand und zog den Zweifler in die Freiheit. Kein Mensch streckte die Hand entgegen und sagte: „Ich kenne den richtigen Weg.“ Diesen behauptete Bayer, vorschreiben zu dürfen. Auf welcher Basis? Wer legitimierte den Alten in Davos zu dieser Macht? Demokratie ein Feigenblatt, das je nach politischer Wetterlage oder individuellen Wahnvorstellungen welkte wie ein Buchenblatt. Weitergedacht kam ihm der Gedanke, wie tief man gesunken sein musste, um sich in die Lage hieven zu dürfen, zweifelhafte Anweisungen stellen zu können, ohne dass eine Person mit demokratischer Legitimation Widerstand leistete? Wie weit befanden sich die Menschen, wenn sie bereit waren, sich von so genannten Experten ihr Leben vorschreiben ließen? Erinnerungen an den Geschichtsunterricht erwachten, die lebendigen Berichte seines Lehrers, selbst Kriegsteilnehmer und damit durchs Leben autorisiert.
Der Mediziner sehnte sich ein Unglück herbei. Er wäre alle Verantwortung los, die es sich als Last in seinem Herzen gemütlich gemacht hatte. William Graphen fühlte sich außerstande zu einer weitreichenden und überlegten Entscheidung, welche alle zugehörigen Parameter ausreichend berücksichtigte. Sein Leben beinhaltete deutlich mehr als Gehorsamsdienste für einen einzigen Menschen und dessen fragwürdigen Vorstellungen einer zukünftigen Welt. Als Arzt verpflichtete er sich dem Wohl der Patienten. Ob er diesem noch gerecht würde, sollte er auf die Fantasien Bayers eingehen, rückte seine Gedanken in einen tiefen Zweifel. Nein, aktuell fühlte er sich gelähmt. Sein Begriff vom Wohl der Menschen umfasste mehr als den von oben diktierten Impetus eines entrückten Möchtegern-Weltherrschers. Niemand schuf Wohlstand für die Menschheit durch eine Zwangslage, in die man diese hineinmanövrierte.
Wie sollte sich Graphen verhalten? Bayer anrufen und seinen Austritt aus dem Club der Mächtigen erklären? Wo er eine Familie zu versorgen hatte? Ihm wurde übel, allein nur, weil er den Gedanken ausformulierte. Ein verantwortungsbewusster Mensch suchte einen Rat bei einem Freund, einem Vertrauten. Doch in dem Fall verriet er die Absprachen in Davos, zu deren Geheimhaltung er sich verpflichtet hatte. Einen Tod musste er sterben, er kalkulierte dabei den faktischen physischen Exitus ebenso ein wie die soziale Ächtung. Was bedeutete eine Existenz, die er auf einer Lüge und einem menschenverachtenden Betrugssystem aufbaute? Wäre es in dem Fall nicht sinnvoller, sofort reinen Tisch zu machen?
Etwas in ihm kitzelte ihn, reizte, dennoch an der Transformation der Menschheit mitzuwirken. Er fühlte sich wichtig und bedeutend, die Bevölkerung nähme ihn als Koryphäe wahr. Er bekäme jene Bedürfnisse befriedigt, deren Erfüllung ihm bisher versagt geblieben war. Entscheidend rückte dann eine Überlegung in den Fokus der Gedanken: Sind diese Attitüden so bedeutend, um das Überleben der gesamten Menschheit aufs Spiel zu setzen?
Er schreckte hoch, als die Stewardess die Reisenden aufforderte, sich zur Landung vorzubereiten. Graphen war noch lange nicht am Ende des Nachdenkens angelangt und schon holte ihn die Wirklichkeit des Seins auf den Boden der Tatsachen. Sehr unsanft, aber unmissverständlich. Hoffentlich wartete keiner, sprach ihn niemand an und er könnte weiterhin mit seinen Gedanken alleine sein. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Im Alltag zwangen ihn fachliche Probleme zum Nachdenken. Dieses Mal katapultierten ihn fundamentale Überlegungen eines machtgierigen Gurus in eine Gedankensphäre, wo eine falsche Entscheidung das Leben auf der Erde unwiderruflich auslöschte.
© Alexander Falk („Mensch 2030“, Seiten 16–20) — Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Der Autor Alexander Falk
Foto: Privat
Lebensdaten
Alexander Falk, Jahrgang 1966, studierte an der Pädagogischen Hochschule Freiburg/Breisgau die Fächer Deutsch, Katholische Religion und Gemeinschaftskunde. Bis März 2022 war er als Realschullehrer tätig, seither ist er als Autor, Heiler und Coach tätig in den Gebieten Gesundheit, Recht und Finanzielles für Menschen und Unternehmen.
Das Buch
Alexander Falk: Mensch 2030. 95 Seiten. Imprint: Independently published – Kindle Ausgabe (2023)
»Frühjahr 2020: Die Mächtigen und Großen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik treffen sich im Schweizerischen Davos und werden von Roland Bayer, einem der Mächtigen aus dem globalen Wirtschaftsleben, auf die neue Menschheitstransformation eingeschworen. Ein Virus soll die Menschen bedrohen, einschüchtern und manche töten. Ziel: Die Menschheit beherrschbar und kontrollierbar zu machen gegen die Katastrophen wie Klimawandel und Armut. Dorothea Karler, die deutsche Kanzlerin, drückt aufs Tempo und treibt die deutschen Wissenschaftler zu Höchstleistungen. Das Projekt startet erfolgreich, es schien alles nach Plan zu laufen, bis …« (Verlagstext)
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Fünf Lebensbilder
Alexander Falk: Feind – Der Mensch und die Maschinen fressen ihn auf. 142 Seiten. 2. erweiterte Auflage. Kindle Ausgabe (2023)
»Der Mensch ist des Menschen Feind bedeutet, dass der Homo sapiens sapiens sich offenbar einen Feind suchen muss, um leben zu können. Anhand fünfer fiktiver, aber realistischer, das heißt durchaus echter Lebensbilder aus den vergangenen Jahrhunderten der aktuellen Zeit und der absehbaren Zukunft, verortet in Freiburg/i.B., wird die Entstehung zeitbedingter Feindbilder dargestellt sowie deren Folgen für das jeweilige Individuum.« (Verlagstext) ⋙ Link