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Lebensdaten

Ludwik Fleck (1896–1961) gilt als Vordenker der modernen Wissenschaftsforschung. Geläufige Begriffe wie «Denkstil» oder «Denkkollektiv» stammen von Fleck. Seine 1935 bei Schwabe in Basel erschienene Monografie Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache blieb allerdings während Jahrzehnten ebenso unbeachtet wie seine kleineren erkenntnistheoretischen und wissenschaftssoziologischen Schriften. Erst eine knappe Reminiszenz an Fleck im Vorwort von Thomas Kuhns wissenschaftshistorischem Bestseller Structure of Scientific Revolution (Chicago 1962) leitete eine verzögerte Rezeption des Fleckschen Werks ein, die ab den 1980er Jahren deutlich zunahm und Fleck schliesslich in den heutigen Rang eines Klassikers hob. Zeitlebens war und blieb Fleck aber stets auch Mediziner und Naturwissenschafter. Als Forscher und Laborleiter war er erfolgreich im Bereich der Bakteriologie und Serologie. Die Zahl seiner medizinisch-naturwissenschaftlichen Publikationen überwiegt bei Weitem jene im Feld der Wissenschaftsreflexion. Seine Arbeiten wurden in angesehenen medizinischen Zeitschriften veröffentlicht. Ludwik Flecks Leben als jüdischer Wissenschaftler im 20. Jahrhundert führte durch Universitäten ebenso wie ins Ghetto und ins Konzentrationslager, durch ein Europa der Weltkriege und totalitären Systeme, und schließlich nach Israel.

 

Hauptschriften

Fleck, Ludwik (1980): Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv [Erstausgabe Basel: Schwabe, 1935]. Mit einer Einleitung hg. von Lothar Schäfer und Thomas Schnelle. Suhrkamp Frankfurt/Main (stw 312).

Fleck, Ludwik (1983): Erfahrung und Tatsache. Gesammelte Aufsätze. Mit einer Einleitung hg. von Lothar Schäfer und Thomas Schnelle. Suhrkamp Frankfurt/Main (stw 404).

Fleck, Ludwik (2011): Denkstile und Tatsachen. Gesammelte Schriften und Zeugnisse. Herausgegeben von Sylwia Werner und Claus Zittel unter Mitarbeit von Frank Stahnisch. Mit zahlreichen Abbildungen. Suhrkamp Frankfurt/Main (stw 1953)

 

Kurzbiographie

11.7.1896: Ludwik Fleck wird in Lemberg (Lwow), das damals zur österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie gehört, als Sohn jüdisch-polnischer Eltern geboren.
1914–1918: Medizinstudium und Militärdienst während des 1. Weltkriegs. Allgemeinmedizinische Promotion.
1920: Assistenztätigkeiten in akademischer Forschung (Infektionskrankheiten).
1923: Heirat mit Ernestina Waldmann.
1924: Geburt des Sohnes Ryszard Ariel.
1923–1927: Leitung bakteriologischer Labors am allgemeinen Krankenhaus in Lemberg. Gleichzeit baut Fleck ein privates bakteriologisches Labor auf.
1928–1935: Leitung des bakteriologischen Labors der örtlichen Krankenkasse in Lemberg.
1935: Nach Entlassung als Direktor Weiterarbeit im eigenen Privatlabor. Publikation der Monografie Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache.
1939: Sowjetische Besetzung Lembergs. Fleck kehrt an die Universität zurück und wird Dozent für Mikrobiologie.
1941: Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion. Fleck wird mit seiner Familie ins jüdische Ghetto von Lemberg deportiert.
1943: Verschleppung ins Konzentrationslager Auschwitz. Fleck arbeitet im serologischen Labor des Hygiene-Instituts der Waffen-SS.
1944: Deportation Flecks ins KZ Buchenwald. Laborarbeit zur Herstellung von Fleckfieber-Impfstoff.
1945: Befreiung aus Buchenwald. Rückkehr nach Polen. Berufung zum Direktor der Abteilung für medizinische Mikrobiologie an der Universität Llublin.
1946: Habilitation.
1950: Ordentliche Professur für Mikrobiologie an der Universität Llublin.
1954: Aufnahme in die Polnische Akademie der Wissenschaften.
1955: Offizierskreuz des Ordens der Wiedergeburt Polens. Als Präsidialmitglied der Akademie der Wissenschaften baut Fleck deren medizinische Sektion auf.
1956: Herzinfarkt und Diagnose auf Lymphdrüsenkrebs.
1957: Fleck und seine Frau emigrieren nach Israel. Er wird Direktor des Instituts für experimentelle Pathologie am Israel Institute for Biological Research in Ness Ziona.
1959: Visiting Professor für Mikrobiologie an der Hebrew University in Jerusalem.
5.6.1961: Ludwik Fleck stirbt an einem Herzinfarkt in Ness Ziona.
Quelle: https://www.fleckzentrum.ethz.ch/