Punkte auf der Landkarte
Lützerath
Bereits vor Jahren hatte RWE die Bewohner des Dorfs in NRW entschädigt, um nach Braunkohle zu graben. Trotzdem wurde der Ort, den es nicht mehr gibt, zum Kampfplatz für „Aktivisten“.
Der Gegenwart. — 17. Januar 2023
Am 4. Oktober 2022 kündigten der RWE-Vorstandsvorsitzende Markus Krebber, NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf einer gemeinsamen Pressekonferenz an, dass Lützerath abgebaggert werden solle. Dafür sollen die übrigen, noch nicht geräumten Dörfer erhalten und der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung auf 2030 vorgezogen werden.
Nachdem ein Gesetzentwurf der Bundesregierung durch die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ohne Gegenstimmen in diesen angenommen wurde, heißt es im entsprechenden Gesetz § 48 KVBG (Kohleverstromungsbeendigungsgesetz), das die Grundlage für den Abriss Lützeraths bietet:
Die energiepolitische und energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf zur Gewährleistung einer sicheren und zuverlässigen Energieversorgung werden für den Tagebau Garzweiler II in den Grenzen der Leitentscheidung der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zur Zukunft des Rheinischen Braunkohlereviers/Garzweiler II vom 23. März 2021 festgestellt, soweit durch diese Feststellung der Erhalt der Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath sowie der Holzweiler Höfe (Eggerather Hof, Roitzerhof, Weyerhof), jeweils mit einem angemessenem Abstand, bei der weiteren Tagebauführung sichergestellt wird.
Am 20. Dezember 2022 erließ der Kreis Heinsberg eine Allgemeinverfügung, nach der das Betreten Lützeraths und der Zufahrtsstraßen sowie der Aufenthalt dort ab dem 23. Dezember 2022 offiziell nicht mehr erlaubt sein sollen. Weiter wird erklärt, ab dem 10. Januar 2023 auch unmittelbaren Zwang zum Auflösen der Besetzung anzuwenden.
Das Landesinnenministerium sah Ende November 2022 eine Räumung des Weilers im Januar 2023 vor, die bis Ende Februar abgeschlossen sein sollte. Um die Räumung zu verhindern, gründete sich ein Aktionsbündnis u. a. mit Fridays for Future, Extinction Rebellion, Ende Gelände und Interventionistischer Linke. Die ebenfalls beteiligte Initiative Alle Dörfer bleiben rief zu „entschlossenem und friedlichem Protest“ gegen die Räumung auf und kündigte für den 14. Januar eine gemeinsame Demonstration an.
Am 2. Januar 2023 begannen vorbereitende Arbeiten für die ab der zweiten Kalenderwoche geplante Räumung Lützeraths, u. a. wurden Barrikaden auf Zufahrtsstraßen entfernt. Dabei kam es zu Zusammenstößen, bei denen Personen verletzt wurden. Am 8. Januar fand ein „Dorfspaziergang“ mit mehr als 2000 Teilnehmern statt. Am selben Abend wurden Polizisten laut dem Polizeipräsidium Aachen mit Steinen beworfen.
Am 9. Januar 2023 befanden sich laut Aussagen der Initiative „Lützerath lebt“ 700 Demonstranten im besetzten Weiler; die Polizei sprach von etwa 300 Personen. Am Morgen des 11. Januar riegelte die Polizei den Zugang zum Weiler weiträumig ab und begann, mit mehreren Hundertschaften in das Weilerinnere vorzurücken. Der Journalistenverband DJU sprach wiederholt von Einschränkungen der Pressefreiheit durch Polizei und private Sicherheitskräfte.
Gleichzeitig schlossen sich über 500 Wissenschaftler einem offenen Brief der Scientists for Future an, in dem „substanzielle wissenschaftliche Zweifel an der akuten Notwendigkeit einer Räumung“ und der Erschließung der Braunkohle unter Lützerath, die für Energiesicherheit und Netzstabilität nicht nötig sei, ausgedrückt werden.
Am 12. Januar löste die Polizei einen nahe Lützerath stattfindenden Gottesdienst auf, der sich als politische Versammlung herausgestellt habe. Die katholischen und evangelischen Kirchenverbände der Region forderten ebenfalls ein Moratorium der Räumung.
Am Abend des 12. Januar war die Räumung der überirdischen Strukturen weitgehend abgeschlossen. Eine Herausforderung für die Räumungsarbeiten war ein Tunnel, der sich unter der Zufahrtsstraße zum besetzten Weiler befindet. Laut Schätzungen von Journalisten soll der Tunnel über einen Zeitraum von zwei Jahren errichtet worden sein. In einem von Aktivisten veröffentlichten Video sagten sie, sie seien bereit, sich im Tunnelsystem festzuketten, um die Räumung möglichst lange zu verzögern. Das Technische Hilfswerk (THW) schloss am gleichen Tag eine Erkundung ab.
Ein Bündnis mehrerer Umwelt- und Naturschutzorganisationen sowie lokaler Initiativen hatte zu einer Großdemonstration unter dem Motto Auf nach Lützerath! Gegen die Räumung – für Kohleausstieg & Klimagerechtigkeit aufgerufen. Gruppen aus dem ganzen Bundesgebiet und aus benachbarten Ländern organisierten Anreisen in das Rheinische Revier. Etwa 15.000 (Polizei) bzw. 35.000 bis 50.000 (Veranstalter) Menschen zogen am 14. Januar von Mönchengladbach-Wanlo über das benachbarte Keyenberg in Richtung eines Feldes zwischen Keyenberg und Lützerath, wo die Abschlussveranstaltung, u. a. mit einem Redebeitrag Greta Thunbergs stattfand. Im Laufe des Nachmittags gelang es mehreren Demonstranten, zur Abbruchkante des Tagebaus vorzudringen, mehrere Hundert davon bewegten sich auf das weiterhin besetzte und abgezäunte Lützerath zu, während die Polizei unter Einsatz unmittelbaren Zwangs versuchte, diese mit Schilden und Wasserwerfern abzuhalten.
Im Vorfeld hatte sich die Polizei NRW auf einen Großeinsatz vorbereitet und im Rahmen der Amtshilfe Verstärkung aus anderen Bundesländern sowie „Spezialkräfte von Feuerwehr und THW“ angefordert. In Ermangelung geländegängiger Fahrzeuge nutzte die Polizei RWE-Fahrzeuge als Gefangenentransporter, die laut RWE-Angaben in Rechnung gestellt würden. Dies und die Übergabe „hochwertiger Gegenstände“ aus dem geräumten Aktivistenlager an RWE sorgten für Kritik am Einsatz. Bereits am Abend kam es zu erster Kritik am Vorgehen der Polizei. Gegenüber der Presse kritisierte die Initiative Lützerath lebt das Vorgehen der Polizei als unverantwortlich und erklärte, die Polizei habe mit „pure[r] Gewalt“ gegen die Demonstranten durchgegriffen. Die Polizei selbst wies die erhobenen Vorwürfe zurück, und kritisierte wiederum die Aktivisten selbst, mit Gewalt vorgegangen zu sein. Zudem sprach die Polizei von etwa 70 verletzten Einsatzkräften, was zum Teil aber auch wetterbedingten Unfällen geschuldet gewesen sei.
Textgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCtzerath
Fakten und Daten
Lützerath ist ein Weiler der Stadt Erkelenz in Nordrhein-Westfalen. Das Gelände steht heute im Eigentum der RWE Power AG. Der Energieversorgungskonzern RWE plant, Lützerath vollständig abzureißen, um den Tagebau Garzweiler auszudehnen. Die Umsiedlung des Ortes begann 2006 und wurde im Oktober 2022 endgültig abgeschlossen. Anfang Oktober 2022 entschieden das Bundes- und das Landeswirtschaftsministerium endgültig, dass die Kohle unter dem Gebiet Lützeraths durch die RWE Power AG bergbaulich in Anspruch genommen werden dürfe. Der Umsiedlungszielort war, wie für den bereits abgerissenen, unmittelbar südöstlich gelegenen Nachbarort Immerath, das weiter westlich gelegene neue Dorf Immerath (neu). Lützerath wird also an anderer Stelle als eigenständiger Ortsteil nicht neu errichtet. (Wikipedia)
„Privilegierte Bürgerkinder“
Die Räumung des Ortes Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier ist am Freitag weiter fortgeschritten. WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt kommentiert den Protest und die Rolle der Grünen: „Privilegierte Bürgerkinder, die sich aus ihrer Abenteuerspielburg raustragen lassen.“. 14.1.2023
„Finta Kampf Radikal“
Ist das Kunst, oder kann das weg? Das Deutsche Architekturmuseum wollte eine von radikalen Klimaschützern errichtete Hütte aus Lützerath ausstellen. Polizei und RWE erwiesen sich jedoch als weniger feingeistig und machen die Bretterbude platt. […] Der etwa drei Meter hohe begehbare Bretterverschlag ist mit verschiedenen linkspolitischen Schmierereien versehen, darunter der Spruch „Finta Kampf Radikal“. Der Begriff „Finta“ steht für „Frauen, Inter Personen, Nichtbinäre Menschen, Trans Menschen und Agender Personen“.