Machtworte – Inspektion der Herrschaftssprache
Antrag auf Ausreise aus der DDR
Wer den Sozialismus verlassen wollte, wurde als Staatsfeind von der Stasi drangsaliert. Nur Verrückte wagten das damals. Einige sind meine Freunde.
Der Gegenwart. — 12. September 2022
Wieder schreiben wir August – / gut zwanzig Jahre sind verflossen, / seit ich aus Deutschland fortgemußt, / dem Deutschand, das mich so verdrossen, // seitdem ich ging im frohen Hoffen, / ein beß'res Deutschland zu erlangen; ich habe es nicht angetroffen./ Ach, wäre ich nicht weggegangen, // wär' ich geblieben und hätte gestritten / gegen Westgeld und gegen Bananen, / gegen alle, die gen Ostland ritten, / um tüchtig einmal abzusahnen. // Gut wär es gewesen, ein paar zu erschießen, / auch wenn es unmenschlich klingen mag; / die Lumpen, die andre erschießen ließen, / die säßen jetzt nicht im Bundestag. // So aber schau ich verdutzt in die Runde / und kann nicht fassen, was da passiert, / wie hurtig die cleveren Schweinehunde / von hüben und drüben sich hübsch liiert.
Alexander von Hohentramm: Bilder aus der deutschen Gegenwart. Weimar 2005
Die DDR war ein sozialistischer Staat. Der Sozialismus kommt in seinem Herrschaftgebiet nicht ohne Gewalt und die vielfältigsten, auch willkürlichen, Repressalien aus. Wer nicht illusioniert oder auf eine bestimmte Art und Weise genügsam war, für den war die DDR eine Tortur.
Wer nicht bloß in genehmigte Länder reisen wollte, mußte mit bürokratischen Schikanen rechnen, denn eine Auswanderung war in den Gesetzen der DDR an sich nicht vorgesehen. Für eine Auswanderung musste ein „Antrag auf Ausreise aus der DDR“ gestellt werden. Ein „Antragsteller“ war sofort Bürger zweiter Klasse, er wurde von der Stasi als Feindlich-negative Person eingestuft. Ich war damals nicht so verrückt, mich in diese Mühle zu begeben, weil es – auch subjektiv so empfunden – fast unendlich viel zu entdecken gab.
Viele Freunde haben ihre Erfahrungen mit dem bürokratischen und gnadenlosen DDR-Regime gemacht. Für ein paar gegen die Stationierung von SS20-Raketen gerichtete Wandmalereien ging Anfang der 1980er Jahre Karl A. ein halbes Jahr in den Knast. Ich erinnere mich, dass selbst noch seine Haftentlassung zu einer Schikane für ihn und seine Angehörigen gestaltet wurde: er wurde nicht am Haftort in Halle entlassen, wo ihn seine Freunde erwartet hatten, sondern noch schnell nach Berlin verbracht, wo er freigelassen wurde, ohne dass er dabei begrüßt werden konnte.
Andere Freund können herzzerreißende Flucht-Geschichten erzählen, und jedesmal, wenn so etwas berichtet wird, dann denke ich: So war die DDR. So abscheulich und systematisch perfide ist der Sozialismus.
Wer gefasst wurde, geriet in politische Haft
Ausreiseantrag war in der DDR ein gängiger Ausdruck für einen Antrag zur ständigen Ausreise aus der DDR. Mit einem derartigen Ausreiseantrag gab ein DDR-Bürger dem Staat die Absicht bekannt, dauerhaft außerhalb der DDR zu leben, also aus ihr auswandern zu wollen. Um als DDR-Bürger diese legal zu verlassen, also die innerdeutsche Grenze oder die Berliner Mauer ohne Gefahr für Freiheit, Leib und Leben passieren und eine Flucht aus der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR vermeiden zu können, bedurfte es eines genehmigten Ausreiseantrages. Jeder Versuch, der DDR ohne staatliche Zustimmung den Rücken zu kehren, war als „Ungesetzlicher Grenzübertritt“ strafrechtlich bedroht. Wer gefasst wurde, geriet in politische Haft.
Anders verhielt und verhält es sich bis heute in der Bundesrepublik Deutschland, wo zur Ausreise maximal ein Reisepass notwendig ist, der nur dann versagt oder entzogen werden kann, wenn eine Gefährdung erheblicher Belange des Staates zu befürchten ist, oder die Gefahr besteht, dass man sich der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung entzieht. In diesem Sinne verwehrte die DDR-Regierung ihren Bürgern bis zum Mauerfall die Reisefreiheit grundsätzlich. Mit dem Mauerfall am 9. November 1989 endete die Ära der Ausreiseanträge.
Langwierige und harte Schikanen
Wer einen Ausreiseantrag in den Westen stellte, musste zum Teil mit langwierigen und harten Schikanen rechnen, bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung und Inhaftierung. Aber es bestand tatsächlich die Möglichkeit, auf diese Weise die DDR zu verlassen. Die Ausreisebewegung war ein großes Problem für die DDR-Machthaber. Dazu wurden etliche geheime Befehle und Anordnungen erlassen.[3] Obschon sich Antragsteller ab 1975 auf das zugesicherte Recht auf Freizügigkeit der von Erich Honecker unterzeichneten KSZE-Schlussakte von Helsinki beriefen, wurden sie als „rechtswidrige Übersiedlungsersucher“ diffamiert und mit massiven persönlichen, familiären und beruflichen Repressalien belegt.
Deutschen Staatsangehörigen und deutschen Volkszugehörigen, die ohne Genehmigung ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in der sowjetischen Besatzungszone oder dem sowjetischen Sektor von Berlin verlassen hatten, wurde nach dem Notaufnahmegesetz vom 22. August 1950 bis zu dessen Aufhebung am 1. Juli 1990 eine besondere Erlaubnis zum Aufenthalt im Westen Deutschlands erteilt.
Im Sprachgebrauch in der DDR wurden Personen, die einen Ausreiseantrag gestellt hatten, umgangssprachlich oft Ausreiser genannt.
Antragstellung
Ein Antrag auf „ständige Ausreise“ in den Westen Deutschlands, also Auswanderung, war in den Gesetzen der DDR an sich nicht vorgesehen. Wenn ein Bürger einen solchen stellte, konnten die staatlichen Organe (Ausdruck für Behörden in der DDR) diesen allerdings nicht ignorieren, da er aus ihrer Sicht eine nicht akzeptable Absage an den in der DDR propagierten „real existierenden Sozialismus“ darstellte. Der Ausreiseantrag wurde oft mit einem Antrag auf Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Staatsbürgergesetz verbunden.
Angenommen wurden die Anträge bei der Abteilung Inneres des Rates des jeweiligen Kreises oder Stadtbezirks. Diese Abteilungen handelten eng zusammen mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS), das die Antragsteller beobachtete. Wartezeiten bis zur möglichen Genehmigung reichten von einigen Monaten bis zu einigen Jahren.
Von einer offiziellen Antragsannahme konnte hingegen keine Rede sein, wie vergleichbar im verwaltungsrechtlichen Sinne in der Bundesrepublik die Rede ist. Ausreiseanträge wurden als „Rechtswidrige Ersuchen – RWE“ bezeichnet und als solche zwar registriert, jedoch nicht im Sinne eines Verwaltungsverfahrens bearbeitet. Keinem einzigen Antragsteller wurde jemals ein schriftlicher Genehmigungs- oder Ablehnungsbescheid ausgehändigt.
Für Außenstehende völlig undurchsichtig
Die geheime Anweisung des Ministeriums des Inneren (MdI) „Über die Bearbeitung und Entscheidung von Anträgen auf Übersiedlung von Bürgern der DDR in die BRD und nach West-Berlin“ schrieb den Mitarbeitern der Abteilungen Innere Angelegenheiten ein Verfahren vor, das für Außenstehende völlig undurchsichtig, intern aber streng formalisiert und abgeschottet war. Wer eine Übersiedlungsgenehmigung beantragte, wurde zu einer „Aussprache“ vorgeladen, in deren Verlauf seine Motive ausführlich zu ergründen und der Antrag als rechtswidrig abzuweisen waren. Antragsunterlagen wurden grundsätzlich erst dann entgegengenommen, wenn intern geklärt war, dass Aussicht auf Erfolg bestand.
Von vornherein aussichtslos waren Übersiedlungsanträge von aktiven oder ehemaligen Angehörigen bewaffneter Organe, sonstigen Geheimnisträgern und ihren Verwandten sowie Kindern und Ehegatten von „Republikflüchtigen“. Die Zurückweisung seines Gesuchs war dem Antragsteller grundsätzlich mündlich und ohne Gründe mitzuteilen. Sie sollte nicht unmittelbar vor oder nach gesellschaftlichen Höhepunkten bekanntgegeben werden und war zeitlich mit dem Volkspolizeikreisamt (VPKA) sowie der MfS-Kreisdienststelle (KD) abzustimmen, damit gegen den abgewiesenen Antragsteller Kontrollmaßnahmen eingeleitet werden konnten. Offenbar sollte vor allem „Demonstrativhandlungen“ wie Fluchtversuchen, Kurzschlussreaktionen usw. vorgebeugt werden.
Rechtliche Grundlage
Manche Ausreisewillige beriefen sich bei der Antragstellung auf ihr Recht auf Freizügigkeit aus der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 und/oder auf Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO vom 10. Dezember 1948:
„1. Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.
2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.“
Anträge auf dauerhafte Ausreise in westliche Länder wurden zunächst generell abgelehnt. Anträge auf vorübergehende Ausreise in diese Länder wurden nur Reisekadern gewährt. In seltenen Fällen wurde die Ausreise Personen, die in der DDR nicht mehr erwünscht waren, vorübergehend oder dauerhaft gestattet.
MfS und Folgen für die Antragsteller
Anträge auf dauerhafte Ausreise (Übersiedlung) vor dem Rentenalter hatten hingegen negative Folgen für den Antragsteller, die bis zum Verlust der Arbeitsstelle und/oder der Verhinderung von Bildungschancen reichten. Der Antrag konnte auch dazu beitragen, dass der Antragsteller beim MfS intern als Feindlich-negative Person eingestuft wurde.
Federführend für die Durchführung dieses Maßnahmenkataloges war die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG) des MfS. Sie steuerte die Vorgehensweise aller anderen staatlichen Behörden, Betriebe und Einrichtungen (Politisch-operatives Zusammenwirken). Dabei wurde grundsätzlich ein sogenannter Operativer Vorgang angelegt mit dem Ziel, die gesamten Lebensumstände der „Zielperson“ zu ermitteln, um sie dann mittels einer individuell abgestimmten „Zersetzungsmaßnahme“, die über Jahre gehen konnte, zur Rücknahme des Ausreiseantrags zu veranlassen.
Oft auch jahrelange Bearbeitungszeit
Dies war unabhängig davon, wie über den Ausreiseantrag entschieden wurde. Im Regelfall fand in der monate-, oft auch jahrelangen sogenannten Bearbeitungszeit eine soziale Benachteiligung aufgrund staatlicher Restriktionen statt. Die Behörden entzogen die Arbeitsstelle manchmal schon bei dem Ausreiseantrag eines Familienmitgliedes. Viele Ausreisewillige wurden sozial schikaniert und bewusst kriminalisiert. Fast immer wurde der Personalausweis eingezogen. Er galt laut seiner Beschriftung als „wichtigstes Dokument“ des DDR-Bürgers, das er „stets bei sich zu tragen“ und „auf Verlangen den Angehörigen der Sicherheitsorgane auszuhändigen bzw. anderen dazu berechtigten Personen vorzuzeigen“ hatte. Der Ausreiseantragsteller erhielt statt des Personalausweises einen sogenannten PM-12, im Volksmund „Klappkarte“ genannt, der zudem spezielle Beschriftungen trug.
Nach der ab 1977 gültigen MdI-Ordnung 118/77 waren Antragsteller in kontinuierlich zu führenden Aussprachen von ihrem Vorhaben abzubringen. Dazu sollten in Abstimmung mit der SED, dem MfS und dem Betrieb des Antragstellers Bürger mit starker Überzeugung und hoher Autorität personenbezogen eingesetzt werden. Kritische Äußerungen des Antragstellers über die Einhaltung der Verpflichtungen aus der Schlußakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa konnten bereits zur Einschaltung der Kripo und des MfS führen. Die Aussprache bei der Abteilung Inneres war in diesem Fall bis zu einer Entscheidung des MfS über eine Inhaftierung fortzusetzen. […] Mit seinem Befehl 6/77 zur „Vorbeugung, Verhinderung und Bekämpfung feindlichnegativer Handlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Versuchen von Bürgern der DDR, die Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin zu erreichen“, ordnete Mielke an, Gesinnung, Charakter, Lebensgewohnheiten, berufliche Funktion, Motive und Verbindungen der Antragsteller umfassend aufzuklären. Alle dabei ermittelten Informationen sollten bei der 1975 im MfS gebildeten Zentralen Koordinierungsgruppe (ZKG) gebündelt werden. Ziel war die Verhinderung „feindlich-negativer Handlungen“ unter „Ausschöpfung strafrechtlicher Mittel“.
Bernd Eisenfeld u. a.: Ausreisen oder dableiben? Regulierungsstrategien der Staatssicherheit. Berlin 1998
In den letzten DDR-Jahren machten zahlreiche Ausreisewillige ihren Ausreiseantrag unter anderem durch weiße Bänder an den Autoantennen öffentlich. Dies führte bisweilen zu Verfolgungen wegen „unerlaubter Standartenführung“ durch die Volkspolizei. In Anlehnung daran nannte sich 1983 eine Jenaer Gruppe von Ausreisewilligen, die ihr Anliegen öffentlich machen wollten, Weißer Kreis. Außerdem erschien von Gerhard Schöne ein Lied mit dem Titel Das weiße Band.
Folgen für die DDR
Kurzfristig bedeutete die Ausreise für die DDR eine Entlastung, denn unzufriedene Menschen verließen das Land, und die Zahlungen der Bundesrepublik von „Gebühren“ für Ausreisende sowie für die Ausreisen politischer Gefangener waren für den DDR-Staatshaushalt sehr wichtig. Langfristig aber überwogen die Nachteile:
▬ Die Anträge wurden nicht weniger, denn die Menschen erkannten, dass es einen mühsamen, aber realistischen Weg aus der DDR gab.
▬ Vor allem besser qualifizierte Menschen, nämlich Facharbeiter und Intellektuelle wie Ärzte, Ingenieure, Wissenschaftler und Künstler, verließen die DDR, so dass die Talentabwanderung als Mangel bemerkbar wurde.
Die Zahl der Ausreiseanträge wurde im Verlauf der 1980er Jahre immer größer. Die Beunruhigung darüber wurde groß genug, dass die Problematik auch in Propagandaliedern aufgegriffen wurde, unter anderem in dem Lied Wenn Leute unser Land verlassen des Oktoberklubs von 1988.
Ausreisewillige demonstrierten 1989
In der alternativen Rockmusik der DDR wurden Titel veröffentlicht, die auf den Wunsch nach Ausreise anspielten, etwa Langeweile und Gib mir 'n Zeichen, zwei Titel von Pankow aus 1988. Im selben Jahr hatten in verschiedenen Städten der DDR Ausreisewillige („Antragsteller“) regelmäßige Demonstrationen begründet. Sie wurden für diese Aktivitäten meist mit Strafverfahren und Haftstrafen verfolgt. Durch ihre offene Haltung waren viele der Ausreisewilligen in der DDR-Gesellschaft Denunziationen und sozialer Ausgrenzung ausgesetzt. Die Montagsdemonstrationen des Jahres 1989 fußten zum Teil auf den Aktivitäten der Ausreisewilligen.
Textgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Ausreiseantrag
Zahlen zur Massenflucht
Aus der DDR reisten von 1961 bis 1988 etwa 383.000 Menschen legal aus. Im selben Zeitraum verließen etwa 222.000 Menschen anderweitig die DDR:
▬ durch Flucht über die innerdeutsche Grenze,
▬ durch Freikauf aus der Haft,
▬ durch die Nicht-Rückkehr von einer genehmigten Reise
Nach Statistiken der „zentralen Koordinierungsgruppe Bekämpfung von Flucht und Übersiedlung“ der Staatssicherheit stellten von 1977 bis Mitte 1989 etwa 316.000 DDR-Bürger einen Erstantrag auf Ausreise, von denen knapp 93.000 diesen wieder zurücknahmen.
Im Jahr 1989, vor dem Fall der Berliner Mauer im November, konnten bis September nach Angaben Bernd Eisenfelds in seinem Aufsatz „Flucht und Ausreise, Macht und Ohnmacht“ etwa 102.000 Menschen die DDR verlassen. Alexander-Martin Sardina kommt zu differenzierten anderen Angaben in seinem Unterkapitel „Deutsch-deutsche Übersiedlungsstatistik für die Jahre 1949 bis 1989“ in seiner Dissertation: Demnach zählten die Erstaufnahmelager in der Bundesrepublik 343.854 DDR-Bürger, von denen 101.947 genehmigt in den Westen kamen. Nach DDR-Angaben waren es insgesamt 203.116 Personen im Wende-Jahr 1989.
Bis 1989 zahlte die Bundesrepublik Deutschland für 250.000 Personen, die die DDR mit einer Ausreisegenehmigung verlassen durften. (Wikipedia)
3,8 Millionen
Flucht aus der SBZ und der DDR – im DDR-Jargon „Republikflucht“ – war das Verlassen der DDR oder ihres Vorläufers, der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), oder Ost-Berlins ohne Genehmigung der Behörden. Von der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 bis in den Juni 1990 verließen über 3,8 Millionen Menschen den Staat, davon viele illegal und unter großer Gefahr. Eingeschlossen sind in diese Zahl die 480.000 seit 1962 legal ausgereiste DDR-Bürger. Etwa 400.000 kehrten im Laufe der Zeit wieder in die DDR zurück. (Wikipedia)
Häftlingsfreikauf
Als Häftlingsfreikauf bezeichnet man den Freikauf politischer Häftlinge aus der DDR durch die Bundesrepublik Deutschland. Für die Freilassung politischer Gefangener verzichtete die DDR bei selektierten Haftfällen auf einen Teil des Haftanspruchs, wofür die Bundesrepublik die DDR durch Devisen, vornehmlich jedoch durch geldwerte Leistungen in Form von Warenlieferungen entlohnte. Im Westen wurden diese von Rechtsanwälten eingefädelten Transaktionen von den beteiligten Akteuren und in der Öffentlichkeit als Menschenhandel bezeichnet. In der DDR durfte über den Menschenhandel mit der Bundesrepublik nicht gesprochen werden. Auf eigenen Wunsch wurden die freigekauften Gefangenen in die Bundesrepublik ausgebürgert; oft direkt aus der Haft heraus und ohne sich vorher von ihren Angehörigen oder Mithäftlingen verabschieden zu können. Zwischen 1964 und 1989 wurden insgesamt 33.755 politische Häftlinge für 3.436.900.755,12 D-Mark freigekauft. Außerdem musste die Bundesregierung „Gebühren“ für die Ausreise von etwa 250.000 Ausreisewilligen entrichten. Dieser Geldfluss von West nach Ost trug zur Stabilisierung der DDR bei, die ab den 1970er Jahren in ständigen Finanznöten steckte. (Wikipedia)
Aktion „Störenfried“
Anfang November 1987 kritisierten Freya Klier und Stephan Krawczyk gemeinsam in einem offenen Brief an Kurt Hager den gesellschaftlichen Zustand der DDR und forderten Reformen ein. Beide beschlossen, an dem alljährlich im Januar abgehaltenen offiziellen Massenaufmarsch zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht mit eigenen Spruchbändern teilzunehmen. Ihr Ziel war es, sowohl kritisch auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen als auch auf die eigenen Berufsverbote aufmerksam zu machen. […] Am 8. November 1987 wurde nach vorangegangenem Durchtrennen der Bremsleitungen ein Mordversuch der Staatssicherheit durch im Auto aufgebrachtes Nervengift auf sie und Krawczyk verübt. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hatte die Aktion „Störenfried“ bereits Wochen zuvor genau geplant: Zunächst wurden am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 105 Personen, darunter auch Stephan Krawczyk, Vera Wollenberger und Herbert Mißlitz, verhaftet. Freya Klier wandte sich daraufhin mit einem Appell an die Künstler der Bundesrepublik und forderte diese auf, nicht mehr in der DDR aufzutreten. Nur wenige Tage später nahm das MfS einige führende Bürgerrechtler fest, darunter neben Klier auch Lotte (Regina) und Wolfgang Templin, Werner Fischer, Bärbel Bohley und Ralf Hirsch. Ihre Untersuchungshaft verbrachte Klier in der U-Haftanstalt der Stasi Berlin-Hohenschönhausen. Ihr Anwalt Wolfgang Schnur stellte sich später als Inoffizieller Mitarbeiter des MfS heraus. Vor dem Hintergrund seiner gezielten Desinformationen, es gebe keine Solidarisierung durch Opposition und Bevölkerung und sowieso keine andere Alternative, stellten Klier und Krawczyk am 2. Februar 1988 einen Antrag auf Ausreise aus der DDR. Nur Stunden später wurden sie abgeschoben. Sofort nach ihrer Ankunft im Westen forderten sie auf einer Pressekonferenz ihre sofortige Wiedereinreise in die DDR. Unter anderen der damalige Südwestfunk (SWF) sowie das Polit-Magazin Kontraste stellten klar dar, dass Klier und Krawczyk die DDR unfreiwillig verlassen hatten. (Wikipedia)