Hinweise auf Menschen
Felix Hartlaub
Er wäre einer der großen Schriftsteller der Nachkriegsliteratur geworden. Seine Spuren verlieren sich 1945 in den Kriegswirren.
Der Gegenwart. — 6. Februar 2023
Felix Hartlaub wäre einer der großen Schriftsteller der Nachkriegsliteratur geworden. Seine Spuren verlieren sich kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs in den Wirren der Kämpfe um Berlin. Felix Hartlaub zählt zu jenen zahlreichen Opfern, die als vermisst gelten und spurlos verschwunden sind. Sein schmales Oeuvre, postum veröffentlichte Prosatexte und Briefe, blieb ein Geheimtipp unter Kennern.
Die Felix Hartlaub Gesellschaft
Kein anderer Schriftsteller seines Alters ist damals erzählerisch soweit vorgedrungen in die innerzivilisatorischen Wüsten der Weltkriegszeit, keinen hat Entwurzelung in solche Hellseherei getrieben. Es ist Zeit, diesen verheißungsvollen Autor unter der Tarnkappe hervorzuziehen.
Durs Grünbein, FAZ vom 9. Mai 1995
Felix Hartlaub war der Sohn des Kunsthistorikers und Museumsdirektors Gustav Friedrich Hartlaub. 1914 zog die Familie nach Mannheim. Von 1919 bis 1921 besuchte Hartlaub eine Privatschule, danach eine Volksschule in Mannheim. Als Kind begann er mit dem Zeichnen, Dichten und Schreiben. Ab 1928 war er Schüler der Odenwaldschule in Heppenheim, wo er 1932 sein Abitur ablegte. Anschließend studierte er an der Handelshochschule in Mannheim und ab 1932 Romanistik und Geschichte an der Universität Heidelberg. Im Zuge der nationalsozialistischen Kulturpolitik wurde sein Vater am 20. März 1933 als sogenannter Kulturbolschewik entlassen; die Familie war gesellschaftlich weitgehend isoliert.
Nach der Ableistung des Arbeitsdienstes wechselte Hartlaub 1934 an die Humboldt-Universität zu Berlin, wo er Neuere Geschichte, Romanistik und Kunstgeschichte studierte. Er verliebte sich in die Mutter seines ehemaligen Schulkameraden Klaus Gysi, die 1938 als Jüdin und Kommunistin nach Frankreich fliehen musste. 1939 wurde er mit einer historischen Arbeit zum Doktor der Philosophie promoviert.
Zutritt zum äußeren Sperrkreis in den Führerhauptquartieren
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Hartlaub zur Wehrmacht eingezogen. Von September 1939 bis November 1940 gehörte er einer Sperrballoneinheit an. Gute Beziehungen zum Doktorvater Walter Elze verschafften ihm im Dezember 1940 eine Abkommandierung zu der Historischen Archivkommission, die in Paris erbeutete französische Akten sichtete. Von September bis November 1941 diente er erneut als Soldat, diesmal in Rumänien. Anschließend war er bis Mai 1942 als historischer Sachbearbeiter beim Oberkommando der Wehrmacht in Berlin. Von Mai 1942 bis März 1945 gehörte er dem Bearbeiterstab des Kriegstagebuchs beim Oberkommando der Wehrmacht an. Hartlaub hatte während dieser Zeit Zutritt zum äußeren Sperrkreis in den Führerhauptquartieren in Winniza, Rastenburg und Berchtesgaden und erlangte Kenntnis über Interna der Kriegsführung. Im April 1945 wurde er im Rang eines Obergefreiten zu einer Infanterie-Einheit an die Front bei Berlin abkommandiert. Anfang Mai 1945 begab er sich auf den Weg nach Spandau. Seitdem gilt er als vermisst. Seine offizielle Todeserklärung erfolgte 1955, als Todesdatum wurde der 31. Dezember 1945 festgesetzt.
Literarische Entwürfe, Fragmente, Beobachtungen des Lebens
Hartlaub, der zu Lebzeiten sehr wenige seiner literarischen Arbeiten veröffentlichte, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch seine privaten Aufzeichnungen aus den Kriegsjahren – literarische Entwürfe, Fragmente, Beobachtungen des Lebens im faschistischen Italien, in der deutschen Reichshauptstadt und im besetzten Paris – bekannt. Einen Namen gemacht hat er sich vor allem durch die plastischen und intensiven Schilderungen eines distanzierten Beobachters über den Alltag im Führerhauptquartier, die in ihrem knappen Stil bereits auf die Kahlschlagliteratur der Nachkriegszeit hindeuten. Seine Aufzeichnungen, die von ihm vermutlich als Skizzen für später auszuarbeitende erzählerische Werke gedacht waren, wurden 1955 in unvollständiger und bearbeiteter Form von seiner Schwester Geno Hartlaub herausgegeben. Eine vollständige Ausgabe der Aufzeichnungen erschien 2002.
Textgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Hartlaub
Am besten erzähle ich einfach, was sich mir täglich sichtbar zeigt; vielleicht kommt man gerade damit dem Unsichtbaren, das natürlich das Entscheidende ist, am nächsten.
Felix Hartlaub
Lebensdaten
Felix Hartlaub (* 17. Juni 1913 in Bremen; † vermutlich Anfang Mai 1945 in Berlin) war ein deutscher Historiker und Schriftsteller. (Wikipedia)
Bücher
Felix Hartlaub: Aufzeichnungen aus dem Führerhauptquartier. Hrsg. von Gabriele Ewenz, mit einem Nachwort von Matthias Weichelt. Suhrkamp, Berlin 2022.
Matthias Weichelt: Der verschwundene Zeuge – Das kurze Leben des Felix Hartlaub, Suhrkamp 2020
»Als Felix Hartlaub 1945 in den Kämpfen um Berlin verschwindet, hinterlässt er bei der Familie und Freunden versteckte Fragmente: spektakuläre literarische Aufzeichnungen aus dem faschistischen Italien, aus Hitlers Berlin, dem okkupierten Paris und den Führerhauptquartieren „Werwolf“ und „Wolfsschanze“. Darunter ein begonnener Roman über das Attentat vom 20. Juli, das Hartlaub, Mitarbeiter des sogenannten Kriegstagebuchs, als Ohrenzeuge miterlebt. […] Matthias Weichelt erzählt in seiner bei Suhrkamp erschienen Biographie das kurze Leben dieses verschwundenen Zeugen und spricht darüber mit Hanne Knickmann. Als weitere Gesprächspartnerin wird Melanie Hartlaub, die Nichte Hartlaubs, von ihrer Kindheit bei den Großeltern im Schloß-Wolfsbrunnenweg berichten und von der Rolle ihres Großvaters für den Heidelberger Kunstverein in der Nachkriegszeit.«
Bücher-Podcast
Hartlaub Gesellschaft
»Die Felix Hartlaub Gesellschaft e. V. wurde im November 2011 in Berlin gegründet. […] Es ist ihr Anliegen, den Diskurs über Hartlaubs Werk und Vita zu beleben und das Oeuvre der Allgemeinheit, insbesondere auch heranwachsenden Generationen, zugänglich zu machen. Felix Hartlaub soll den ihm gebührenden Platz in der deutschen Literaturgeschichte erhalten und in der Bedeutung seiner Zeitzeugenschaft für das vergangene Jahrhundert erkannt werden.«
Vorsitzender: Dr. Matthias Weichelt
Webseite: felix-hartlaub.de
Einen so unbestechlichen Blick wie den seinen hat es in der Literatur nach 1945 nicht mehr gegeben.
Hans Magnus Enzensberger