
In eigener Sache
Fraktur
Vor gebrochenen Schriften gruseln sich heute nur gebrochene Herzen und gewaschene Hirne. Deshalb: Antimodernisten aller Länder, vereinigt Euch! Verteidigt die Fraktur, denn sie signalisiert ein Qualitätsprodukt!
Der Gegenwart. — 17. August 2022
Auf Warenverpackungen, insbesondere bei Lebensmitteln, signalisiert die Frakturschrift ein Produkt von althergebrachter Art und Qualität. Bei Winzern und Brauereien symbolisiert sie Alter und Tradition, bei Gaststätten signalisiert die Hausinschrift in Fraktur einen mit Liebe geführten Traditionsbetrieb, zumindest aber Gemütlichkeit.
Wikipedia-Artikel „Fraktur (Schrift)“, zuletzt am 8. Dezember 2021 um 01:42 Uhr bearbeitet.
Bitte genau hinsehen! Nein, die blau eingefärbte Länderei auf der Karte ist nicht das böse Großdeutsche Reich. Das gab es im Jahre 1900 nicht. Es werden lediglich die Regionen gezeigt, in denen die Fraktur – das Deutsche Alphabet – gebräuchlich war.
Vor gebrochenen Schriften gruseln sich heute nur gebrochene Herzen und gewaschene Hirne. Die Fraktur war und ist etwas Normales, und wir sollten auf dieser Normalität bestehen und die Normalität verteidigen. Antimodernisten aller Länder, vereinigt Euch! Denn schließlich verbreitet auch Wikipedia, dass „die Frakturschrift ein Produkt von althergebrachter Art und Qualität“ signalisiert. Genau das nehmen wir auch für diese nette kleine Webseite im Logo und im Seitenzitat in Anspruch. Nicht mehr und nicht weniger.
An die Unkundigen und die Ignoranten historischer Fakten: bitte nochmal zur Karte! Die Fraktur war die deutsche Schrift, und zwar seit Jahrhunderten. Sie wurde deswegen in Deutschland und auch im Ausland die Deutsche Schrift oder Deutsches Alphabet, wie es auch die Legende der Karte von 1900 ausweist, genannt. Hitler hat die Fraktur nicht eingeführt, er hätte das auch nicht gekonnt, da sie im Deutschen Reich und darüber hinaus – siehe Norwegen – lange vorher schon verbreitet und vertraut war, sondern er hat sie seit 1941 a b s c h a f f e n wollen.
Ende der Debatte. —
Zum Anfang des 16. Jahrhunderts entstanden
Die Frakturtype bildete sich am Anfang des 16. Jahrhunderts als Weiterführung der Textura heraus. Ihre Entstehung ist eng mit Kaiser Maximilian I. verbunden. Wer genau die Fraktur geschaffen hat, ist aber bis heute nicht eindeutig geklärt, da die Formen der Type auch in handschriftlichen Urkunden aus dem Umfeld der Wiener Universität und in Nürnberg nachweisbar sind. In Frage kommt unter anderem Vinzenz Rockner, ein Sekretär von Maximilian I., der den Druck des Gebetbuches überwachte und die handschriftlichen Vorlagen für die Drucklettern lieferte. Unklar bleibt, ob er diese Vorlage auch selbst entworfen hat. Der zweite mögliche Urheber ist der Mönch und Schreiber Leonhard Wagner, der bereits am Ende des 15. Jahrhunderts eine entsprechende Schriftart entwickelte, die aber in der Bibliothek seines Klosters verblieb, so dass unklar ist, wie bekannt diese Handschrift war.
Die erste Frakturschrift für den Buchdruck wurde bereits 1513 von Hans Schönsperger in Augsburg entworfen und (unter anderen) im von Albrecht Dürer illustrierten Gebetbuch verwendet. Als zweite wichtige Anwendung der Fraktur im Druck gilt der 1517 in Nürnberg gedruckte Theuerdank. Ihre ästhetische Vollendung erfuhr sie durch Schriftschneider im 18. Jahrhundert wie G. I. Breitkopf und J. F. Unger.
Nach Rudolf Kautzsch besteht ein wichtiger Charakter der Frakturschrift in der „geheimen Gegensätzlichkeit zwischen der Gotik ihrer Gemeinen und der Renaissance ihrer Versalien“.
Dem Zeitgeist angepasst und verändert
Die Fraktur hat sich, ähnlich wie die Antiqua, im Laufe der Zeit unter dem Einfluss des Zeitgeistes angepasst und verändert. Es lassen sich folgende wichtige Formen der Fraktur unterscheiden:
▬ Renaissance-Fraktur: Theuerdank-Fraktur
▬ Barock-Fraktur: Breitkopf-Fraktur
▬ Klassizistische Fraktur: Unger-Fraktur, Walbaum-Fraktur
Verwendung der Fraktur in der Neuzeit
Im älteren Schrifttum war häufig eine Mischung aus Fraktur und Antiqua gebräuchlich. Namen und Begriffe aus dem Latein oder romanischen Sprachen (Französisch) wurden dabei in Antiqua gesetzt, der deutsche Text dagegen in Fraktur.
Die Frakturschrift wurde in Deutschland in ausgewählten Publikationsbereichen Ende des 19. Jahrhunderts von der Antiqua abgelöst. So änderten im Zuge der Internationalisierung wissenschaftlich-technische Zeitschriften ihre Typografie, zum Beispiel bereits 1872 die Zeitschrift des Vereines Deutscher Ingenieure. In anderen Bereichen war Frakturschrift bis nach dem Ersten Weltkrieg üblich, danach begann sich im Zuge der Neuen Typografie allmählich die Antiqua durchzusetzen.
Zur Zeit des Nationalsozialismus erlebte die Fraktur insbesondere als Auszeichnungsschrift, aber auch als Textschrift zunächst eine Renaissance, da sie als deutsche Schrift betrachtet wurde. Man berief sich unter anderem auf Cäsar Flaischlen, der „Vom Herrenrecht unserer deutschen Schrift“ gedichtet hatte.
Schreibmaschinen mit Frakturschrift
Ab Juni 1933 forcierte das Reichsinnenministerium das Vorhaben, Schreibmaschinen mit Frakturschrift verbindlich in Behörden einzuführen. Der Fachnormenausschuss für Schreibmaschinen scheiterte jedoch an der Aufgabe, sich auf verbindliche Schriftzeichen zu einigen. In diesem Ausschuss war auch die Schreibmaschinenindustrie vertreten, die eigentlich ein Interesse an verstärktem Absatz hätte haben müssen. Hitler erklärte auf einer Kulturtagung der NSDAP 1934:
Der nationalsozialistische Staat [muss] sich verwahren gegen das plötzliche Auftauchen jener Rückwärtse, die meinen, eine „teutsche Kunst“ aus der trauten Welt ihrer eigenen romantischen Vorstellungen der nationalsozialistischen Revolution als verpflichtendes Erbteil für die Zukunft mitgeben zu können […]
So wurde das Vorhaben der Umstellung der Schreibmaschinen nicht weiter forciert. Seit 1940 sollten alle für das Ausland gedruckten Texte in Antiqua gesetzt werden, worüber die Bevölkerung jedoch nicht informiert wurde. Die Schriftpolitik blieb über längere Zeit völlig unklar. Ein Erlass des NSDAP-Regimes von 3. Januar 1941, in welchem Martin Bormann in Hitlers Auftrag die der Fraktur ähnliche Schwabacher als „Judenschrift“ bezeichnete, erklärte dann in einer totalen Kehrtwendung (und in Verkehrung der tatsächlichen Entwicklung der Schrift) die Antiqua zur „Normalschrift“. Schwabacher und Fraktur galten fortan als unerwünscht, so dass NSDAP-treue Zeitungen und Verlage vor allem in der für das Ausland bestimmten Produktion zum durchgehenden Gebrauch der lateinischen Schrift, insbesondere der Antiqua, übergingen. Der Duden erschien 1941 letztmals in Fraktur.
Extrem teurer Wechsel mitten in Kriegszeiten
Allerdings glaubten wohl selbst die NS-Funktionsträger nicht an diese Argumentation. Hintergrund des (extrem teuren) Wechsels mitten in Kriegszeiten war vermutlich die Auffassung, dass die deutsche Hegemonie in einem eroberten Europa mit einer besonderen, optisch engen und komplizierten, schwer zu erlernenden Schrift nicht zu sichern sei. Auch waren die zahlreichen Zwangsarbeiter oft nicht in der Lage, einfache Beschriftungen in Fraktur zu verstehen, was die Kriegsproduktion behinderte. So schrieb Goebbels am 2. Februar 1941 in sein Tagebuch:
Der Führer ordnet an, daß die Antiqua künftig nur noch als deutsche Schrift gewertet wird. [Gemeint war wohl: … dass künftig nur noch die Antiqua als deutsche Schrift gewertet wird.] Sehr gut. Dann brauchen die Kinder wenigstens keine 8 Alphabete mehr zu lernen. Und unsere Sprache kann wirklich Weltsprache werden.
Unter den „acht Alphabeten“ verstand man damals jeweils die Klein- und Großbuchstaben von Fraktur, deutscher Schreibschrift, Antiqua und lateinischer Schreibschrift.
Goebbels betonte fünf Vorteile der Antiqua: 1. Wirksamere Verbreitung deutscher (Propaganda-)Schriften im Ausland; 2. verbesserte Möglichkeiten, eroberte Gebiete zu verwalten; 3. Absicherung der militärisch-politischen Herrschaft durch eine schriftlich-kulturelle Dominanz; 4. Abgrenzung gegenüber der Sowjetunion und Anpassung an Westeuropa mit einer einheitlichen europäischen (deutschen) Schrift; 5. wirtschaftliche Vorteile durch Verbesserung des Absatzes deutscher Bücher im Ausland.
Nach 1945 keine Renaissance, aber Hesse in Fraktur
Ab September 1941 wurde in deutschen Schulen nur noch die lateinische Schrift gelehrt, die bis dahin nur als zweite Schrift ab Klasse 2 unterrichtet worden war, wodurch Unterrichtszeit für andere Fächer frei wurde. Kaum jemand war über die Gründe informiert. Für Bevölkerungsgruppen, die sich in Nationalitätenkonflikten wähnten, z. B. die Sudetendeutschen, stellte die Umstellung ein Ärgernis dar.
Die Frakturschrift erlebte nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches keine Renaissance. 1951 kam es zwar zur Neugründung des Bundes für deutsche Schrift in Hannover (seit 1989: Bund für deutsche Schrift und Sprache), der sich für die Verwendung deutscher Druck- und Schreibschriften einsetzt. Das Thema fand jedoch in der Öffentlichkeit keinen größeren Raum.
Allerdings wurden auch nach 1945 noch Bücher in Fraktur gedruckt. Der Autor Hermann Hesse bestand noch lange nach dem Krieg darauf, dass seine Werke in Fraktur gedruckt würden. Auch viele Klassiker fanden in den 1950er Jahren als Frakturausgaben noch sehr guten Absatz, so eine Theodor-Storm-Gesamtausgabe von 1953.
Gesetzestexte bis in die 1980er Jahre
Die evangelischen Kirchen hielten noch längere Zeit an der „deutschen Schrift“ fest. So erschienen viele deutschsprachige Bibelübersetzungen bis in die 1960er Jahre in Fraktur. Die katholische Kirche hatte für lateinische Texte traditionell die lateinische Schrift verwendet und vollzog die Umstellung auch für deutschsprachige Texte früher. Bis in die 1980er Jahre wurden in Westdeutschland einzelne Gesetzestexte, zum Beispiel das Wechselgesetz in der seinerzeit als Schönfelder bekannten Gesetzessammlung (heute Habersack), in Fraktur gedruckt.
Die Neue Zürcher Zeitung wurde seit ihrer Gründung 1780 bis zum Jahr 1946 komplett in Fraktur gesetzt. Seit der Umstellung 1946 verwendet sie, wie auch einige andere deutschsprachige Zeitungen (unter anderem die Frankfurter Allgemeine, die Südtiroler Tageszeitung Dolomiten und die luxemburgische Tageszeitung Luxemburger Wort), Fraktur noch im Zeitungstitel. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung setzte bis zum 4. Oktober 2007 auch Überschriften von Meinungsartikeln in Fraktur, in den letzten zweieinhalb Jahren davor allerdings ohne das lange s.
Auf den DM-Banknoten zu 5, 10, 100, 500 und 1000 DM der ab 1961 ausgegebenen dritten Serie sowie auf allen Banknoten der ab 1990 ausgegebenen vierten Serie war das Wort Banknote in Fraktur gesetzt.
In Musik- und Jugendkulturen Metal und Punk beliebt
In der Gegenwart werden Frakturschrift oder andere gebrochene Schriften in der Werbung, zur Beschriftung verschiedener Artikel und für Straßenschilder verwendet. Auf Warenverpackungen, insbesondere bei Lebensmitteln, signalisiert die Frakturschrift ein Produkt von althergebrachter Art und Qualität. Bei Winzern und Brauereien symbolisiert sie Alter und Tradition, bei Gaststätten signalisiert die Hausinschrift in Fraktur einen mit Liebe geführten Traditionsbetrieb, zumindest aber Gemütlichkeit.
Schließlich ist die Frakturschrift, meistens die im englischsprachigen Raum verbreitetere gotische Schrift, in Musik- und Jugendkulturen wie Metal, Punk oder Gothic beliebt. Gebrochene Schriften sind einerseits derzeit in der Mode verbreitet, andererseits werden sie trotz der schließlichen nationalsozialistischen Frakturablehnung auch von Neonazis verwendet. Allerdings werden die Schreibregeln bezüglich des langen s bei Massenprodukten und Kneipenschildern aus Kunststoff inzwischen seltener oder überhaupt nicht mehr angewandt. Gleiches gilt für die Ligaturen ch, ck, tz und st (eigentlich ſt), die sogenannten Zwangsligaturen.
Fraktur in Frankreich und Lateinamerika
Im Französischen ist die Fraktur auch als „gotische Schrift“ (écriture gothique) bekannt. Im Band Asterix und die Goten der Comic-Reihe Asterix wird die gesprochene gotische Sprache durch Sprechblasen in stilisierten, der Fraktur ähnlichen Lettern dargestellt. Die deutschen Übersetzungen greifen an diesen Stellen auf die echte Frakturschrift zurück.
Fraktur wird immer noch unter den traditionellen deutschsprachigen Täufern verwendet, um deutsche Texte zu drucken, während deutsche Kurrentschrift als Handschrift für deutsche Texte verwendet wird. Gruppen, die beide Formen der traditionellen deutschen Schrift verwenden, sind die Amischen, Mennoniten alter Ordnung, Hutterer und traditionelle Russlandmennoniten, die heute hauptsächlich in Lateinamerika leben.
Textgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Fraktur_(Schrift)
Kein Lang-s
Mitteilung in eigener Sache: Wir nutzen zwar auf dieser Webseite eine Fraktur, verwenden aber nicht die Ligaturen und das Lang-s. Wir machen das aus demselben Grund, weshalb wir (außer ggf. in wörtlichen Zitaten) auch keine Gender-Zeichen verwenden: zugunsten eines „barrierefreien Internets“. Die beinahe im Jahrestakt wechselnden Zeichen für sog. „gendersensible Schreibung“ verwenden wir hier nicht. Denn Der Gegenwart hat nicht nur eine Gegenwart, sondern auch eine Zukunft, in der heute niemand wissen kann, welche kurzlebigen Marotten später einmal als „modern“ gelten.
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Fraktur-A als Apothekenzeichen
Tatsache ist, daß das „A“ für die deutschen Apotheken 1936 – also während der NS-Zeit – eingeführt wurde. Vorausgegangen war dem ein jahrelanger Streit über die Frage eines einheitlichen „Zunftzeichens“, das vor allem dazu dienen sollte, Apotheken hinreichend deutlich von Drogerien zu unterscheiden. […] Dessen Gestaltung als Frakturbuchstabe blieb unverändert, obwohl schon im Januar 1941 ein internes Rundschreiben der NSDAP klargestellt hatte, daß zukünftig die Antiqua als „Normalschrift“ zu verwenden sei. […] Was nach 1945 blieb, war das Fraktur-A an den Apotheken. […] Sonst ist die Nutzung der „gotischen“ Buchstaben sehr zurückgegangen. Zwar hat sie in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten noch verwendet, wer betont auf Seriosität statt Modernität setzte – wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit ihrem Titel – oder für Waren oder Dienstleistungen auf altväterlich-vertraute Art werben wollte. Aber es setzte früh die Gegenbewegung progressiver Kreise ein, die die Fraktur zum Synonym für Spießiges, Reaktionäres oder Schlimmeres zu machen suchten.
Karlheinz Weißmann: Unter Verdacht gestellt. Junge Freiheit vom 9. September 2022
Fraktur übrigens – ein wenig Nachhilfe: Sprachgeschichtlich kommt „Fraktur“ vom lateinischen „fractura“, es bedeutet „Bruch“ analog zum Zeitwort „frangere, fregi, fractum – brechen“. Mit dem beginnenden 16. Jahrhundert bezeichnete es die „gebrochene“ Spätform der gotischen Minuskel (Kleinbuchstabe), die als Fraktur in Deutschland über rund vier Jahrhunderte hinweg, also lange vor dem NS-Regime, zur vorherrschenden Type wurde. „Gebrochen“ übrigens deshalb, weil Schreiber und Kalligraphen mit ihrer Feder abrupte Richtungswechsel vollzogen, so dass die Lettern wie abgehackt, eben gebrochen wirkten.