Hypatia vor ihrer Ermordung in der Kirche. Gemälde von Charles William Mitchell (1854–1903), 1885 — Foto: Laing Art Gallery, Newcastle/Wikimedia

Lebensdaten

Hypatia (auch Hypatia von Alexandria; * um 355 in Alexandria; † März 415 oder März 416 in Alexandria) war eine griechische spätantike Mathematikerin, Astronomin und Philosophin. Von ihren Werken ist nichts erhalten geblieben, Einzelheiten ihrer Lehre sind nicht bekannt. Sie unterrichtete öffentlich und vertrat einen vermutlich mit kynischem Gedankengut angereicherten Neuplatonismus. Als Vertreterin einer nichtchristlichen philosophischen Tradition gehörte sie im überwiegend christlichen Alexandria der bedrängten paganen Minderheit an. Dennoch konnte sie lange unangefochten lehren und erfreute sich hohen Ansehens. Schließlich wurde sie aber das Opfer eines politischen Machtkampfs, in dem der Kirchenlehrer Kyrill von Alexandria religiöse Gegensätze instrumentalisierte. Ein aufgehetzter Mob aus christlichen Laienbrüdern und Mönchen brachte sie schließlich in eine Kirche und ermordete sie dort. Der Leichnam wurde zerstückelt.

Der Nachwelt in Erinnerung blieb Hypatia wegen der spektakulären Umstände ihrer Ermordung. Seit dem 18. Jahrhundert wird der Fall von Heidenverfolgung oft von Kritikern der Kirche als Beispiel für Intoleranz und Wissenschaftsfeindlichkeit angeführt. Aus feministischer Sicht erscheint die Philosophin als frühe, mit überlegenem Wissen ausgestattete Vertreterin einer emanzipierten Weiblichkeit und als Opfer einer frauenfeindlichen Haltung ihrer Gegner. Moderne nichtwissenschaftliche Darstellungen und belletristische Bearbeitungen des Stoffs zeichnen ein Bild, das die spärliche antike Überlieferung ausschmückt und teils stark abwandelt. (Wikipedia)

 

Quellen

Über Hypatias Leben und Werk liegen nur spärliche Nachrichten vor. Die wichtigsten Quellen sind:

▬ Sieben an Hypatia gerichtete Briefe des Neuplatonikers Synesios von Kyrene, der sie außerdem in weiteren Briefen und in seiner Abhandlung Über das Geschenk erwähnt. Als Schüler und Freund Hypatias war Synesios sehr gut informiert. Da er am Neuplatonismus festhielt, aber zugleich Christ war und sogar Bischof von Ptolemais wurde, ist seine Sichtweise relativ wenig von Parteinahme in den religiösen Konflikten geprägt.

▬ Die Kirchengeschichte des Sokrates von Konstantinopel (Sokrates Scholastikos), der ein jüngerer Zeitgenosse Hypatias war. Ungeachtet des religiösen Gegensatzes schildert Sokrates die Philosophin respektvoll und verurteilt ihre Ermordung nachdrücklich als unchristliche Tat. Auf seinen Angaben fußen die meisten Darstellungen späterer byzantinischer Geschichtsschreiber, die aber die Vorgänge zum Teil anders bewerten als Sokrates.

▬ Die nur fragmentarisch erhaltene Philosophische Geschichte des Neuplatonikers Damaskios, die im Zeitraum 517–526 entstanden ist. Damaskios war ein entschiedener Anhänger der alten Religion und Gegner des Christentums. Gleichwohl neigte er zu kritischen Urteilen über die Kompetenz von neuplatonischen Philosophen, die seinen eigenen Maßstäben nicht genügten, und auch seine Bemerkungen über Hypatia lassen eine abwertende Haltung erkennen.

▬ Die Chronik des ägyptischen Bischofs Johannes von Nikiu. Johannes, der im 7. Jahrhundert schreibt, also aus großer zeitlicher Distanz berichtet, billigt Hypatias Ermordung und ergreift vorbehaltlos für ihre radikalen Gegner Partei.

▬ Der Hypatia gewidmete Artikel in der Suda, einer byzantinischen Enzyklopädie des 10. Jahrhunderts. Dort sind Angaben unterschiedlicher Herkunft und Qualität unkritisch aneinandergereiht. Der Verfasser des Suda-Artikels verwertete Nachrichtenmaterial aus der Philosophischen Geschichte des Damaskios und wahrscheinlich auch aus einer weiteren spätantiken Quelle, der von Hesychios von Milet angelegten Sammlung von Literaten-Biographien, die heute bis auf Fragmente verloren ist. In seiner Darstellung ist legendenhafte Ausschmückung erkennbar. (Wikipedia)

 

„Eine Provokation“

Ihren Fall hat die britische Journalistin Catherine Nixey in ihrem Buch „Heiliger Zorn“ (DVA, 2019) als Beispiel für ihre These ausgebreitet, dass „die frühen Christen die Antike zerstörten“. Denn viele Gläubige hatten Jesu Botschaft von Nächstenliebe und Toleranz längst mit der fanatischen Überzeugung vertauscht, dass nur die brutale Durchsetzung der christlichen Lehre das himmlische Paradies erreichen ließ. […] Ihren rücksichtslosen Fanatismus hatten die Prabalani bereits mit dem Bildersturm unter Beweis gestellt, mit dem sie den Befehl von Kaiser Theodosius I., die heidnischen Kultstätten zu schließen, in die Tat umsetzten. Tempel, Altäre, Standbilder wurden zerstört, Anhänger der alten Götter verfolgt und nicht selten genug bestialisch ermordet. Damals sollen auch die Reste der berühmten Bibliothek, einst der größte Wissenshort der Antike, in Flammen aufgegangen sein. […] Als vermögende Wissenschaftlerin, heidnische Denkerin und nicht zuletzt als Frau war Hypatia für die christlichen Fanatiker eine Provokation. […] So starb die große Mathematikerin Alexandrias. Ihre Werke wurden zerstreut und sind verschollen.

Berthold Seewald: „Christliche Fanatiker / Man riss ihr die Kleider vom Leib und enthäutete sie“, welt.de vom 19.2.2021

 

Private Leibgarde

Die Parabolani bzw. Parabalani waren eine teils militante und gewalttätige christliche Laienbruderschaft zur Zeit der Alten Kirche. Sie werden im Zeitraum vom 3. bis zum 6. Jahrhundert erwähnt und agierten in den größeren Städten des Ostens des Römischen Imperiums, sicher in Karthago, Ephesos, Alexandrien und Konstantinopel. Ursprünglich kümmerten sich die Parabolani im 3. Jahrhundert, zur Zeit des Dionysius von Alexandria, Bischof von Alexandria, um die Pflege von Pestkranken, so übernahmen sie freiwillig die Pflege der Kranken und die Bestattung der Toten. Obgleich die Beleglage nicht eindeutig ist, soll die Bruderschaft zum ersten Mal während einer „großen Pest“ in Alexandria im Episkopat von Dionysius von Alexandria um 248 n. Chr. aufgetreten sein. Aus Alexandria und Ephesos ist überliefert, dass sie im 5. Jahrhundert eine Schutztruppe für den örtlichen Bischof bildeten, die äußerst aggressiv und gewalttätig gegen Andersgläubige vorging. Die Institution der Parabolani als private Leibgarde eines Bischofs kann man analog zu den Privatarmeen der Landbesitzer, den Buccelariern, sehen. (Wikipedia)