Hinweise auf Menschen
Frank Sämmer
Für den gegenständlichen Maler ist die Kunst der BRD keine freie Kunst, wie ihr Gründungsmythos behauptet, sondern Ornament der Obrigkeit. — Ein ästhetisches und politisches Lehrstück.
Der Gegenwart. — 13. März 2023
Der Bürgerkrieg gegen den freien Augensinn und der Kampf gegen eine eigenständige deutsche kulturelle Identität ursprünglicher Erinnerung hat sich seit der Nachkriegszeit aus dem Raum der Kunst zu größerer gesamtgesellschaftlicher Relevanz weiterentwickelt. Heute wird von einem ideologischen Kontrollstaat jedes Selbstdenken als Verschwörungstheorie oder Delegitimierung in Abrede gestellt und jede Imagination als unberechenbare, phantastische Unvernunft kriminalisiert. Aus dem obrigkeitlichen Gebot der Nullkunst ist also eine Propaganda gegen das Denken selbst und das interne Humanum der Sinne geworden.
Frank Sämmer (2023)
Der Manuscriptum-Verlag hatte auf der Frankfurter Buchmesse im September 2019 den Kunstdrucks eines Gemäldes von Frank Sämmer präsentiert. Dabei sprach der Künstler einige erläuternde und einführende Worte.
In seinem Redebeitrag stellte er seinen künstlerischen Werdegang dar – als figurativer Maler im Spannungsfeld des Relativismus und Nihilismus der Postmoderne.
Statt ein „Gespräch über stille bilderkünstlerische Fantasie und kontemplative Einsichten“ zu führen, wollte Frank Sämmer „lieber etwas zu den kunsthistorischen und kunstpolitischen Hintergründen sagen, so wie ich sie mit meinem Geburtsjahr und den Zeitumständen meines Eintritts in das öffentliche künstlerische Leben und die akademische Welt der Bundesrepublik Deutschland erfahren habe. Als kleiner Hinweis darauf, dass sich vieles von dem, was wir heute wenigstens als politische und kulturelle Irritation wahrnehmen, in der Kunst schon lange angekündigt hat.“
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Die Kunst der BRD:
Ornament der Obrigkeit
Betrachtungen eines gegenständlichen Malers
Vortrag von Frank Sämmer, September 2019 (Auszug)
Heute kann man eigentlich nicht mehr sinnvoll und gewinnend über zeitgenössische Kunst sprechen. Dazu ist der Wirrwarr ihrer kulturell, stilistisch und politisch erweiterten Begriffe zu groß. Formulierungen und maßgebliche gedankliche Setzungen sind unmöglich und vom Kunst- und Kulturbetrieb der BRD auch nicht gewünscht. Der Zeitgeist der Kunst des freien Westens erscheint eher wie politisch korrekte Desinformation am langen Arm der Macht. Ihr Freiheitsbegriff ist nur noch eine Leerformel, die Künstler haben sich eingerichtet, die Versorgungsansprüche sind wichtiger. Das ist heute so wie früher.
Ideologisch spiegelbildlich zur Kunst des 3. Reichs war die Westkunst seit Beginn ein Medium politischer Erziehung. Durch den Entzug kultureller Wertigkeiten und historischer Maßstäbe sollte sich die Kunst nicht mehr an der Wirklichkeit und den Realitäten gelebten Lebens orientieren, sondern sich gegenstandslos und kunstbegrifflich entgrenzt, außerhalb von Bildungshorizonten formalistischem Trallala und niederschwelliger Unterhaltungskunst zuwenden. Autonomisiert und ohne Bildprinzip konnte und sollte sie fortan keine hochkünstlerischen Normen mehr setzen. Für Kunst und Künstler, die die bildende Kunst und ihre klassischen Gattungen noch als Ausdruck und vollendete Gestaltung anschaulichen Denkens auf der Suche nach Erkenntnisfragen verstanden, wurde der Vorhang geschlossen.
Nach 70 Jahren demütigender Betäubung ist mittlerweile alles Wissen um die traditionellen Kunstfertigkeiten und die Begabung ihrer Träger unwiderruflich vergessen. An die Stelle der Könnerschaft wurde ein historisch angepasster, von später Geburt geadelter Dilettantismus und Häßlichkeitskult gestellt. Eine Kunst aus der Steckdose künstlerisch konzeptioneller Verarmung mit unfertigen Formen und bloßer inhaltlicher Vortäuschung.
Kunst und Kultur werden jetzt zum Kitsch politischer Parteinahme und Haltung degradiert.
Als aktualisierte Form des künstlerischen Mainstreams begegnet sie uns als Kunstsimulation der „Vielen“ wieder. Ein groß aufgemachter Aufruf zu globaler Vielfalt, Multikulturalismus und universeller Toleranz. Dabei geht es aber weniger um Kunst und Kultur. Ihr ursprünglicher Gehalt wird jetzt zum Kitsch politischer Parteinahme und Haltung degradiert.
Dort herrscht ein Klima demokratisch korrekter Gesinnung, mehrheitlich begründet und rückversichert, am langen Arm verdeckter operativer Maßnahmen des Kunstbetriebs zur kulturpolitischen Erziehung freiwilliger Aufgabe persönlicher Weltsicht und Eigenart. Sie generiert einen künstlerischen Bodensatz einvernehmlicher Tugendformalitäten und vorgeschriebenen Moralisierungszinnobers. Als gesellschaftlicher Flash Mob, von oben befördert und von unten durch viele offizielle und nichtoffizielle Mitläufer und Inquisitoren durchgesetzt. Staatsmaler und Regierungssänger oder unantastbare, nassforsche Kleinkünstler – „Viele“ sehen sich heute als Vorfeldorganisatoren politischer Parteien und mächtiger Denkfabriken entgrenzter Menschlichkeit. So entgleitet dem Willen der kunstreligiösen Erlöser schon mal die Demokratie zum Diktat und der Begriff der künstlerischen Freiheit zum Unwort.
Für Andersdenkende, Zauderer und Unangepasste gibt es keine Ausreden mehr. Jetzt gehen auch die letzten kleinen Freiheiten des Einzelnen im Nihilismus und den irrationalen Wallungen einer dekonstruierten Welt unter.
Aber für mich persönlich ist das alles nicht wirklich neu.
Meine künstlerische Konzeption
Während meines Studiums konnte ich zu wenig meine persönlichen Vorlieben und Eigenarten entfalten. Außerdem war im Schatten des akademischen Formalismus meine Malerei flach und bedeutungslos geworden. Ich musste darum die Rückbesinnung auf mein persönliches Naturell bemühen und die Verbote und Falschheiten der korrekten Zeitgeistkunst hinter mir lassen. Ganz auf mich gestellt, habe ich dabei auch dem historischen Tod der Malerei, als künstlerisch begründete Gattung, mehr als einmal ins Auge gesehen.
In Westdeutschland hatte die gegenständliche Malerei von Anfang an gegenüber dem stilistischen Abstraktionismus demütigende Begründungszwänge. „So kann man wirklich nicht mehr malen“ und „Wie im Dritten Reich“ hieß es dann pauschal oder die Abstraktion sei axiomatisch geboten als die notwendige und fortschrittliche Entwicklung einer recht verstandenen Kunstgeschichte.
Grundsätzlich anders als bei den gegenständlich malenden Brüdern und Schwestern im sozialistischen Mitteldeutschland, die die Form nicht verselbstständigen durften, ansonsten aber einen traditionellen Akademismus als Lehrprogramm und handwerklich technische Ausstattung pflegten, hinter dessen historischer Kontinuität verborgen, sinnvoll weitergearbeitet wurde. Während im Westen Traditionsbruch künstlerische Pflicht war, konnte die DDR-Kunst, vor allem die Malerei, aus dem Grundverständnis künstlerischer Maßstäblichkeit als klassisches Medium weitergeführt werden und so mit den thematischen Geboten gesellschaftlicher Auftragskunst den Tendenzen ihrer Abschaffung teilweise entgehen.
Die eigene Gewissheit ist vertraut, ganz frei und einsichtig. Sie will gefunden sein.
Auf der Suche nach dem dauerhaft Glaubwürdigen, Untadeligen und Tatsächlichen leiten sich die persönlichen Devisen im Verhältnis zu den Wertungen des Zeitgeistes ungewöhnlich ab. Sie sind nicht relativ, nicht in der Mitte, nicht an den Rändern und auch nicht aus allen bekannten Gestalten, auch denen des Irrtums und der Ketzerei zusammengenommen, zu schließen. Die eigene Gewissheit ist vertraut, ganz frei und einsichtig. Sie will gefunden sein, angeschaut, für sich im eigenen Kreis.
Ich konnte und wollte die schon klassisch modern und dann postmodern zertrümmerte Malerei nicht noch einmal zertrümmern und als ewiges Thema aller Tage in einer Endlosschleife persönlicher Experimente wiederholen. Ich sah keinen tieferen Sinn darin und brachte auch nicht die dazu notwendige Hybris und weltverlorene Arroganz auf. So blieb mir der korrekte Zeitgeist der Dekonstruktion tradierter Kultur und Kunst verschlossen. Dafür aber wurde mir jeder Versuch einer kleinen nazarenischen Renaissance wichtiger.
Also machte ich mich auf den Weg zur Suche nach der Form meiner menschen- und dingbezogenen Malerei. Wenn mir schon der Wirklichkeitsbezug aus einem klassisch akademischen Naturalismus versperrt war, wollte ich ein maßstäblich kultivierteres Malen aus dem Geist und Fundus der alten Malerei gewinnen. Ich habe mich aus dem reinen Formalismus der modernen Kunst gelöst und eine Form gesucht, die die Möglichkeit bedeutsamen Erzählens wieder in ihr Recht setzte. Ich wollte Inhalte zurückgewinnen und die dazu nötigen Darstellungsformen. Hinter den Bergen in den toskanischen Marken wurde ich fündig. Die frühe italienische Malerei, besonders Frührenaissance und Manierismus, aber auch die deutschen gotischen Maler und die der Donauschule fesselten mein Interesse als motivierende Vorbilder. Dabei konnte ich mich auch auf Künstler der klassischen Moderne der Vorkriegszeit, besonders in Deutschland und Italien berufen, die ähnlich wie ich schon früh das moderne Experiment am Ende sahen und als Neusachliche, magische Realisten und Neoklassizisten eine Gegenkultur grundsätzlich anderer Ordnung gefordert hatten.
Ich habe damals noch an eine Reformation der Kunst des Malens geglaubt, obwohl einige andere zeitnahe Bemühungen um eine neue Gegenständlichkeit, wie die der satirischen Schule der neuen Prächtigkeit, der Gruppe Zebra, des Neoklassizismus von Carlo Maria Mariani oder der Kritischen Realisten als Ausnahmeerscheinungen wiederum im Sand verlaufen waren.
Die Fragen der Abstraktion waren in der abendländischen Kunstgeschichte schon immer verhandelt worden.
Die Fragen der Abstraktion blieben mir erhalten, aber ich hatte in der alten italienischen Malerei erkannt, dass sie in der abendländischen Kunstgeschichte auf einer ganz anderen Ebene in ungleich bedeutsameren Zusammenhängen schon immer verhandelt worden waren.
Bei der malerischen Sinngebung unserer Lebensumstände wurde in den Kulturen aller Völker seit jeher der erlebte Naturalismus mit dem Willen zur Bedeutungsform verbunden, die mit ursprünglicher Beauftragung übernatürliche Botschaften alter Transzendenz vermittelte. Nur mit diesem Auftrag und der Fähigkeit zur sinnvollen Gestalt lässt sich das Malen überhaupt begründen. Das war den alten Malern des Religiösen eine Selbstverständlichkeit und seine ikonische Natur auch für die Profanmalerei der Neuzeit verbindlich.
Für meine mythologischen Rekonstruktionen habe ich die klassischen Topoi aufgesucht, um sie wieder in einen künstlerischen Zusammenhang zu stellen. Dabei erscheint die Substanz des Historischen bei mir als Reflex eines rationalistisch konstruktiven Zeitgeistes, der den modernen Fortschrittsglauben oft in ein umfassendes Mysterium umschlagen lässt. Die Klarheit der Gestaltung thematisiert eine Gegenerklärung, die zumindest den Versuch handwerklicher Qualität und malerischer Vollendung, wenn auch gebrochen und immer unvollendet, nahelegt.
Der Kunstbegriff der BRD
Sehr verehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Schluss noch einige Bemerkungen zu dem kulturpolitischen und künstlerischen Zeitfenster, in dessen Licht ich als Nachkriegsgeborener unmittelbar gestellt war. Ich bin groß geworden mit dem Kunstbegriff der BRD als gesetzte Staatskunst mit ihrer Konzeption eines immerwährenden Formalismus.
Auch in der SBZ und späteren DDR wurde eine Staatskunst eingeführt. Sie sollte gegenständlich und als Realismus der humanistisch sozialistischen Gesellschaftsordnung verpflichtet sein. Dabei knüpfte man dort stilistisch an die Vorkriegskunst der Neuen Sachlichkeit an und führte so die deutsche Kunst in historischer Kontinuität weiter.
Dagegen wurde in den Westzonen der späteren BRD in einem kunstrevolutionären Akt und historisch irregulär der schon 1918 überwundene Modernismus restauriert und neu bemöbelt in ein längst nachmodernes politisches System und ein sauberes Gesellschaftsmodell übertragen. Als zeitlose Kunst des freien Westens feierte die von den Toten erweckte Moderne so fröhliche aber immer unverständliche Urständ. Um willkürlich in die Nachkriegszeit gesetzt werden zu können, musste ihre überlieferte autonome Struktur nochmal radikalisiert werden. Dabei war sie nicht Ausdruck des tatsächlichen Kunstschaffens der sich nach dem 2. Weltkrieg wieder in der Heimat zusammengefundenen Künstler. Die Aufrufe zur Ordnung der Neoklassizisten der Zwischenkriegszeit wurden hintertrieben und aufgegeben.
Das kunstpolitische Modell war dem propagandistischen Willen der Westmächte geschuldet.
Das kunstpolitische Modell war dem propagandistischen Willen der Westmächte, besonders der Amerikaner geschuldet und diente zuvörderst der Entpolitisierung und Umerziehung der deutschen Bevölkerung. Es wurde in der Propagandaabteilung der amerikanischen Kulturpolitik entworfen und als Staatskunst der BRD installiert. Dabei sollte die Kunst ungegenständlich sein und weder inhaltlichen noch traditionellen Motiven folgen. Als autonomer Formalismus war sie Nullkunst, eine dekorative Leerstelle, Hülle reiner Form – und Farbspiele ohne Sinn für gelebte Wirklichkeit. Ideologisch verpackte künstlerische Negation ohne Maßstäbe und kulturelle Wertigkeit.
Eine bildungspolitische Entmündigung von Künstler und Betrachter. Jeder sollte fortan Künstler sein, Künstler eines kunstbegrifflich erweiterten, barrierefreien Politkitschs, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte. Wie steriler ausgekreuzter Wildwuchs konnte sich fortan Kunst nur noch aus Kunst entwickeln. Sie hat stilistisch als abstrakter Expressionismus begonnen und konnte später begrifflich erweitert jede beliebige Form und alle möglichen Zustände und Namen annehmen.
Als immer wiederholte Ableitung eines historisch verbrauchten Systems hat die Nullkunst als Deko-Ware eines freien Unternehmertums zwar den Kalten Krieg und den Krieg gegen die eigene Bevölkerung vorläufig gewonnen. Aber es wird täglich deutlicher, dass sie als gebotene Staatskunst der BRD zwar ohne Unterlass „zeitgeistige“ Produkttrends und Neuheiten simuliert, aber dabei, unfähig zur Kunst anschaulichen Denkens und erkenntnisstiftender gesellschaftlicher Identifikation, auf krummen Sonderwegen mit Wegwerfware und Obsoleszenzkunst im Abseits von Geschichte und Weltgeist gelandet ist. Sie kann nur noch toten Hasen ihre Bilder erklären.
Nullkunst bleibt das strenge Gebot der staatlichen Organisation des deutschen Kunstbetriebs.
Trotzdem ist und bleibt die Nullkunst bis heute das strenge Gebot der staatlichen Organisation des deutschen Kunstbetriebs und für die Liegenschaften der politischen Macht verbindlich. Das gilt auch für die korrekten Lehrprogramme der staatlichen Kunsthochschulen und das akademische Personal, das immer wieder neue, angepasste Glücksspieler nach seinen Annahmen heranzieht.
Ihm folgen zweifelsfrei Museen und die öffentlich finanzierten Kulturinstitutionen. Alle Kulturmedien und Feuilletons sind zugeschaltet.
Dabei war und ist der künstlerische Individualismus und angebliche Pluralismus der Kunst des freien Westens nur ein Ballyhoo. Eigensinn ist nur so lange geduldet, bis er ein größeres Publikum sucht. Die Ausschreibungen für eine öffentliche künstlerische Repräsentanz werden fast immer und einseitig der Nullkunst zugeschlagen.
Deshalb gibt es so gut wie kein Ministerium, keine Behörde, kein staatliches oder kommunales Museum, das nicht mit Abstraktionisten, Zerokünstlern, Konzeptualisten, Fotoabmalern, Einpackern, Auspackern, Resteverwertern, Zertrümmerern und anderen Wilden angefüllt ist. Der Ankauf eines gegenständlichen Bildes mit zeitbezogener gestalteter Darstellung ist dagegen eher selten.
Auch die Kunstvereine sind bis ins letzte schattige Wiesental gleichgeschaltet.
Selbst die kommerziellen Messebetreiber für zeitgenössische Kunst versuchen gelegentlich die Künstlerprogramme der ausstellungswilligen Galerien zu zensieren.
Auch die Kunstvereine in Stadt und Land, ursprünglich bürgerliche Gründungen gegen die Dominanz der (damaligen, preußischen) Staatskunst, sind bis ins letzte schattige Wiesental gleichgeschaltet.
Darum ist die Kunst der BRD eben keine freie Kunst, wie ihr Gründungsmythos behauptet. Sie ist ein Ornament von Obrigkeit.
Wer ihren Dogmen nicht folgt, gilt als politisch unzuverlässiger Dissident, der peinlich befragt und kontextualisiert werden muss. Im System der Kunstkirche ist Abweichung gar nicht vorgesehen und wird auch nicht verstanden.
Als letztes Mittel der Staatsmacht drohen Ächtung und Berufsverbot.
Die Schöpfungen der Nullkunst sind ja nicht nur hässlich und ohne integrative Kraft, sondern überdies auch Ausdruck einer politischen Elite, die Unterwerfung einfordert.
So dürfen wir uns auf dem Weg nach Sodom und Gomorra nicht beklagen.
So dürfen wir uns auf dem Weg nach Sodom und Gomorra nicht beklagen und müssen täglich die ästhetischen Banalitäten als städtebauliche Dekonstruktionen, als Standbilder von T-Trägern, als technoiden Ausdruck von Big Data und als Installationen im Ozean kreisender Müll- und Plastikberge des globalen Universalismus besingen und bestaunen. Von unserer menschlichen Natur entfremdet stehen wir jetzt krank an Körper und Seele ohne den Schutz bergender Götter und ohne Ziel und Halt, heimatlos in den Ruinen unserer altbekannten Welt.
Für die Malerei als anschauliche Botschaft ursprünglicher Begründung und Erkenntnis gibt es keinen Freibrief mehr und ohne gesellschaftliche Lizenz auch keine Erneuerung ihres metaphysischen Handwerks.
Trotzdem bleibt den letzten Rittern gerechter Sachen nichts als weiterzumachen und aus ihren Rückzugsräumen das kalte Feuer schöner Bilder in die verderbte Welt zu funken – so lange es eben geht. ■
Quelle: Frank Sämmer „Die Kunst der BRD: Ornament der Obrigkeit“. Vortrag für den Manuscriptum-Verlag auf der Buchmesse in Frankfurt, September 2019.
Wir danken herzlich Herrn Frank Sämmer für die freundliche Erlaubnis, diesen Auszug – etwa die Hälfte des Vortrags – veröffentlichen zu dürfen und verweisen gern auf den kompletten Text: ⋙ Link zum PDF
Der Künstler
Frank Sämmer, geb. 1947 in Frankenberg (Eder) in Hessen, studierte von 1970 bis 1978 Kunst und Kunstwissenschaft an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf.
Bilder: ⋙ Galerie Peter Tedden
»Frank Sämmer ist Maler und Autor künstlerischer Texte am Ende der Moderne. Er malt gegenständliche Bilder und schreibt gegen die formalisierte Leere staatlicher Nullkunst. Dabei setzt er Fragen von Darstellung und Gestaltung, von Inhalt und Form wieder in ihr Recht. Besonderes Augenmerk legt er auf die Rekultivierung der Bedeutungsform. Er ist kein klassischer Historienmaler des Naturalismus. Bei ihm wird eher die Substanz des Historischen im Reflex einer abstrahierenden, rationalisierten Anschauung mit der Figuration der traditionellen Malerei und Geschichte konfrontiert. Sämmer versucht schrittweise die Malerei wieder zu ihrer ursprünglichen Kunde zeitloser Transzendenz zurückführen. Er ist Kulturpessimist und sieht auch dem möglichen Ende der Malerei als metaphysische Gestalt und Erkenntnisform des Anschaulichen gleichmütig entgegen. Die Moderne hat die Begründung kultureller Identität aus der zeitgeistig normierten Ästhetik gekündigt. Ob es also noch einmal gelingt, verbindliche, prägende Werte und Maßstäbe in die Malerei zurückzuführen, muß bei der totalen Herrschaft von Relativismus und Nihilismus bezweifelt werden. Der Versuch von Reformationen könnte auch deshalb ins Leere laufen, weil wir keine Krise europäischer oder deutscher Kultur erleben, sondern längst in ein neues Zeitalter abgeführt werden, in dem nichts mehr von dem gilt und verstanden wird, was unser aller christlich abendländische Anschauung einmal ausmachte. Trotzdem malt Sämmer unverdrossen weiter und funkt aus seinem Rückzugsraum das kalte Feuer klarer Bilder in die Welt.« (Verlag)
Das Buch
Frank Sämmer, Raimund Litz: Reise zum Latemar. Herzergießungen zweier Freunde in Briefen und Bildern übersandt mit der Taubenpost aus den Bergen. Gebundene Ausgabe. 56 Seiten. Edition Sonderwege. Manuscriptum Verlagsbuchhandlung Thomas Hoof e.K. (2023) ⋙ Webseite