
Punkte auf der Landkarte
Krefeld
Die Großstadt war ein Zufluchtsort für Glaubensflüchtlinge. Als Seiden-Metropole wurde sie eine der reichsten Städte Preußens.
Der Gegenwart. — 13. Oktober 2024
In Krefeld legt ein Iraner an mehreren Orten Feuer und versucht, bewaffnet ein Kino zu stürmen. Direkt vor den Augen der Kinobesucher schießt die Polizei ihn nieder.
Die Spur der Zerstörung zog sich vom Hauptbahnhof etwa 900 Meter durch die Innenstadt. […] Auch einige Kinobesucher seien Zeuge des Geschehens geworden, sagte ein Polizeisprecher vor Ort. Die Kriminalpolizei hat die weiteren Ermittlungen zum konkreten Tatablauf, zum möglichen Zusammenhang der Branddelikte und zum Tatmotiv übernommen.
Die Polizei teilte am frühen Morgen mit, dass kein terroristischer Hintergrund vorliege. Der Angreifer ist ein Krefelder mit iranischer Nationalität.
Nach der Brandserie und der versuchten Brandstiftung in einem Kino in Krefeld hat NRW-Innenminister Herbert Reul die Tat als versuchten Mord eingestuft. „Es ist nicht das erste Mal, dass der Mensch aufgefallen ist. Er ist mehrfach aufgefallen – als jemand, der Ärger macht“, sagte der CDU-Politiker in Neuss. Der Mann habe zwischen den mutmaßlichen Brandstiftungen wohl auch noch einen Menschen mit einem Messer oder Ähnlichem bedroht. Es handele sich um einen „fürchterlichen Vorgang“, sagte Reul: „Wenn einer in einem Kino mit 150 Leuten Benzin vergießt und versucht, einen Brand zu legen, ist das versuchter Mord.“ Die Polizei habe den Mann sehr schnell aus dem Verkehr gezogen, bevor er größeren Schaden habe anrichten können. „Das wäre echt dramatisch geworden.“ Für eine abschließende Einschätzung sei es noch zu früh. „Aber nach jetzigem Stand sieht es danach aus, dass es ein Mensch ist, der psychische Probleme hatte“, sagte Reul.
Der mutmaßliche Krefelder Brandstifter hat Berichten zufolge ein langes Strafenregister und auch schon im Gefängnis gesessen. Zudem war er offenbar in Europa mit mehr als zwei Dutzend Identitäten unterwegs. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet, hatte das Landgericht den 38-jährigen Iraner im Juli 2010 zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Liste der damit geahndeten Verbrechen ist lang: gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, versuchte Vergewaltigung, Bedrohung und Sachbeschädigung. Die Asylanträge des 2002 nach Deutschland eingereisten Mannes waren abgelehnt worden, er lebt aber mit einer Duldung hier.
„Und wenn wir nicht abschieben können, erhält die Person eine Duldung, die immer wieder verlängert wird – unabhängig davon, wie viele Personalien die Person genannt hat und wie er im Asylverfahren getäuscht hat“, sagt Oliver Huth, Landesvorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter. Wie das Ausländerzentralregister angibt, sei eine Abschiebung in dem Fall des Iraners derzeit „aufgrund der Identitätsklärung beziehungsweise fehlender Reisedokumente nicht möglich“. Eigentlich sei eine Verurteilung ein Abschiebegrund, sagt Oliver Huth. Es könne aber sein, dass irgendwelche Gründe dagegen sprachen. Jetzt sei es an den Behörden, Auskunft zu geben, „damit die Öffentlichkeit darüber informiert wird, warum sie nicht geschützt werden konnte vor so einer Person. Ich kann den Unmut der Bürger verstehen.“
wdr: »Brandstiftung Krefeld: Warum dem Iraner keine Abschiebung drohte«, 12.10.2024
Im 1. Jahrhundert n. Chr. erbauten die Römer am Rhein auf dem Gebiet des heutigen Krefelder Stadtteils Gellep das Kastell Gelduba. Auf dem von der Antike bis ins frühe Mittelalter ständig belegten Gräberfeld im Vorfeld des Kastells wurde 1962 das wegen seiner herausragenden Ausstattung und Unberührtheit berühmte Grab des Frankenfürsten Arpvar entdeckt, in einer Gruppe mit weiteren fünf bemerkenswerten „Fürstengräbern“, die allerdings antik weitgehend ausgeraubt waren. An verschiedenen anderen Plätzen im Krefelder Stadtgebiet fanden sich die Überreste römischer Landhäuser sowie die einer Tempelanlage im Gebiet „Elfrath“. Auf Uerdinger Gebiet lag ein befestigtes Lager des römischen Feldherrn Marcus Hordeonius Flaccus, das „Castra Ordeonii“.
Die ersten urkundlichen Erwähnungen von Orten auf dem heutigen Stadtgebiet erfolgten 732 mit einem Hof in Hohenbudberg und 809 mit Uerdingen. Im 12. Jahrhundert begann Otto von Linn nach seiner Rückkehr vom Dritten Kreuzzug, die Burg Linn zu einer Festung auszubauen. Die Stadt Linn wurde in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts durch Graf Dietrich VIII. von Kleve im Osten der Vorburg zur Burg Linn gegründet. Um 1200 errichteten die Herren von Rode Haus Rath wahrscheinlich als befestigte Zollstation an der Hohen Straße im heutigen Stadtteil Elfrath. Haus Rath wird erstmals 1246 in einer Urkunde des Grafen von Geldern als Lehen erwähnt.
Mittelalter
Krefeld wird erstmals 1105 im Urbar des Klosters Werden erwähnt. Erst im Hochmittelalter wuchs eine Bauernsiedlung an einem Ort namens „Krinvelde“; die Herkunft des Namens ist unklar. 1361 gestattete Kaiser Karl IV. dem Grafen Dietrich VI. von Moers, in Krefeld einen Jahr- und Wochenmarkt mit den üblichen Privilegien zu erlauben. Es folgte am 1. Oktober 1373 die Ermächtigung von Kaiser Karl IV. durch Urkunde an den Grafen Friedrich III. (Moers), den Ort mit den Privilegien und Rechten einer Stadt auszustatten und zu befestigen. Dieses Datum gilt als Geburtstag der Stadt Krefeld. Um 1400 wurde zur besseren Verteidigung Krefelds die Burg Cracau etwa 800 Meter östlich der Stadt errichtet. Sie existierte bis ins 17. Jahrhundert, heute sind noch Mauerreste der Wehranlagen an der Bogenstraße zu sehen. Die älteste Krefelder Kirche, die Dionysiuskirche (heute Alte Kirche), wurde auf einem aus dem 12. Jahrhundert stammenden Bau errichtet und erhielt 1472 einen neuen Turm. Durch die Erlaubnis für den Bau einer Stadtbefestigung war der Ort, der zur Grafschaft Moers gehörte, besser vor Übergriffen durch Räuberbanden geschützt. Insbesondere die Herren auf der nahegelegenen Burg Linn betrieben Raubritter¬tum. Die Burg gehörte damals zur Grafschaft Kleve. Heinrich von Strünkede war Amtmann der Mechthild von Kleve auf der Linner Burg und wurde zu Raubzügen gegen Krefeld ausgeschickt.
Reformation
Wenige Generationen später breiteten sich die Ideen der Reformation in Europa aus. 1560 wurde die Grafschaft Moers nach dem Grundsatz cuius regio, eius religio protestantisch. Allerdings gab es weiterhin Katholiken in Krefeld und im Umland. Die katholische Pfarrei wurde erst durch die Neutralitätsvereinbarung von 1607 aufgehoben, und auch danach waren Katholiken geduldet.
1584 wurde Krefeld im Truchsessischen Krieg völlig zerstört und blieb für zwei Jahrzehnte nahezu unbewohnt. 1594 verschenkte Gräfin Walburga, die Witwe des Grafen Adolf von Neuenahr-Moers, die Herrlichkeit Krefeld an Prinz Moritz von Oranien. Die Grafschaft Moers und damit auch Krefeld wurden daraufhin am 4. Juli 1598 von den Generalstaaten und Erzherzog Albrecht VII. von Österreich für neutral erklärt, was sich positiv auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung Krefelds auswirkte. Die Neutralität wurde in mehreren Folgeverträgen erneuert und galt im Unabhängigkeitskampf der Niederlande, im Dreißigjährigen Krieg und in der Folgezeit.
Zuflucht der Mennoniten
Das neutrale Krefeld wurde nun zum Zufluchtsort für Mennoniten, die in den benachbarten katholischen Regionen wegen ihres Glaubens verfolgt wurden. 1609 verzog Hermann op den Graeff mitsamt seiner Familie aus Aldekerk nach Krefeld. Dort wurde er Laienprediger und Vorsitzender der mennonitischen Glaubensgemeinde. Um 1620 lebten nur etwa 450 Menschen innerhalb der vier Stadtwälle. Es kamen mehr Andersgläubige, als die alteingesessenen Krefelder ertragen wollten. Die zugezogenen frommen Menschen waren oft tüchtige Handwerker und Geschäftsleute und daher manche schon bald wohlhabend. 1637 wurde Op den Graeff im Protokollbuch der reformierten Gemeinde als „der hiesigen menisten herr bischoff (der hiesigen Mennoniten Herrn Bischof)“ von Krefeld bezeichnet. Dies schürte Neid und Unmut unter der sonst eher ärmlichen Krefelder Bevölkerung. 1646 beklagten sich die reformierten Pfarrer Krefelds öffentlich beim Grafen von Moers darüber, dass die Mennoniten in Krefeld Versammlungen abhielten. Aufgrund dieser für Nicht-Mennoniten undurchsichtigen Treffen wurden die Zugewanderten der Aufrührerschaft und Verschwörung bezichtigt.
Von großer Bedeutung für Krefeld war die Niederlassung des 1656 aus Radevormwald ausgewiesenen Mennoniten Adolf von der Leyen. Seine Söhne begründeten die Seidenweberei in Krefeld. Von der Leyen war der Stammvater einer Dynastie von Seidenfabrikanten, unter ihnen die sogenannten Seidenbarone, die Krefeld zu großem Wohlstand verhalfen.
Quäker
Durch das liberale Klima in Krefeld ermutigt und die theologische Nähe zu dem Mennoniten, siedelten sich auch Quäker in Krefeld an. Die Glaubensgemeinschaft war zu dem Zeitpunkt noch recht jung und wenige Jahre zuvor während der Wirren des Englischen Bürgerkriegs entstanden. Stark von chiliastischen Ideen geprägt, kann das junge Quäkertum durchaus dem Radikalen Pietismus zugeordnet werden.
1678 gründete der englische Quäker Stephan Crisp während einer Missionsreise in Krefeld eine erste Gruppe. Diese traf sich zwei Mal wöchentlich sonntags und mittwochs.
Schon ein Jahr später, 1679, kam es zu einer ersten Beschwerde im Krefelder Kirchenrat über den englischen Quäker Roger Longworth, der in der Stadt eine Versammlung organisiert hatte. Als Reaktion wurde das Predigen von fremden Personen in der Stadt verboten. Ab Februar 1680 begann die Behörde auch gegen die Quäker in Krefeld vorzugehen. Es wurden, ohne Angabe von Gründen, mit vorgehaltener Waffe, drei erwachsene Quäker (unter ihnen Hermann Isacks op den Graeff) und ein Kind aus der Stadt vertrieben. Die Gruppe flüchtete zu einer holländischen Quäkergruppe und verfasste Flugschriften, um den Vorgang anzuprangern.
Als William Penn die Flugschrift zugespielt bekam, intervenierte er Anfang März 1680 bei Wilhelm III. von Oranien zu Gunsten der Vertriebenen. Dies hatte Erfolg und die Gruppe konnte April 1680 wieder nach Krefeld zurückkehren. Der Verfolgungsdruck gegen die Quäker blieb aber weiter bestehen und führte letztlich zur Auswanderung.
1683 wanderten daher die ersten 13 Familien auf einem Schiff mit dem Namen Concord nach Amerika aus und gründeten in Pennsylvania die Ortschaft Germantown (eigentlich Deitscheschteddel). Sie waren hauptsächlich Quäker und Mennoniten und wurden von der in Pennsylvania seitens des Gouverneurs William Penn zugesicherten Meinungs- und Religionsfreiheit angelockt.
Fünf Jahre nach ihrer Ankunft initiierten Abraham und Dirk Isacks op den Graeff, Gerrit Henderich und Franz Daniel Pastorius den ersten schriftlich überlieferten Protest gegen die Sklaverei in Amerika, die Anti-Sklaverei-Petition von Quäkern in Germantown 1688. Der Adressat war die örtliche Monatsversammlung der Quäker.
Abraham und Hermann Isacks op den Graeff waren dann um das Jahr 1691/92 in die so genannte Keith-Kontroverse als Fürsprechers für Keith involviert, wogegen ihr Bruder Dirk einer der Mitunterzeichner des Dokuments war, das Keith von der Gemeinschaft der Quäker ausschloss.
Als William Penn 1686 noch einmal das Rheinland bereiste, traf er in Krefeld auf eine Quäkergemeinschaft, die nur noch aus zwei Personen bestand. In kürzester Zeit war fast die komplette Gemeinschaft ausgewandert. Ab dem 18. Jahrhundert achteten die britischen Quäker darauf, keine Auswanderungsanreize mehr zu schaffen, um nachhaltige Gemeinschaften auf dem Festland zu etablieren. Dies hatte allerdings nur sehr bescheidenen Erfolg, denn der Verfolgungsdruck blieb weiter bestehen.
Heute ist Germantown ein Stadtteil von Philadelphia. Diese 13 Familien waren die ersten Deutschen, die als geschlossene Gruppe nach Amerika auswanderten. Die Deutsche Bundespost brachte 1983 zur 300-Jahr-Feier „Deutsche in Amerika“, die in Philadelphia und in Krefeld als „Philadelphiade“ gefeiert wurde, eine Sonderbriefmarke heraus. Die Gedenkplatte, die 1979 zum selben Anlass in den Boden des Dionysiusplatz eingelassen wurde, ging bei Umgestaltungsarbeiten verloren. Sie wurde 2017 wiedergefunden und in der Mennoniten-Kirch-Straße wieder eingebaut.
18. Jahrhundert
1702 starb Wilhelm III. von Oranien, und Krefeld fiel daraufhin an Preußen. Die beiden Brüder Friedrich und Heinrich von der Leyen verließen 1731 den elterlichen Betrieb und gründeten ein eigenes Textilunternehmen, das sich in den nächsten Jahren zu einem Unternehmen mit Weltruf entwickelte und zunehmend Einfluss auf die Verhältnisse der Stadt ausübte. Friedrich war der Repräsentant des Unternehmens, Heinrich ihr Organisator. Die beiden reichen Brüder unterstützten ihre Mennonitengemeinde, indem sie die Prediger bezahlten, ein Armenhaus stifteten und eine neue Kirchenorgel kauften. Dennoch hat der Reichtum der von der Leyens mit ihrem fürstlichen Lebensstil die einstigen Glaubensgedanken wie Frömmigkeit und Bescheidenheit verdrängt. Friedrich Wilhelm I. erkannte bei seinem Besuch in Krefeld 1738:
Die Mennonisten sind hier keine rechten Mennonisten, sondern Bastarde, sonst aber gute Christen und biedere Leute.
Den Von der Leyens machte er dennoch, oder gerade deshalb Zugeständnisse:
Sie können sich auf mich verlassen, ich werde sie zu jeder Zeit protegieren, daß dero Fabrik und Handlung kein Mensch Tort tun kann.
Die Stadt wurde im 18. Jahrhundert wieder durch mehrere Kriege in Mitleidenschaft gezogen, so durch den Spanischen Erbfolge- und den Polnischen Thronfolgekrieg. Friedrich II. erlaubte den Katholiken in Krefeld, eine eigene Kirche, die Dionysiuskirche, zu bauen. Der Grundstein wurde am 9. August 1754 bei einem schon fortgeschrittenen Bauzustand gelegt.
Durch die „Schlacht bei Krefeld“ ging der Name der Stadt in die Kriegsgeschichte ein. Im Siebenjährigen Krieg trafen am 23. Juni 1758 preußische Truppen unter dem Kommando des Prinzen Ferdinand von Braunschweig und ein französisches Heer unter der Führung des Grafen von Clermont am südlichen Stadtrand zusammen. Trotz ihrer Übermacht wurden die Franzosen besiegt – ein Gedenkstein am einstigen Schlachtfeld, der Hückelsmay, erinnert an die über 2.800 Gefallenen, die dort begraben liegen. Friedrich II. besuchte zweimal die Stadt Krefeld: 1751 und 1763. Bei seinem zweiten Besuch verlieh er der Familie von der Leyen Monopolrechte für die Seidenproduktion, so dass aufkommende Konkurrenten gezwungen waren, in das benachbarte Herzogtum Jülich-Berg beziehungsweise das Kurfürstentum Köln abzuwandern. An die 4.000 Bürger arbeiteten bereits für die Von der Leyens, das war etwa die Hälfte aller arbeitsfähigen Einwohner der Stadt. 80 Prozent der produzierten Waren gingen in den Export bis nach Amerika und Russland. Das exklusive, erlesene Portfolio umfasste Seiden- und Samtbänder, Paramenten, Borten, Hals- und Taschentücher und Seidenstrümpfe sowie Tuchware. Um 1768 liefen allein für die beiden Brüder von der Leyen über 700 Webstühle. Der zweitgrößte Krefelder Seidenfabrikant, das Unternehmen Floh, besaß etwa 100 Seidenwebstühle. Die Webstühle waren stets Eigentum des jeweiligen Fabrikanten und wurden an die angestellten Weber lediglich ausgeliehen. Gewebt wurde meist in Heimarbeit. 1781 vermerkte Friedrich II., König von Preußen:
Crefeld und die dasigen Manufacturen sehe ich als ein Kleinod an, von welchem die Werber wegbleiben müssen; zeigt Mir daher nur die Regimenter näher an, welche sich dergleichen Exzesse zu Schulden kommen lassen. Ich werde ihnen schon den Weg zur Stadt und ihren Manufacturen zu versperren wissen. Auswärts mögen sie werben, soviel sie wollen, von dergleichen nützlichen Fabriquen sollen sie aber durchaus wegbleiben.
Weil damit Rekrutierungen untersagt waren, konnte in Krefeld auch in Kriegszeiten mit nahezu gleicher Quantität in hoher Qualität gefertigt werden. Zudem verfügte man in Krefeld durch diese Protektion über die höchste Dichte an Webermeistern, die ebensolche meisterliche Arbeiten ablieferten. Krefeld gehörte im 18. Jahrhundert neben Lyon und Zürich zu den Zentren der europäischen Seidenindustrie. Diese Situation machte die Stadt sehr wohlhabend, und sie bekam ihren noch heute gültigen Beinamen „Samt- und Seidenstadt“. An die vielen Weber erinnert heute am Südwall Ecke Ostwall das Seidenweberdenkmal, die Statue eines Seidenwebers mit geschulterter Tuchrolle, von den Krefeldern Meister Ponzelar genannt. Auf dem Bild unter der Statue, im Sockel eingelassen, ist ein für damals typisches Weberhaus dargestellt. Gewebt wurde in Heimarbeit in einer eigens dafür mit einer Webmaschine eingerichteten Webstube. Einige dieser typischen Häuser haben die Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg und mehrere Stadtmodernisierungen überstanden und stehen heute unter Denkmalschutz.
1794 betrug das Betriebsvermögen der Von der Leyens enorme 1.280.000 Taler. Ein Webergeselle verdiente zu der Zeit im Monat etwa 10 Taler, ein Seidenweber das Doppelte, Bandweber bis zu 30 Taler. Eine einfache Wohnung kostete 1 Taler Miete pro Monat. Für einen Webstuhl musste man 80 Taler bezahlen. Ein Taler von 1770 hatte eine Kaufkraft von etwa heutigen 25 Euro. Der Wohlstand lockte auch Ganoven und Banditen an. Oft wurden die frommen und gutgläubigen Mennoniten zu ihren Opfern. Räuberbanden zogen um Krefeld umher und verbreiteten Angst und Schrecken. Die „Krefelder Bande“ war eine von vielen. Der Grefrather Mathias Weber, ob seiner Art des Kampfes bekannt als „der Fetzer“, war wohl das prominenteste und gefürchtetste Mitglied dieser Gruppe.
In den Koalitionskriegen wurde Krefeld erstmals am 16. November 1792 durch die französischen Revolutionstruppen unter General La Marliére besetzt. Eine Kriegskontribution in Höhe von 300.000 holländischen Gulden konnte die Stadt Krefeld nicht aufbringen. Zur Sicherung dieser Forderung wurden die Vertreter der wohlhabendsten Krefelder Familien als Geiseln genommen. Erst Ende Januar 1793 konnte die Forderung beglichen werden. Im Zuge des Herbstfeldzuges von 1794 wurde Krefeld wie das übrige linksrheinische Territorium französisch besetzt, dann annektiert und 1798 zum Verwaltungssitz eines Arrondissements des Département de la Roer bestimmt. 1801 wurde das Département mit dem Arrondissement de Crévelt französisches Staatsgebiet. Die Stadt wurde eine Mairie und ein Kanton nach französischem Vorbild. Im Jahr 1802 wurde die Gewerbefreiheit nach französischem Recht eingeführt. In dieser Zeit wurde auch gezielt Jagd auf die umherstreunenden Banditen und Räuber gemacht. Mit den meisten wurde kurzer Prozess gemacht. So endete 1803 auch das Leben von Matthias Weber auf einer Guillotine in Köln.
19. Jahrhundert
Die Gedanken der Revolution fanden Zustimmung bei vielen Bürgern, die auch Napoleon Bonaparte 1804 bei seinem Besuch in der Stadt zujubelten. Aus den Aufzeichnungen der Familie von Beckerath geht zum Besuch Napoleons in Krefeld folgendes hervor:
Bonaparte wurde auf dem Felde bei Königshof empfangen. Der Kaiser hatte einen gelblichen Teint, graue Augen, dunkles Haar und seine Züge waren nicht unangenehm. Nachdem der Maire von der Leyen seine Rede abgelesen hatte, nickte er freundlich mit dem Kopf, sah auf seine Uhr und befahl fortzufahren. Er war kaum in der Stadt, so sahen wir ihn mit dem Maire Arm in Arm gehen. Nachdem Bonaparte die Fabriken besehen, ließ er den Gemeinderat zusammenkommen und fragte unter anderem, wie viele Millionäre denn in Crefeld seien.
Die Franzosenzeit endete am 14. Januar 1814. Von nun an war Krefeld wieder preußisch. 1816 wurde Krefeld Sitz des Kreises Krefeld. Aus der Mairie Krefeld der Franzosenzeit wurde die preußische Bürgermeisterei Krefeld.
Im November 1828 kam es zu einem Aufstand der Seidenweber, dabei rebellierten etwa 2000 Krefelder Seidenweber gegen ihre schlechte Bezahlung und die Absicht der Seidenbarone, ihre Löhne um 15 Prozent zu kürzen. Im Zuge des Aufstandes wurden die Häuser mehrerer Seidenbarone aufgesucht und die Fensterscheiben der Familie von der Leyen mit Steinen eingeworfen. Die „Seidenbarone“ von der Leyen zählten damals zum wichtigsten Textilunternehmen in der Seiden-Metropole Krefeld. Das 2. Westfälische Husaren-Regiment Nr. 11 wurde eingesetzt, um die Seidenweber niederzuschlagen. Karl Marx bezeichnete den Krefelder Seidenweberaufstand als den „ersten Arbeiteraufstand der deutschen Geschichte“.
1815 wurde der Baumeister und Architekt Adolph von Vagedes mit einem Stadterweiterungsplan beauftragt. Die alten Stadtmauern grenzten die wachsende Stadt zu sehr ein, und neue Bauvorhaben außerhalb der Mauern fanden nahezu planlos statt. 1817 legte Vagedes dem Stadtrat erste Pläne vor, die bis 1819 genehmigt wurden. Der ursprüngliche Plan sah einen Grundriss in Form eines Griechischen Kreuzes mit vier gleich langen Seiten vor. Dieses Vorhaben wurde jedoch wieder verworfen. Stattdessen entstanden die noch heute das Stadtbild prägenden Boulevards (Nord-, West-, Süd-, Ostwall) in Form eines Rechteckes.
Die vier Wälle liegen um einiges außerhalb der ehemaligen Stadtbefestigung, nicht an deren Stelle. Vagedes’ Plan griff die klassizistische Prägung der Stadt auf und ließ Neubauten im gleichen Stil errichten. Die Bepflanzung der vier Wälle wurde vermutlich zwischen 1838 und 1840 von Maximilian Friedrich Weyhe und seinem jüngeren Sohn Wilhelm August gestaltet. Weitere Gestaltungen seines älteren Sohnes Joseph Clemens Weyhe sind belegt.
Der nicht in Vagedes’ Plan berücksichtigte Bau des Bahnhofes um 1849 machte eine Verlängerung des Ostwalls erforderlich, dessen stilistische Integration in das bestehende Stadtbild ebenfalls von Joseph Clemens Weyhe geplant wurde. Die heute 150 Jahre alten Bäume auf den vier Wällen gehen noch auf diese Zeit zurück.
1843 wurde Krefeld nach Plänen von Franz Anton Umpfenbach bis zu den heutigen Ringstraßen erweitert. Die Märzrevolution von 1848 war auch in Krefeld spürbar. Im Januar 1849 gab es bei Straßenkämpfen ein Todesopfer.
Der Bankier und liberale Politiker Hermann von Beckerath vertrat seine Heimatstadt in der Frankfurter Nationalversammlung, war 1848/1849 Reichsfinanzminister und Mitglied des Verfassungsausschusses.
Das technische Zeitalter begann in Krefeld 1849 mit der Eröffnung der Eisenbahn von Aachen nach Oberhausen durch die Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft. Die Textilindustrie machte Krefeld ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer der wohlhabendsten deutschen Städte.
1863 kam es zu einem Eklat beim Besuch von König Wilhelm I. Außer den Mitgliedern des Preußenvereins verweigerten die meisten Krefelder dem König die üblichen Ehrenbezeugungen und blieben zu Hause. Als ihm 1870 ein Denkmal gesetzt werden sollte, verlangte Wilhelm, der die Beleidigung nicht vergessen hatte, es müsse der Stadt den Rücken zukehren. Der Sockel dieses Denkmals ist noch heute im Krefelder Stadtgarten zu sehen. Die Statue selber wurde im Zweiten Weltkrieg für die Rüstung eingeschmolzen. Am 17. Juni 1894 starb der Luftfahrtpionier Hermann Lattemann in Krefeld bei einem fatalen Experiment, als er seinen Ballon zum Fallschirm umwandeln wollte.
Mit Wirkung zum 23. November 1872 schied die Stadt Krefeld aus dem Landkreis Krefeld aus und bildete einen eigenen Stadtkreis. Nach offiziellen Verlautbarungen wurde am 26. Dezember 1897 der Name Crefeld in Krefeld geändert. Das wurde aber schon am 8. November 1900 wieder rückgängig gemacht. Die endgültige und bis heute gültige Schreibweise mit „K“ wurde am 25. November 1925 durch die Bezirksregierung Düsseldorf angeordnet.
20. Jahrhundert
Am 9. Juni 1902 wurde Gustav Mahlers 3. Sinfonie in Krefeld unter Mahlers Dirigat uraufgeführt. Elf Tage später jubelten die Krefelder Kaiser Wilhelm II. zu.
1914 zogen auch Krefelder in den Ersten Weltkrieg, 2344 Männer fielen. Mit einem Standbild des Eisernen Georg erhielt Krefeld 1915 ein eigenes Kriegswahrzeichen. Kriegsbewirtschaftung und Rationierungen prägten die Industrie und das Alltagsleben. Nach Kriegsende wurde Krefeld am 6. Dezember 1918 von belgischen Truppen besetzt (bis 31. Januar 1926). Anfangs waren 7.500, später bis zu 6.000 Soldaten in Krefeld stationiert. Von 1918 bis 1921 waren dafür über 1.220 Quadratmeter in Privathäusern beschlagnahmt, von 1923 bis 1924 etwa 900. 1921 baute man im seitdem sogenannten „belgischen Viertel“ die ersten Wohnhäuser für Offiziere. Die belgische Verwaltung zensierte die Tageszeitungen und kappte Verbindungen zum anderen Rheinufer.
Am 23. Oktober 1923 stürmten rheinische Separatisten das Krefelder Rathaus. Es gab mehrere Todesopfer. Da es die Separatisten nicht schafften, die öffentliche Gewalt nachhaltig auszuüben, endete ihre Herrschaft nach zwei Wochen wieder.
1901 wurde die Gemeinde Linn nach Krefeld eingemeindet, 1907 die Stadt um Bockum, Oppum und Verberg erweitert. Erst mit der Eingemeindung Oppums entstand eine direkte Verbindung zum Linner Rheinhafen. 1929 kamen Fischeln, Gellep-Stratum, Traar und andere Gemeinden zu Krefeld. Hohenbudberg und ein Teil von Kaldenhausen (Hagschinkel) wurden nach Uerdingen eingegliedert. Der Restkreis wurde in Landkreis Kempen-Krefeld umbenannt. Krefeld und Uerdingen vereinigten sich unter Krefeld-Uerdingen am Rhein zu einer dreigliedrigen Körperschaft, die 1940 abgeschafft wurde; die Stadt wurde in Krefeld umbenannt.
Am 9. November 1938 (Novemberpogrome) wurden auch in Krefeld die Synagogen niedergebrannt und Geschäfte jüdischer Kaufleute zerstört und/oder geplündert. Im Zweiten Weltkrieg führte die Britische Luftwaffe ab Mai 1940 Luftangriffe auf Krefeld durch. In Krefeld wurden daraufhin als Schutzmaßnahme („Führer-Sofortprogramm“) 45 Bunker (meist Hochbunker) errichtet. In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1942 starben 38 Menschen beim ersten größeren Luftangriff auf die Stadt. In der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1943 wurden bei einem schweren britischen Luftangriff (1033,5 Tonnen Sprengbomben und 1041,9 Tonnen Brandbomben) im Rahmen der morale-bombing-Strategie große Teile des Krefelder Ostens getroffen. Die Innenstadt wurde durch einen von Brandbomben verursachten Feuersturm erheblich zerstört. 1036 Krefelder starben, über 9000 wurden verletzt. Der große Hauptbahnhof blieb unversehrt. Zu noch größeren Zerstörungen kam es nicht, weil ein Teil der Bomben über dem Hülser Bruch und Kempener Feld auf kaum bebautes Gelände abgeworfen wurde, vermutlich aufgrund falsch gesetzter Leitfeuer.
Am 31. Dezember 1944, 11. Januar und 24. Januar 1945 griffen westalliierte Bomber Bahnlinien an. Bei den Angriffen starben 441 Menschen. Ein Luftangriff auf Krefeld am 28./29. Januar 1945 forderte etwa 650 Tote und Vermisste. Von den 172.000 Einwohnern zu Kriegsbeginn lebten im Februar 1945 noch 125.000 in der Stadt. Am 2. März 1945 marschierten im Verlauf der Operation Grenade US-Truppen in Krefeld ein. Die Eroberung der Krefeld-Uerdinger Brücke über den Rhein misslang, weil die Wehrmacht sie am 4. März sprengte. Henry Kissinger, der spätere US-Außenminister, der im Nachrichtendienst der 84. Infanteriedivision diente, wurde damit beauftragt, eine zivile Interimsverwaltung zu organisieren. Bei Kriegsende waren über 70 Prozent der Industrieanlagen, 36 Prozent der Verkehrsanlagen und ein Drittel der Wohnbebauung zerstört. 2.048 Einwohner waren bei Luftangriffen ums Leben gekommen, weitere 4.511 außerhalb der Stadt.
Im Juni 1945 lösten britische Besatzungstruppen die US-Truppen ab. Fortan gehörte Krefeld zur Britischen Besatzungszone. Nach Kriegsende sollten die Krefelder Stahlwerke ursprünglich demontiert werden. Dies wurde abgewendet.
In den 1950er Jahren erlebten die Stahlwerke einen Aufschwung. Mehrere Stahlkrisen bis in die 1990er Jahre führten in den Niedergang, ebenso wie die Textilindustrie, die nur bis etwa 1955 wieder aufblühte.
Am 16. November 1980 wurde in Krefeld auf einer Konferenz der Friedensbewegung (unter anderem mit Petra Kelly und Gert Bastian) der „Krefelder Appell“ gegen den NATO-Doppelbeschluss formuliert. Am 25. Juni 1983 demonstrierten bei einem Staatsbesuch von US-Vizepräsident George H. W. Bush anlässlich der Philadelphiade in Krefeld über 20.000 Menschen. Dabei kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen militanten Demonstranten und der Polizei. Ein V-Mann des Verfassungsschutz Berlin beteiligte sich an den Ausschreitungen.
Textgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Krefeld
Historische Stadtkarte von 1842 — Quelle: Wikimedia — Vergrößern ⋙ Link
Fakten & Daten
Krefeld (bis 25. November 1925 Crefeld) ist eine linksrheinisch gelegene Großstadt am Niederrhein. Die kreisfreie Stadt im Regierungsbezirk Düsseldorf wird aufgrund der Seidenstoffproduktion des 18. und 19. Jahrhunderts auch als „Samt- und Seidenstadt“ bezeichnet. Krefeld nahm Ende 2022 mit rund 228.500 Einwohnern unter den Großstädten Nordrhein-Westfalens den 14. Platz ein. Das Oberzentrum gehört zur Metropolregion Rhein-Ruhr sowie zur Metropolregion Rheinland.
Krefeld wurde 1105 erstmals urkundlich erwähnt und erhielt 1373 die Stadtrechte. Unter der Herrschaft der Oranier war die Stadt im 17. Jahrhundert aufgrund ihrer Neutralität ein Zufluchtsort für Glaubensflüchtlinge und erlebte ein starkes Bevölkerungswachstum. 1702 fiel die Grafschaft Moers, zu der Krefeld gehörte, an das Königreich Preußen. Begünstigt durch das preußische Seidenmonopol, entwickelte die aus der Flüchtlingsfamilie von der Leyen hervorgegangene Dynastie der Seidenbarone die Stadt zu einem bedeutenden Zentrum der europäischen Seidenindustrie. Die Textilproduktion machte Krefeld im 18. und 19. Jahrhundert zu einer der reichsten Städte Preußens. Mit dem Überschreiten der Marke von 100.000 Einwohnern im Jahr 1887 wurde Krefeld zur Großstadt.
Der Niedergang der Seidenindustrie ab Mitte des 20. Jahrhunderts löste eine Phase des Strukturwandels aus. Heute wird die Wirtschaft Krefelds vor allem durch die chemische Industrie, den Maschinen- und Anlagenbau sowie die Metallindustrie dominiert. Durch ihre verkehrsgünstige Lage hat sich die Stadt zudem als Logistikstandort etabliert. Seit deren Gründung 1971 ist Krefeld Sitz der Hochschule Niederrhein.
Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten zählen die im 19. Jahrhundert entstandenen „vier Wälle“ mit dem als Prachtboulevard angelegten Ostwall, die Krefelder Kunstmuseen, das Deutsche Textilmuseum, der mittelalterliche Ortskern Linn mit der Burg Linn, der Krefelder Zoo sowie die gut erhaltenen historischen Zentren der Stadtteile Uerdingen und Hüls. Vom einstigen Reichtum der Stadt zeugen noch heute viele Gründerzeit- und Jugendstilfassaden. Wegen zahlreicher Werke von Architekten der 1920er und 1930er Jahre gilt Krefeld als eine bedeutende Bauhaus-Stadt in Nordrhein-Westfalen. Viele Parkanlagen sind aus Privatgärten ehemaliger Seidenfabrikanten hervorgegangen, z. B. der Krefelder Stadtwald, der Sollbrüggenpark und der Schönwasserpark. (Wikipedia)