Machtworte – Inspektion der Herrschaftssprache
Geschäftsordnungsautonomie
Boris Reitschuster kommentiert die jüngste Entscheidung in Karlsruhe: Oberstes Gericht legitimiert politische Machtspielchen und Ausgrenzung.
Der Gegenwart. — 18. September 2024
Karlsruhe. Der Inbegriff der Rechtsprechung. Ein Ort, wo Demokratie und Überparteilichkeit hochgehalten werden – so zumindest die Theorie. Doch was passiert, wenn das Recht plötzlich selbst zur Farce wird? Willkommen in der neuen Realität. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Ja, alle Parteien haben einen Anspruch auf die Verteilung der Ausschusssitze im Bundestag. Klingt schön, oder? Der Haken daran: Sie haben dieses Recht nur auf dem Papier. Praktisch bedeutet das: Du darfst zwar teilnehmen, aber sitzen? Fehlanzeige. Es fühlt sich an wie eine Einladung zu einer Hochzeit, bei der man gratulieren darf, aber die Feier auslassen muss. Es mögen sich Juristen finden, die sagen, das sei alles wasserdicht. Aber fair? Nein. Eher ist es ein juristischer Taschenspielertrick im Stile Potemkinscher Dörfer (mehr dazu unten im PS). Dass Karlsruhe sich auf so eine Ebene begibt, ist eine Bankrotterklärung des höchsten deutschen Gerichts.
Ausschluss der AfD: Geschickt inszenierte Demokratie?
Wer sich den jüngsten Beschluss zu Gemüte führt, kommt nicht umhin, die Stirn zu runzeln. Und zwar massiv. Die anderen Parteien verwehren der AfD systematisch die Ausschussvorsitze im Bundestag (und auch ein Vizepräsidentenamt) – und das, obwohl ihr der Fraktionsgröße nach solche Chefsessel zustehen würden. Doch Karlsruhe drückt beide Augen zu und sagt: „Geschäftsordnung! Wahl!“ Die Mehrheit entscheidet. Klingt nach Demokratie? Den Worten nach ja. Aber faktisch ist es eine fein inszenierte Ausschlusspolitik, die unsere Moral-Weltmeister im Bundestag in anderen Ländern lauthals anprangern würden.
Der Fall des ehemaligen AfD-Vorsitzenden Stephan Brandner, der aus dem Rechtsausschuss abgewählt wurde, hat hier den Stein ins Rollen gebracht. Brandner hatte sich auf Twitter mit einer unpassenden Eskapade zum Anschlag von Halle ins Abseits geschossen und die politische Klasse handelte schnell: keine Ausschussvorsitze mehr für die AfD. Die offizielle Begründung? Die Überparteilichkeit sei nicht mehr gewährleistet. Lustig, wenn es nicht so bitter wäre. Denn wie „überparteilich“ ist es, eine Partei grundsätzlich auszuschließen, weil sie der Mehrheit nicht passt? In jedem anderen Kontext würde man das als Diskriminierung bezeichnen.
Geschäftsordnungsautonomie: ein juristischer Trick?
Doch Karlsruhe lässt es durchgehen, gestützt auf die sogenannte „Geschäftsordnungsautonomie“. Ein hübscher Begriff, der im Klartext bedeutet: Die Mehrheit im Bundestag kann entscheiden, das Recht nicht anzuwenden, wenn es ihr gerade passt. Man könnte das die „Eleganz der Verweigerung“ nennen. Da wird ein Prinzip gefeiert, das in der Praxis das Recht auf den Kopf stellt. Als würde eine Fluggesellschaft Ihnen ein Ticket schenken, aber dann später auf einen Hinweis im Kleingedruckten verweisen und sagen: „Der Flieger startet nicht.“ Klar, das Ticket hat man – aber was bringt’s?
Die Ausschussvorsitze sind nun fest in der Hand der Altparteien. Das Gericht hat den bequemen Weg gewählt und die Verantwortung an den Bundestag abgeschoben. „Wir können ja nichts dafür, wenn die AfD keine Stimmen bekommt“, lautet die implizite Botschaft. Auf den ersten Blick wirkt das clever, doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Die höchste Instanz des Landes hat sich von ihrer neutralen Rolle meilenweit entfernt.
Aktuelle Artikel
Boris Reitschuster • Kritischer Journalismus
Neuer Milliardenskandal um Lauterbach: Pharmadeals auf Kosten der Bürger
Geheime Deals und milliardenschwere Vorteile für einen US-Konzern – und das alles mit Lauterbachs Segen. Jetzt fliegt auf, wie tief der Minister im Pharma-Sumpf steckt. Lesen Sie hier, warum Sie das teuer zu stehen kommt!
Der Beitrag Neuer Milliardenskandal um Lauterbach: Pharmadeals auf Kosten der Bürger erschien zuerst auf reitschuster.de.
Gottschalk am Pranger: TV-Inquisitor Beisenherz schlägt zu
Beisenherz nimmt Gottschalk wegen alter Aussagen ins Kreuzfeuer der "Wokeness" – moralische Überlegenheit inklusive. Das Verbrechen des 75-Jährigen: Er macht nicht ausreichend Männchen vor dem Zeitgeist.
Der Beitrag Gottschalk am Pranger: TV-Inquisitor Beisenherz schlägt zu erschien zuerst auf reitschuster.de.
Freie Geschlechtswahl im Kindergarten: Sechs stehen zur Verfügung
Eltern in Graz stehen vor einem absurden Dilemma: Für ihre Dreijährigen gibt es plötzlich sechs Geschlechter zur Auswahl. Woher kommt diese neue Regelung – und wie reagieren die Betroffenen?
Der Beitrag Freie Geschlechtswahl im Kindergarten: Sechs stehen zur Verfügung erschien zuerst auf reitschuster.de.
„Es werden nach jedem ‚bedauerlichen Einzelfall‘ neue Ausreden gefunden“
Der 25. Januar 2023 hat das Leben zweier Familien aus Schleswig-Holstein für immer verändert. Weil die Politik auf jede Bluttat mit den immer gleichen Phrasen reagiert, wird ein Vater nicht müde, den Finger immer wieder in die Wunde zu legen. Von Kai Rebmann.
Der Beitrag „Es werden nach jedem ‚bedauerlichen Einzelfall‘ neue Ausreden gefunden“ erschien zuerst auf reitschuster.de.
Kleinwagen auf A57 abgeschossen: Kongolese (21) kassiert Verwarnung
Wie durch ein Wunder überleben Vater und Sohn einen Horror-Crash. Der Verursacher, offenbar ein Wiederholungstäter, kommt mit 100 Sozialstunden und 12 Monaten Fahrverbot davon. Doch das ist nicht der einzige Skandal in diesem Fall. Von Kai Rebmann.
Der Beitrag Kleinwagen auf A57 abgeschossen: Kongolese (21) kassiert Verwarnung erschien zuerst auf reitschuster.de.
Der Iraner, der ein Kino fast zur Todesfalle machte, hatte 27 Identitäten
27 Alias-Namen hatte der 38-Jährige, der ein Feuer-Inferno auslösen wollte. Trotz abgelehnter Asylanträge und krimineller Vergangenheit lebte er weiter hier. Wie soll man als Journalist mit solchen Nachrichten umgehen?
Der Beitrag Der Iraner, der ein Kino fast zur Todesfalle machte, hatte 27 Identitäten erschien zuerst auf reitschuster.de.
Angriffe auf Viktor Orbán geraten zur grandiosen Selbstentlarvung
Sie nennen sich Demokraten und wollen Andersdenkenden das Wort verbieten. Ungarns Regierungschef reagiert auf seine Weise – und hält den „Gutmenschen“ den Spiegel vor. Von Kai Rebmann.
Der Beitrag Angriffe auf Viktor Orbán geraten zur grandiosen Selbstentlarvung erschien zuerst auf reitschuster.de.
„Sozialschädlichkeit“: Der neue Maulkorb von der Bundesregierung?
Ein geplantes Gesetz soll „sozialschädliche“ Äußerungen härter bestrafen. Was steckt hinter diesem autoritären Begriff? Ein erschreckender Rückgriff auf gefährliche Rhetorik aus dunklen Zeiten.
Der Beitrag „Sozialschädlichkeit“: Der neue Maulkorb von der Bundesregierung? erschien zuerst auf reitschuster.de.
Der neue Schwindel von Drosten
Drosten war für die Politik die oberste Corona-Autorität. Nun verwickelt er sich erneut in Widersprüche – und stolpert über seine Aussagen zur Impfpflicht. Von Daniel Weinmann.
Der Beitrag Der neue Schwindel von Drosten erschien zuerst auf reitschuster.de.
Auch ganz ohne Pandemievertrag: Staaten ebenen den Weg zur WHO-Diktatur
„Internationale Gesundheitsvorschriften“: Was so harmlos klingt, birgt jede Menge Brisanz. Es ist das Instrument, mit dem einige wenige Entscheider die Welt quasi per Knopfdruck erneut in den (unbegrenzten) Ausnahmezustand versetzen können. Von Kai Rebmann.
Der Beitrag Auch ganz ohne Pandemievertrag: Staaten ebenen den Weg zur WHO-Diktatur erschien zuerst auf reitschuster.de.
Boris Reitschuster
Foto: instagram.com/reitschuster/
Der Autor
Vielleicht bin ich ein Auslaufmodell: Aber ich habe Journalismus noch so gelernt, dass er vor allem die Regierenden kontrollieren und kritisieren soll, nicht die Opposition. Dass er alles in Zweifel ziehen soll, und nicht gegen Zweifler agitieren und Wahrheiten zementieren. Dass man als Journalist gegen den Strom schwimmen soll, und sich nicht vom ihm treiben lassen darf.