Bahnbrechende Bücher
Rüstzeug gegen die bewußt
gestreute Begriffsverwirrung
Mit »Ethnos« prangert Dr. Christian Böttger an, dass »souveräne Völker als Subjekte der Geschichte durch Wirtschaftsstandorte« ersetzt werden sollen. Eine Rezension von Dr. Wolfgang Schühly.
Der Gegenwart. — 4. September 2024
Dieses Buch verdient große Beachtung. Leider ist abzusehen‚ daß solche Stimmen in der derzeit scharf geführten öffentlichen Debatte um die Einwanderungsproblematik in Deutschland und Europa nicht gehört werden (wollen). Würden solche Stimmen ernst genommen‚ so hätten wir eine sachliche und ernstgemeinte Debatte zu diesem Themenkomplex.
Christian Böttger (Jahrgang 1954)‚ der – nach erfolgter Ausbildung zum Gärtner – sich dem Studium der Ethnographie‚ deutschen Geschichte und Volkskunde an der Humboldt-Universität in Berlin verschrieb‚ legt ein Buch vor‚ das Einstieg in die Thematik‚ aber auch Rüstzeug gegen die z.T. völlig fehlgeleitete öffentliche Diskussion über den Ethnos‚ bietet. Seine Publikation stellt eine Serie von schriftlich weiterentwickelten Vorträgen dar‚ die der Autor in den letzten Jahren zu diesem Thema gehalten hat.
Motivation zu diesem Buch erhielt der Autor durch die »tiefe Enttäuschung über die Entwicklung der ethnischen und sozialen Verhältnisse seit der Wiedervereinigung«. Damit meint er die seither beobachtbare Masseneinwanderung mit ihren sozialen Folgen. Und er weiß‚ wovon er spricht‚ wenn er oft scharfzüngig der irrationalen »Migrationspolitik« ins Gewissen redet. Im übrigen ist seine Untersuchung sehr gut recherchiert und mit Zitaten hinreichend belegt.
Manipulierte Diskussion durch Austausch
des Begriffes Volk durch Bevölkerung
Klar wird in diesem Buch zwischen Assimilationsprozessen und sich im Verlauf der Geschichte oft wiederholender Ethnogenese einerseits‚ und der durch Ideologie und planmäßig kraft Gesetz oktroyierten Migration andererseits‚ unterschieden. Den Mechanismus für die Manipulation der Diskussion und die Meinungsführerschaft verortet der Autor in der bewußt gestreuten Begriffsverwirrung‚ resp. in der Abkehr von bislang etablierten und klar verständlichen Begriffen. Als Beispiel nennt Böttger den Austausch des Begriffes Volk durch Bevölkerung‚ damit implizierend‚ daß es sich um ein Kulturkonstrukt handelt. Als Kulturphänomen gedeutet‚ schießen die ideologischen Manipulationsmöglichkeiten und Deutungsmuster ins Kraut. Seine schärfste Kritik richtet sich denn auch gegen den überzogenen Konstruktivismus‚ der zwar eine auf philosophische Begriffe durchaus anwendbare Methodik darstellt‚ im Bereich der Ethnologie jedoch deplaziert ist. Zumindest dann nicht zur Anwendung kommen darf‚ wenn es sich um die Verschleierung politischer Ideologien handelt.
Ist ein Volksbegriff ohne Abstammungsbezug möglich? fragt sich der Autor‚ und verneint gleichermaßen‚ jedoch ohne einem blinden Nationalismus das Wort zu reden. Und so entlarvt Böttger den seit den 68ern zunehmenden Umbau universitärer ethnologischer Forschungskonzepte als Ideologie. Darüberhinaus weist er nach‚ daß hinter dem heutigen verflachten Diskurs zum Ethnos mechanistische Denkstrukturen stehen‚ in denen unsachgemäß Gleichsetzungen von in ihrer Wurzel her völlig verschiedenen geschichtlichen Ereignissen vorgenommen werden.
Die Abhandlung geht auch der Frage nach‚
wer die ersten Indogermanen waren.
Ausführlich widmet sich der Autor dem Begriffswandel des Ethnosbegriffes‚ der im übrigen im Westen fast stets nur für relativ kleine Gruppen außereuropäischer Herkünfte benutzt wird. Im Westen wird Ethnologie heute prozessual verstanden mit sozialanthropologischer Hauptkomponente. Dem gegenüber hält er den Ethnosbegriff der russischen Lehre als Basis für die Forschung und begründet dies u.a. damit‚ daß hier auch die großen Völker miteinbezogen sind. Was im Westen bei der Diskussion‚ die sich fast ausschließlich um die Belange der kleinen Ethnien dreht‚ unter die Räder kommt‚ ist das Ziel der sog. »Neuen Weltordnung«‚ »souveräne Völker als Subjekte der Geschichte durch Wirtschaftsstandorte zu ersetzen«‚ so Böttger.
Am Schluß seiner Ausführungen geht der Autor noch speziell auf die Ethnogenese des deutschen Volkes ein und wendet hier beispielhaft die historisch-systemische Methode der Ethnoslehre an. Diese für sich genommen schon sehr umfangreiche Abhandlung geht der Frage nach‚ wer die ersten Indogermanen waren‚ welche Kultur sie besaßen und welche in historischer Zeit festgestellten Wanderungen der verschiedenen deutschen Stämme belegt sind. Schließlich beschreibt er die Integrationsphasen‚ in denen sich die deutschen Stämme zu einem Verbund konstituierten und leitet dann über zur Konsolidierung des Ethnos in der Reichsstruktur der Deutschen. Phänomene der Assimilation und Akkulturation werden besprochen‚ sowie die Entstehung der deutschen Sprache gestreift. Das Kapitel endet mit der klugen Bemerkung‚ daß sowohl »physische Gestaltungskräfte in Form einer stammesübergreifenden Reichsstruktur« im Verbund mit geistigen Prinzipien‚ nämlich gemeinsame Sprache und geteilte Geschichte‚ zusammenwirken mußten‚ um das deutsche Volk als »Ethnos« entstehen zu lassen. Eine einseitige Festlegung auf Rassenmerkmale‚ Siedlungsraum‚ politische Struktur oder gar – horribile dictu! – genetische Merkmale ist einer solchen Anschauung zur Ethnogenese völlig fremd.
Mit ideologischen Absichten herbeigeführte und herbeigeschriebene Begriffsverfälschungen sind‚ das ist für kritische Zeitgenossen nichts neues‚ an der Tagesordnung. Ein bekannter amerikanischer Philosoph (Harry Frankfurt) nennt solche wahrheitsferne‚ aber dennoch nicht direkt der Lüge zu bezichtigende Redeweise »bullshit« (zu deutsch: leeres Gerede‚ Geschwätz; gemeint ist das implizierte Verschweigen von etwas wichtigem‚ der eigentlichen Sache zugrundeligendem) und schrieb eine lesenswerte kurze Abhandlung gleichnamigen Titels darüber. Mit diesem Buch landete er einen Bestseller‚ was darauf hindeutet‚ daß seine Studie dem Unbehagen einer großen Masse aus der Seele spricht. Dieses Prinzip scheint dennoch seit jeher fester Bestandteil der jeweils herrschenden medialen »Kultur« zu sein.
Ein Aufruf‚ eingefahrene Denkmuster
über die ethnische Zugehörigkeit abzulegen
Der Rezensent unterschrieb dieser Tage eine Petition‚ in der sich eine bekannte und verdiente Umweltschutzorganisation gegen die von der Uno proklamierte Minimal-Definition eines Waldes als Baumbedeckung (welche nichts über den Wert und die Artenvielfalt einer solchen Vegetationsdecke aussagt)‚ wendet‚ um damit gegen die Sanktionierung des Ersatzes von Primärwald durch Plantagenwald (besonders in den Tropen) Stellung zu beziehen. Es mag zwar hergeholt klingen‚ aber der Bezug zu den Mechanismen und Trägern der Begriffsverwirrung um den Ethnos liegt auf der Hand.
Böttgers Stil läßt manchmal rhapsodisch die Vortragsvorlage durchscheinen‚ oft schreibt er überquellend vor Information und mancher geschichtliche Vergleich‚ so die Rekursion auf den Untergang des Römischen Reiches‚ wirkt möglicherweise etwas abgegriffen. Auch hätte ein gründliches Lektorat die Zahl der Flüchtigkeitsfehler erheblich minimieren können. Dies sind einige kleine Punkte einer wohlwollenden Kritik. Der Rezensent versteht mithin das Buch als ein Aufruf‚ eingefahrene Denkmuster und Vorstellung über den Ethnos‚ die ethnische Zugehörigkeit etc. abzulegen‚ was übrigens auch einschließt‚ die klischeehaft geführte Debatte um sog. »rechte« oder »linke« Positionen aufzugeben. Ein Aufruf‚ der nicht nur in der hier skizzierten Problematik wohltäte. ■
Quelle: Ethnos (Rezension von Dr. Wolfgang Schühly) ⋙ Link — Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Dr. Wolfgang Schühly, geboren 1968 in Freiburg im Breisgau, wuchs in Merzhausen auf. Studium der Chemie und Biologie in Freiburg, Promotion in Zürich. Verheiratet, eine Tochter, lebt als Naturstoffchemiker in Graz. Schühly verfügt über umfangreiche Kenntnisse in der Botanik und hat auf weitreichen Exkursionen Material für seine Forschungen zusammengetragen, sowie Naturbeobachtungen angestellt. Er spielt leidenschaftlich Klavier und befaßt sich tiefgründig mit musikalischen, literarischen und kulturgeschichtlichen Themen. Besondere Sorgfalt läßt er der Pflege der deutschen Sprache angedeihen. (Verlagstext)
Dr. Christian Böttger
Foto: Privat
Der Autor
Dr. Christian Böttger, geb. 1954, Facharbeiterausbildung als Gärtner für Zierpflanzenbau mit Abitur 1974, studierte von 1983 bis 1988 Ethnographie, deutsche Geschichte und Volkskunde an der Humboldt-Universität zu Berlin. Danach arbeitete er bis Ende 1991 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Wissenschaftsbereich Kulturgeschichte/Volkskunde am Zentralinstitut für Geschichte (Akademie der Wissenschaften der DDR) an einem Forschungsprojekt auf dem Gebiet der Kulturgeschichte sozialer Reformbewegungen in Deutschland um 1900. Ende 1993 promovierte er an der Humboldt-Universität zum doctor philosophiae. Anschließend war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an verschiedenen Lexikonprojekten beschäftigt. (Verlagstext)
Siehe auch: „Christian Böttger“ auf dem Gegenwart ⋙ Link
Das Buch
Christian Böttger: Ethnos. Der Nebel um den Volksbegriff. 408 Seiten. Lindenbaum Verlag 2014.
»Wir erleben derzeit in Deutschland einen beispiellosen Angriff des politischen Establishments und der fast gleichgeschalteten Medien auf den Volksbegriff. Ethnische Identität, Wir-Gefühle auf der Grundlage einer Abstammungs- und Kulturgemeinschaft, nationales Selbstbewußtsein und die von der herrschenden politischen Klasse geforderte und geförderte Einwanderungsgesellschaft scheinen nicht kompatibel. Mit erheblichem manipulativen und polemischen Aufwand wird Stimmung gegen das noch immer mehrheitlich vorhandene Volkszugehörigkeitsbewußtsein geschürt. Gibt es denn überhaupt noch so etwas wie das „Volk“? Oder sind Völker lediglich ideologische Konstrukte aus der Vergangenheit, die in einer globalisierten Welt keinen Platz mehr haben sollten? Vielfältig sind die Versuche, den Begriff „Deutsches Volk“ – in der Präambel des Grundgesetzes noch ausdrücklich als der Souverän Deutschlands benannt – verächtlich zu machen, zu tilgen oder in „Bevölkerung“ umzudeuten.
Christian Böttger, promovierter Ethnologe und Volkskundler mit DDR-Sozialisation, analysiert das Verschwinden des Volksbegriffs aus dem wissenschaftlichen Diskurs und dem allgemeinen Sprachgebrauch. In seiner populärwissenschaftlichen, gut lesbaren Darstellung präsentiert der Autor die historisch-systemische Ethnos-Theorie, die zumindest vor 1989 in Osteuropa weite Verbreitung gefunden hatte und vom Autor als Kontrast zur amerikanischen Kulturanthropologie und ihren Ablegern vorgestellt wird.
Was ist eigentlich ein Volk? Als Wissenschaft von den Völkern müßten hier eigentlich Ethnologie und Volkskunde Auskunft geben können. Warum der Fall nicht so einfach liegt, davon handelt dieses Buch. Der Autor, ein promovierter Ethnologe und Volkskundler, vor der Wende wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften der ehemaligen DDR, beschäftigt sich mit dem „Nebel“, der gegenwärtig um den Volksbegriff erzeugt wird, konkret mit seinem nicht ganz zufälligen Verschwinden aus dem wissenschaftlichen Diskurs und dem allgemeinen Sprachgebrauch. Als zentrales ideologisches Instrument zur Verbreitung dieses Nebels entlarvt er in dieser überwiegend „populärwissenschaftlich“ gehaltenen, gut lesbaren Darstellung die völlig harmlos daherkommende amerikanische Kulturanthropologie. Weil diese aber die ständig sich verändernde Lebensweise als Kultur begreift, gelingt es ihr scheinbar, alle fixen kollektiven Identitäten, die ja meist kulturell unterlegt sind, rein abstrakt aufzulösen. Damit avanciert die Kulturanthropologie im Prozeß der Globalisierung zur trickreichen Waffe der Globalisten im Kampf gegen die Völkervielfalt. Demgegenüber präsentiert der Autor mit der „historisch-systemischen“ Methode der russischen Ethnos-Theorie überzeugend eine Alternative dazu und testet ihre Belastbarkeit und Chancen am Beispiel der Entstehungsgeschichte unseres eigenen Volkes. Dabei kann er den Nachweis erbringen, daß sich diese Ethnogenese nicht nur in unseren Gehirnen, im intellektuellen Diskurs als „Erfindung“ von Volkskundlern und Ethnologen abgespielt hat, wie uns die „Konstruktivisten“ heute einreden wollen, sondern ein realer Prozeß der Weltgeschichte war.« (Verlagstext)
Zum Weiterlesen
Beiträge von Dr. Christian Böttger bei Wir selbst:
▬ Der Weg der Rußlanddeutschen von einer ethnischen Gruppierung zu einer nationalen Minderheit
▬ Was Volks- und Völkerkunde zur Klimadiskussion beitragen können
▬ Das Verblassen heidnischer Glaubensvorstellungen bei den Germanen und die Ausbreitung des Christentums
▬ Der leidvolle Schicksalsweg der Deutschen in Rußland
▬ Kultur versus Ethnos