Hinweise auf Menschen
Archibald Belaney
Ein Engländer als Trapper in Kanada. Als Grey Owl keine Tiere mehr jagen wollte, wurde er Naturschützer und Schriftsteller.
Der Gegenwart. — 6. März 2023
Archibald Belaney stammte aus zerrütteten Familienverhältnissen. Im Alter von zwei Jahren übernahmen zwei Tanten seine Erziehung, wobei er sehr streng behandelt wurde. Von Kindheit an empfand er eine große Liebe zu den Indianern und zur Natur. Der junge Belaney machte als Junge lange Wanderungen durch die St. Helen's Woods und andere Naturgebiete um Hastings, wobei er sich ausmalte, ein Indianer in den Wäldern Nordamerikas zu sein. Seine Tanten erlaubten ihm schließlich, in seinem Bodengemach eine kleine Menagerie einzurichten, wo er verschiedene Wildtiere pflegte und seinen Freunden mit seinen erstaunlichen Kenntnissen der Verhaltensweisen von Wildtieren imponierte.
Seine Tanten hatten gehofft, dass der junge Archibald aus seiner Schwärmerei für das Indianerleben herauswüchse, und sorgten nach seinem Schulabschluss für einen Arbeitsplatz in einem Holzhandel. Belaney spielte dort jedoch verschiedene Streiche, die schließlich zu seiner Entlassung führten. Nachdem seine Tanten sahen, dass Belaney seinen Traum vom Leben in Kanada nicht aufgeben wollte, erklärten sie sich im Jahre 1906 schließlich bereit, seine Überfahrt dorthin zu finanzieren.
Erster Aufenthalt in Kanada
Über die ersten Monate seines Lebens in Kanada ist nichts bekannt. Er erreichte schließlich Toronto, wo er eine Stelle als Verkäufer annahm. Sobald er genügend Geld verdient hatte, um die Reise in den Norden Ontarios zu bezahlen, setzte er sich in den Zug und fuhr nordwärts. Hier lernte er den erfahrenen Trapper Bill Guppy kennen, der dem jungen Belaney seine ersten Lektionen in der Kunst des Überlebens in der Wildnis Nordkanadas erteilte. Augenzeugen beschreiben die Leidenschaft Belaneys für das Leben des „Nordmanns“ und bezeugen, dass er sich binnen kürzester Zeit zu einem der besten „Kanumänner“ im Temagami-Distrikt entwickelte.
Belaney verbrachte viel Zeit mit den Ojibway-Indianern des Bear-Island-Stamms, deren Sprache er erlernte und bei denen er den Namen Grey Owl (ind. Wa-sha-quon-asin, auch Wäscha-kwonnesin, was so viel wie „Vogel, der nachts wandert“ bedeutet) annahm. Am 23. August 1910 heiratete er die Ojibway-Indianerin Angele Egwuna. Aus dieser Verbindung entstanden zwei Töchter.
Grey Owl nahm Stück für Stück indianische Lebensgewohnheiten an und versuchte, seine englische Kindheit zu vergessen. Wenn gefragt, gab er an, er sei Sohn eines schottischen Vaters und einer Apache-Mutter. Er beobachtete mit großer Besorgnis das Vordringen der „weißen Kultur“ in die Wildnis Nordontarios, die eine Zerstörung der indianischen Lebensweise befürchten ließ.
Erster Weltkrieg
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, meldete sich Grey Owl als Freiwilliger und wurde im Laufe des Kriegs in der Nähe von Ypern am Fuß schwer verwundet und durch Giftgas verletzt. Durch Zufall wurde er in ein Lazarett in Hastings verlegt, wo seine Tanten sich um ihn kümmerten und ihm die talentierte Balletttänzerin Ivy Holmes vorstellten. Die Tanten hofften, ihren Zögling nun endgültig wieder in ein normales englisches Leben zurückzuführen.
Grey Owl heiratete Ivy Holmes am 10. Februar 1917, obgleich er offiziell noch mit Angele Egwuna verheiratet war. Kurz darauf kehrte Grew Owl nach Nordontario zurück. Ivy träumte indes von den Bühnen in London und Moskau und nicht von dem Leben eines Trappers. Grey Owl schrieb ihr schließlich von seiner noch gültigen Ehe mit Egwuna, und Ivy Holmes ließ die Ehe annullieren.
Rückkehr nach Kanada
Nach seiner Rückkehr vom europäischen Kriegsschauplatz war Grey Owl noch entschlossener, das Leben der „Zivilisation“ endgültig hinter sich zu lassen. Die Nachkriegszeit war jedoch auch eine Zeit großer wirtschaftlicher Entwicklungen für Kanada, und die Zivilisation rückte immer weiter in den Norden vor. Übermäßige Fallenstellerei drohte die vormals reichen Biberbestände in Nordontario fast vollständig auszurotten, und der Lebensunterhalt als Fallensteller wurde immer schwerer.
Im Jahre 1925 lernte der nun 36-jährige Grey Owl eine 19-jährige Mohawk-Indianerin namens Gertrude Bernhard kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick, und Gertrude, von ihren Freunden Pony genannt, folgte Grey Owl in seine Fallenstellerhütte im nördlichen Urwald. Da Grey Owl offiziell immer noch mit Angele Egwuna verheiratet war, ließ er sich mit Gertrude in einer indianischen Zeremonie trauen. Grey Owl gab Gertrude den indianischen Namen Anahareo, unter dem sie später zusammen mit Grey Owl weltberühmt wurde.
Anahareo war das Leben des Fallenstellers vom Grunde auf zuwider, und das ständige Töten setzte ihr psychisch sehr zu. Eines Tages fing Grey Owl eine Bibermutter und stellte dann fest, dass zwei junge Biber hinterblieben waren. Anahareo beschloss sofort, dass sie eine Verpflichtung habe, die jungen Biber großzuziehen. Diese Episode wurde zur Wende im Leben von Grey Owl und Anahareo. Die jungen Biber eroberten ihre Herzen, und wenig später traf Grey Owl die Entscheidung, das Fallenstellerleben für immer hinter sich zu lassen. Stattdessen träumte er von einer Biberkolonie, mit der er die dezimierten Biberbestände Kanadas retten wollte.
Der Norden der Provinz New Brunswick sollte den Kern der neuen Biberkolonie bilden. Der neue Standort war aber alles andere als ideal, und das Paar fand sich in argen finanziellen Schwierigkeiten. Grey Owl schrieb während des ersten Winters eine Naturerzählung für die englische Zeitschrift „Country Life“, wobei er sich weiterhin als Halbblut ausgab. Zu seiner Überraschung waren die Herausgeber von Country Life von seinem Beitrag begeistert, und zusammen mit einem beträchtlichen Scheck erhielt Grey Owl eine Einladung, eine Autobiografie zu schreiben.
Anerkennung als Naturschützer und Schriftsteller
Er begann mit dem Verfassen seines ersten Werks, „The Men of the Last Frontier“ (1931), und schrieb nebenbei auch für andere britische und kanadische Magazine. Zwischenzeitlich hatten die Biber ihre Biberburg zur Hälfte innerhalb von Grey Owls Blockhütte und zur Hälfte außerhalb gebaut, was eine intensive Beobachtung dieser Wildtiere ermöglichte, über die Grey Owl schrieb.
Grey Owls schriftstellerische Arbeiten fanden sofort großen Anklang in Großbritannien, und auch der kanadische Nationalparkservice wurde auf ihn aufmerksam. Der Nationalparkservice bot ihm an, seine Arbeit als Naturschützer („Conservationist“) innerhalb eines Nationalparks fortzuführen. Dies würde ihm fast unbegrenzte Zeit zur Beobachtung und Schriftstellerei geben.
Grey Owl zog mit den Bibern zunächst in den Riding-Mountain-Nationalpark in Manitoba und kurze Zeit später in den Prince-Albert-Nationalpark in Saskatchewan. Hier erschienen „Pilgrims of the Wild“ (1934) und einige weitere Werke sowie seine Kurzgeschichten unter dem Titel „Tales of an Empty Cabin“ (1937). Zwischenzeitlich wurde Grey Owl zweimal zu langen Vortragsserien nach England eingeladen, wo seine Naturschutzbotschaft riesigen Anklang fand.
Grey Owl starb 1938 im Alter von nur 50 Jahren an einer Lungenentzündung in Beaver Lodge, seiner Hütte am Ajawaan-Lake im Prince-Albert-Nationalpark.
Rezeption und Nachwirkung
Seine Werke – vor allem das Jugendbuch Sajo und ihre Biber –, unter dem Namen Wäscha-kwonnesin veröffentlicht, waren in den 1950er-Jahren in Deutschland sehr populär.
Sir Richard Attenborough verfilmte 1999 sein Leben unter dem Titel Grey Owl (auch Grey Owl und der Schatz der Biber). Darsteller der Titelrolle ist darin Pierce Brosnan.
Die kanadische Regierung, vertreten durch den für das Historic Sites and Monuments Board of Canada zuständigen Minister, ehrte Grey Owl am 20. November 1993 für sein Wirken und erklärte ihn zu einer „Person von nationaler historischer Bedeutung“.
Textgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Grey_Owl
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Auszug aus: Wäscha-kwonnesin/Grau-Eule: „Sajo und ihre Biber. Wie Sajo und ihr Bruder mit zwei Biberkindern Freundschaft hielten“. Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart [1935]. Berechtigte Übertragung aus dem Englischen von Käte Freinthal. Mit Zeichnungen von Wäscha-kwonnesin.
Zugedacht
den Kindern in aller Welt
und allen, die die Stille lieben
Das Land im Nordwesten
Weit hinter Stadt und Ackerland, hinter den letzten Niederlassungen Nordkanadas liegt ein wildes, fast unbekanntes Land. Wer es erreichen will, muß über Berge und Täler in fernste Fernen wandern; dort gibt es keine Eisenbahnen, keine Straßen, weder Häuser noch Hütten, weder Weg noch Steg. Und zuletzt müßte der Wanderer in ein Kanu steigen und sich der führenden Hand eines Indianers anvertrauen und durch ein unermeßlich großes, aus Wäldern, Seen und Flüssen bestehendes Reich ziehen, in dem Elch und Hirsch, Bär und Wolf wild und frei hausen und große Karibuherden (Kanadisches Renntier) über Land wandern, viele, viele, unzählige Karibus.
Und dort in jenem herrlichen Nordland tritt uns Nordamerika entgegen wie es war, ehe der weiße Mann kam und wie es – hoffentlich – noch viele kommende Jahre bleiben wird. Nur wenige Weiße leben dort, meistens Fallensteller und Pelzhändler, und außer ihnen da und dort ein paar Indianersippen vom Stamm der Odschibwä. Sie haben sich dieses Land zur Heimat erkoren und nennen es Ki-wä-din, das Land des Nordwestwindes. Die Odschibwä sind ein Teil einer Menschenrasse, die so alt ist und so lange in diesem Land wohnt, daß niemand, nicht einmal sie selbst, wissen, woher und wie sie hereingekommen sind.
Dort oben kann sie die Zivilisation, der Fortschritt nicht mehr erreichen, dort leben und sterben sie wie ihre Vorväter, als Jacques Cartier vor 400 Jahren an den Nordlandgestaden landete. Ihre Dörfer mit den spitzen Tipis und den vereinzelten, länglich-niederen Blockhütten kann man heute noch finden. Sie liegen in windgeschützten Hainen und sonnigen Waldblößen oder an klaren Waldseen, oft viele, viele Kilometer voneinander entfernt. In jenen kleinen Dörfern leben die indianischen Familien, jede in ihren eigenen vier Wänden. Sie sind glücklich und gut genährt in fetten Zeiten und hungrig, wenn die Tage schlecht sind und mager. Es geht ihnen genau wie den Menschen in den Städten, heute Fülle, morgen Not.
Im Indianerdorf muß jeder
arbeiten, sogar die Kinder.
Im Indianerdorf muß jeder arbeiten, sogar die Kinder. Arbeit hängt meistens mit Reisen und Wandern zusammen, denn die Indianer sind immer auf dem Wanderpfad. Es gibt Zeiten, da die Tiere, von denen der Indianer abhängt, aus der Gegend fortziehen, einfach verschwinden, und dann müssen die roten Menschen ihnen folgen, wenn sie nicht verhungern wollen, oder ganz neue Jagdgründe suchen. So kommt es, daß das Dorf immer wieder abgebrochen werden muß. Die wenigen Blockhütten bleiben natürlich stehen, aber sonst wird alles abgebaut und in die Kanus gepackt oder – im Winter – auf die Toboggans geladen. Und dann geht das Wandern an, oft viele, viele Kilometer weit.
Auf den Winterreisen helfen Buben und Mädchen den Pfad bahnen. Sie schnallen sich die Schneereifen an die Füße und bahnen den nachfolgenden Hundeschlitten und den von den Erwachsenen gezogenen Toboggans einen Weg durch den tiefen Schnee. Sie brechen den Pfad und sind stolz darauf. Im Sommer paddeln sie mit den Großen in den Kanus, und jedes Kind hat seine Last, sein Stück Gepäck, das es über die Portages (auf deutsch Tragestellen Portage, das zwischen zwei schiffbaren Wasserwegen liegende Land, über das Boote, Waren und Lasten von einem zum anderen schiffbaren Wasserlauf getragen werden. befördern muß. Sie freuen sich ihrer Arbeit und verrichten sie so ernst und gewissenhaft wie ihre Eltern.
Mancher Indianerjunge ist später
Rechtsanwalt oder Künstler geworden.
Die Indianerkinder, die den Sommer in der Nähe einer Pelzhandels-Niederlassung oder in einer Reservation verbringen, können in die Schule gehen und sind oft sehr gute Schüler. Gar mancher Indianerjunge ist später Rechtsanwalt oder Schriftsteller oder Künstler geworden. Diejenigen jedoch, die das ganze Jahr draußen in der wilden, freien Natur leben, gehen auch in die Schule, aber in eine ganz andere. Ihre Schule ist der Wald, und dort lernen sie alles, was sie auf ihrem Lebensweg brauchen. Erdkunde, Geschichte, Rechnen oder Englische Sprache nützen ihnen im Wald gar nichts; dafür beobachten und lernen sie, was im Pflanzenreich vorgeht, wie die Tiere sich verhalten, wie man sie beschleicht, wie man den Fisch fängt und wann.
Und dann noch das Allerwichtigste: die Kunst, bei jedem Wetter Feuer zu machen, mag es regnen, schneien oder stürmen. Sie lernen Vogel- und Tierstimmen kennen und nachahmen. Die Großen lehren ihre Kinder, die Bewegungen, Launen und Strömungen des Wassers in den Flüssen und Seen beobachten. Man unterweist sie, wie man mit den Schneereifen, mit Axt und Gewehr umgeht, wie man ein Hundegespann lenkt, wie man Mokassins näht, Häute gerbt und Feuerholz findet, auch dort, wo scheinbar gar keins vorhanden ist. Und alle, Knaben und Mädchen, müssen kochen können! Ein Kompaß ist ihnen unbekannt, und trotzdem können sie kreuz und quer durch die Wälder und durchs Land ziehen, denn sie richten sich nach Sonne, Mond und Sternen, nach der Gestalt der Bäume, nach den Umrissen der Berge, nach dem Benehmen der Tiere und nach vielen anderen Zeichen. Ihr Wissen vom Wald ist so groß, daß sie bald selbständig werden und auf eigene Faust lange Reisen machen und vielen Gefahren mutig ins Auge blicken, so wie Schapian und seine Schwester Sajo, von denen ich berichten will.
Müßiggänger kann man
im Indianerdorf nicht brauchen.
Ein Indianerleben ist hart und mühsam, darum kann man Müßiggänger im Indianerdorf nicht brauchen. Wer zu faul ist, um auf die Jagd zu gehen, steht bald ohne Nahrung und ohne Kleider da und ohne ein Dach über seinem Kopf. Gewiß, der Indianer hilft seinem Nebenmenschen mit allem, was er hat, aber Faultiere kann er einfach nicht ertragen. Obwohl das junge Volk viel Arbeit hat, finden Knaben und Mädchen trotzdem Zeit für ihre einfachen, aber lebhaften Spiele. Und wenn der Arbeitstag zu Ende ist, sitzen sie draußen unter dem glitzernden nördlichen Sternhimmel rund um das Feuer gelagert und lauschen den Erzählungen der Großen. Diese Geschichten berichten von Jagdzügen, von andern, fernen Indianerstämmen, von großen Männern der Vergangenheit, von seltsamen Abenteuern und Erlebnissen in den dunkeln Wäldern.
Doch die seltsamsten Geschichten erzählen diejenigen, die das Wunderland im fernen Süden besucht haben, das Land, aus dem die Weißen kommen, wo es große, große Räderschlitten gibt, die schnell wie der Wind über eine eiserne Spur sausen, wo rauchende Kanus – die Dampfschiffe – beinahe ebenso schnell wie der Räderschlitten durchs Wasser flitzen, und wo es keine Indianer, wenig Bäume, dafür aber Reihen und Reihen großer Steinhütten gibt. So viele Steinhütten, zwischen denen die Weißen allein, zu zweien und in großen Klumpen gehen, eilen und jagen.
Der Waldwanderer ist immer erwünscht,
wenn er ruhen oder essen möchte.
Welch ein Land, o welch ein Land, wo man ohne Geld weder schlafen kann, noch etwas zu essen bekommt! Und das können sie nicht fassen, denn der Waldwanderer ist immer erwünscht, wenn er ruhen oder essen möchte. Der weiße Fallensteller heißt ihn an seinem Feuer ebenso willkommen wie der Indianer, und der Gast hat nichts zu bezahlen. Diese Indianerkinder wissen vom Stadtleben ebenso wenig wie ihre Eltern. Und ihr wißt nichts vom Leben in der Wildnis.
Und nun will ich, der ich einer der ihren bin, eine Geschichte aus der Wildnis erzählen.
Ehe ich beginne, müßt ihr wissen, daß diese große, geheimnisvolle Waldwildnis mit ihren seltsamen Menschen und Tieren von vielen gewaltigen Strömen und Flüssen durcheilt wird. Diese Wasserwege dienen nicht nur den Indianern und ihren flinken Kanus als »Landstraße«, sondern auch vielen wasserliebenden Tieren wie Biber, Fischotter, Nerz und Bisamratte. Dieses herbe, strenge Waldland wird von zahllosen Pfaden durchzogen, Pfaden, die ihr nie finden würdet und auf denen dennoch die Landtiere wandern wie auf einer angelegten Straße. Sie wandern immer, diese Geschöpfe Gottes, und sind, wie die Menschen des Landes, immer beschäftigt. Sie müssen ihre Nahrung suchen, ihre Jungen füttern und aufziehen. Die einen leben für sich allein ohne ständiges Zuhause, andere halten zusammen und bewohnen große, unterirdische Städte mit Familienhöhlen, die durch Gänge oder Straßen miteinander verbunden sind. Die klügsten unter ihnen, die Biber, bauen sich warme Häuser, legen Wasserbehälter an, in denen sie umherschwimmen können, sammeln große Nahrungsvorräte für den langen Winter und schaffen und werken fast wie die Menschen. Und wenn sie von der Arbeit ausruhen, sprechen sie miteinander. Und so haben alle Tiere, jedes nach seiner Art, viel zu tun und zu sorgen.
Mancher rote Mann kann
die Sprache der Biber verstehen.
Weil sie so klug und fleißig sind, hat sie der Indianer achten gelernt. Leider muß er sie manchmal töten, aber nur, weil auch er leben muß. Er nimmt großen Anteil an ihrem Tun und Treiben und sieht sie fast wie einen andern Menschenstamm an. Und ganz besonders die Biber, die haben es ihm angetan. Mancher rote Mann kann bis zu einem gewissen Grad ihre Sprache verstehen, denn ihre Stimme ist der des Menschen nicht ganz unähnlich. Alle Tiere, mögen sie noch so klein und wertlos scheinen, haben ihren Platz auszufüllen. Keines ist umsonst da.
Das weiß der Indianer, und darum läßt er sie, wenn er es nur irgendwie kann, in Ruhe und Frieden. Und weil sie mit ihm die Mühsal des Lebens in der Wildnis teilen, heißt er sie »Kleine Brüder«. Wie oft sieht man einen kleinen Bären, einen jungen Biber, ein Fischotterchen oder ein Elchkälbchen frei durchs Indianerdorf toben. Sie könnten gehen, wenn sie wollten, niemand würde ihnen die Freiheit verwehren, aber sie bleiben, wo sie sich zuhause und geborgen fühlen. Eines Tages sind sie erwachsen, und dann ist der Ruf der Wildnis stärker als alle Bande, und sie ziehen fort, ihrem eigenen Leben entgegen. Und das Indianerdorf? Oh, das hat bald wieder irgendeinen kleinen Liebling.
Und nun laßt uns Automobil
und Rundfunk vergessen.
Nun wißt ihr, wie das Land aussieht und wie die Indianer leben. Ihr habt etwas von den Tieren des Landes erfahren, und nun will ich von dem »kleinen Volk der Wälder« berichten. Eine wahre Geschichte; sie begann an einem kleinen Gewässer, an dem eine glückliche Biberfamilie lebte.
Ich werde von einem indianischen Jäger, von seinem Sohn und von seiner Tochter erzählen und von zwei kleinen Biberkindern, die ihre Freunde waren. Ihr sollt hören von ihren Abenteuern in den großen Nordlandwäldern und in der fremden Stadt. Ihr sollt erfahren, welch gute Freunde diese vier waren, wie einer der Kameradschaft verloren ging und wiedergefunden wurde. Ich werde berichten von den Gefahren, die sie bestanden, von den Freuden, die sie erlebten, und wie alles zu Ende ging.
Und nun laßt uns Automobil und Rundfunk vergessen, löschet aus eurem Gedächtnis das Kino und alle Dinge, ohne die wir nicht leben zu können glauben. Wir wollen anderes denken: Kanu, Zelt, Schneereifen und Hundegespann. Laßt uns aufbrechen in jenes ferne, zauberhafte Nordland, wo große Ströme rauschen und stille, klare Seen funkeln, wo dunkle Wälder wogen und seltsame Tiere wohnen, Kleine Brüder, die sprechen und arbeiten. Laßt uns in jenes Reich ziehen, wo aus den Wassern singende Geisterstimmen tönen.
Und dann wollen wir uns in einem braunverräucherten Wigwam am flackernden Feuer niederlassen und der Geschichte lauschen. Höret! ■
Quelle: https://www.projekt-gutenberg.org/waescha/sajobibe/chap002.html
Grey Owl, 1936
Fotografie von Yousuf Karsh/Wikimedia
Lebensdaten
Grey Owl (* 18. September 1888 in Hastings, England; † 13. April 1938 am Ajawaan-Lake), bürgerlicher Name Archibald (Archie) Stansfeld Belaney, in Deutschland als Wäscha-kwonnesin, seltener als Grau-Eule bekannt, war ein englischstämmiger Trapper und Schriftsteller. (Wikipedia)
Artikel „Vater der Biber“
Biografischer Artikel im populärwissenschaftlichen Magazin KOSMOS vom Mai 1936: PDF Wäscha-kwonnesin: „Vater der Biber“
Naturkunde-Projekt
Webseite eines Naturkunde-Projekts mit der Leitfigur Wäscha-kwonnesin: Naturkunde-Projekt Sophienstädt i.G.