
Großtaten und Meisterstücke
Franz von Kobell
München, 1837: Der Mineraloge bannt die Türme der Frauenkirche auf Salzpapier. Das älteste deutsche Foto wurde jüngst entdeckt.
Der Gegenwart. — 28. Mai 2024
Die Geschichte der Fotografie muss um ein entscheidendes Kapitel erweitert werden: Das erste Foto Deutschlands ist zwei Jahre älter als bisher angenommen.
Monopol/dpa: „Neuer Fund: Ältestes Foto Deutschlands zeigt Münchner Frauenkirche“, 28.5.2024
Franz Kobell war der Sohn des bayerischen Ministerialbeamten und späteren Geheimrates Franz Ferdinand von Kobell (1779–1850) aus der Familie Kobell. Er besuchte bis zum Gymnasialabschluss 1820 das (heutige) Wilhelmsgymnasium München und studierte an der Universität Landshut bei dem Chemiker Johann Nepomuk von Fuchs. 1823 war er im Corps Isaria aktiv. Er arbeitete bereits 1823 als Adjunkt bei der mineralogischen Staatssammlung in München und promovierte 1824 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen.
Kobell wurde 1826 Extraordinarius und 1834 ordentlicher Professor an der nach München verlegten Universität München. Er leitete bis 1880 die Mineralogische Staatssammlung München. Zu seinen Schülern und Besuchern gehörte der Mediziner und Chemiker Johann Joseph von Scherer.
Im Jahr 1827 wurde von Kobell in die Bayerische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Nachdem sein Vater Franz 1825 durch König Ludwig I. den erblichen Adelsstand erhalten hatte, durfte sich auch Franz Ritter von Kobell nennen. Kobell nahm regelmäßig an Jagdveranstaltungen des bayrischen Hofes teil, so mit Maximilian II. Joseph (Bayern). Noch zu Lebzeiten wurde er als Mundartdichter bekannt. Er war ab 1837 Mitglied der Zwanglosen Gesellschaft München, wo er unter anderem mit Graf Franz von Pocci befreundet war. Im Jahr 1857 wurde er in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina und 1861 zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen gewählt. Ab 1867 war er korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg. Kobell war verheiratet mit seiner Cousine Karoline von Kobell (1801–1846), Tochter des Egid von Kobell, mit der er drei Töchter hatte.
Eine 1837 von Kobell mit einer Rohrkamera in Langzeitbelichtung angefertigte 4 × 4 cm große Photographie der Münchner Frauenkirche gilt als früheste photographische Aufnahme Deutschlands. Das Lichtbild ist ein bedeutendes Zeugnis der experimentellen Befassung Kobells mit dem Medium Fotografie.
Wissenschaftliche Tätigkeit
Kobell unternahm während der Herrschaft König Ottos in Griechenland 1834 auch eine wissenschaftliche Reise dorthin und war korrespondierendes Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Gesellschaften und Träger hoher Orden. Das Mineral Kobellit, ein Wismut-Antimon-Bleierz, wurde nach ihm benannt. Seine Werke zur speziellen Mineralogie wie auch zur Mineralcharakteristik mit chemischen Methoden waren zu seiner Zeit weit verbreitet und wurden mehrfach übersetzt. So gab Kobell 1830 das Werk Charakteristik der Mineralien auf Grundlage ihres chemischen Verhaltens heraus, die erste zusammenfassende Darstellung auf diesem Gebiet. 1835 folgten die Tafeln zur Bestimmung der Mineralien mittels chemischer Versuche. Kobell erfand das Stauroskop, ein Gerät zur Beobachtung der Schwingungsrichtungen polarisierten Lichtes durch Kristalle, und arbeitete nach der Einführung der Galvanoplastik durch Moritz Hermann von Jacobi an galvanischen Vervielfältigungsmethoden. 1840 erfand er die Galvanografie.
Mit seinem Kollegen Carl August von Steinheil nahm er ab 1837 eine der ersten bekannten Fotografien in Deutschland auf, d. h., sie fotografierten mit einer von Steinheil entwickelten Camera obscura die Glyptothek und die Türme der Frauenkirche. Kobell führte dabei Silberchlorid-Papiere zur Fixierung von Lichtbildern ein und schuf damit den Prototyp eines photochemischen Verfahrens, das später verbessert wurde.
Schriftstellerische Beiträge
Kobell spielte Zither und schrieb Erzählungen in oberbayerischer Mundart, dichtete aber auch im kurpfälzischen Dialekt seines 1779 in Mannheim geborenen Vaters. Kobells Themen kreisen um die Jagd, die Liebe und den Wein. Er gilt als Verfasser des Studentenliedes Burschen heraus!.
Seine später mehrfach dramatisierte und verfilmte Gschicht vom Brandner Kasper erschien 1871 in den Fliegenden Blättern. Diese Mundarterzählung, worin ein bayerischer Schlosser und Jagdgehilfe am Tegernsee dem Tod beim Kartenspiel und mittels „Kerschgeist“ ein Schnippchen schlägt, ist seine wohl bekannteste Hinterlassenschaft und wurde bisher dreimal (1949, 1975 und 2008) verfilmt.
Textgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_von_Kobell
Entdeckung in München
Entdeckung in München: Das ist das älteste Foto Deutschlands (Tagesschau vom 28.5.2024; 1:37 min.)
»Die Geschichte der Fotografie ist fast 200 Jahre alt – Deutschland war nicht ganz vorne mit dabei. Aber nun ist in München ein Foto aufgetaucht, das einen neuen Blick auf die Anfänge hierzulande wirft. Demnach ist das erste Foto Deutschlands älter als bislang bekannt. Es stammt aus dem Jahr 1837 und zeigt die Frauenkirche in München.«
Lebensdaten
Ritter Franz Wolffgang von Kobell (* 19. Juli 1803 in München; † 11. November 1882 ebenda) war ein deutscher Mineraloge und Schriftsteller. Er war Professor für Mineralogie in München. Der Nachlass befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek. (Wikipedia)
Kobell hatte in den Jahren 1837 bis 1839 insgesamt 14 Motive erstellt, sie zeigen u.a. die Frauenkirche, das berühmte heutige Caféhaus „Tambosi“ sowie Schloss Nymphenburg. [Sie entstanden] auf Salzpapier, getränkt in eine Silberlösung, mit Ammoniak fixiert.
Das Buch
Cornelia Kemp: Licht – Bild – Experiment: Franz von Kobell, Carl August Steinheil und die Erfindung der Fotografie in München. 351 Seiten. Wallstein Verlag, Göttingen (2024)
»Muss die Geschichte der Fotografie neu geschrieben werden? Zwei Jahre, bevor Henry Fox Talbot 1839 seine »photogenic drawings« bekannt gab, hatte der Mineraloge und Chemiker Franz von Kobell bereits in München die Frauenkirche und andere Gebäude in Lichtbildern festgehalten und auf Papier fixiert. Sein Kollege, der Physiker Carl August Steinheil, beschäftigte sich seit April 1839 mit dem konkurrierenden bildgebenden Verfahren der Metallfotografie und war damit der offiziellen Bekanntgabe von Louis Daguerres »Daguerreotypien« mehr als drei Monate voraus. Eingebunden in akademische, künstlerische und gesellige Netzwerke und gefördert durch die Gunst des Königs widmeten sich beide über einige Jahre der experimentellen Erkundung unterschiedlicher fotografischer Verfahren. Dieser Münchner Beitrag erweitert die auf Frankreich und Großbritannien konzentrierte Frühgeschichte der Fotografie um ein gewichtiges Kapitel aus dem deutschsprachigen Raum und revidiert zugleich auch die damit verbundenen widersprüchlichen Spekulationen der in den 1930er Jahren einsetzenden Forschung. Der Katalog verzeichnet neben den Papier- und Metallfotografien der beiden Münchner Wissenschaftler und ihren Instrumenten auch deren aus der Beschäftigung mit der Fotografie hervorgegangene galvanische Arbeiten, die bislang so gut wie nicht rezipiert wurden, sowie die Clichés-verre von Kobell, die als die weltweit ersten überhaupt gelten dürfen. — Cornelia Kemp war über 25 Jahre Konservatorin für den Fachbereich Foto und Film im Deutschen Museum. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte der Fotografie und Fototechnik sowie die frühe Farbfotografie. In zahlreichen Sonderausstellungen, Projekten und Publikationen hat sich die Kunsthistorikerin mit Einzelaspekten wissenschaftlicher, experimenteller und künstlerischer Fotografie beschäftigt.« (Verlagstext)
Burschen heraus!
Burschen heraus! (oder in der ursprünglichen Form „Bursche heraus!“) ist ein studentischer Alarm- und Hilferuf, wenn ein einzelner Student angegriffen oder festgenommen werden sollte. Der Ruf ist um 1700 erstmals schriftlich belegt, war aber sicher schon früher in der Tradition des mittelalterlichen Alarmrufes „Thiod ute!“ („Volk heraus!“) an den ältesten Universitäten üblich. Aus dem Ruf entstand das Studentenlied „Burschen heraus“, das erstmals in Poccis Liederbuch von 1844 erschien. Als Verfasser wird Franz von Kobell angenommen. (Wikipedia)
1.
Burschen heraus!
Laßt es schallen
Von Haus zu Haus,
Wenn der Lerche Silberschlag
Grüßt des Maien ersten Tag,
Dann heraus und fragt nicht viel,
Frisch mit Lied und Lautenspiel,
Burschen heraus!
2.
Burschen heraus!
Laßt es schallen
Von Haus zu Haus,
Ruft um Hilf' die Poesei
Gegen Zopf und Philisterei,
Dann heraus bei Tag und Nacht,
Bis sie wieder frei gemacht,
Burschen heraus!
3.
Burschen heraus!
Laßt es schallen
Von Haus zu Haus,
Wenn es gilt für's Vaterland,
Treu die Klingen dann zur Hand,
Und heraus mit muth'gem Sang,
Wär' es auch zum letzten Gang,
Burschen heraus!