
Hinweise auf Menschen
Norbert Borrmann
Der Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler schrieb über die Zukunft, über Vampirismus und über das Wagnis, rechts zu sein.
Der Gegenwart. — 23. Mai 2023
[Der Begriff „Chronokratie“] ist durchaus ein wichtiges Wort für mich. Ich sagte ja vorhin schon: So viel Zukunft war noch nie. Dass so viel Zukunft da ist, hängt eben damit zusammen, dass wir Menschen der Gegenwart, dass wir Menschen der Industriegesellschaft in einer Zeit leben, in der die Zeit anfängt zu laufen. Das hat mit diesem bereits erwähnten Gegensatz zu tun. Der frühere Mensch hat die Zeit kreisförmig gedacht: Alles wiederholte sich. Heute jedoch leben wir in einer Zeit, die quasi ständig die Gegenwart verlassen will, die ständig einen Schritt vorweg in die Zukunft macht. Wir werden also sozusagen auf ganz neue Art und Weise durch die Zeit geprägt, z. B. durch unsere Aktualitätensucht. Das, was heute passiert, ist morgen mehr oder weniger schon wieder Schnee von gestern. Oder denken Sie an die immer schnellere Entwicklung von technischen Geräten. Wenn heute eine Maschine auf den Markt kommt, dann ist sie quasi mit ihrem Markteintritt schon wieder veraltet, weil eine neue und noch bessere Maschine bereits darauf wartet, sie abzulösen. So etwas hat es in früheren Kulturen nicht gegeben: Damals haben diese Dinge, ich möchte fast sagen über Jahrhunderte hinweg, ihren Wert behalten. Wir werden also von der Zeit getrieben, ob wir das wollen oder nicht. Wir werden angetrieben von der Zeit.
Dr. Norbert Borrmann im Gespräch mit Dr. Wolfgang Habermeyer, Sendung „alpha-forum“ vom 10.10.2005
Aus einem unbekannten Grund erschüttert mich der Tod von Norbert Borrmann, der ja bereits einige Jahre zurückliegt. Ist es sein Blick auf dem Porträtfoto?
Die beiden großen Architektur-Bände, das kaplaken-Büchlein „Die große Gleichschaltung“ und die „Aufklärungsschrift“ (Manfred Kleine-Hartlage) „Warum rechts?“ waren längst bekannt, da trug ein weiterer Bücherzellen-Fund den Autorennamen Norbert Borrmann. Es war ein Buch über Vampirismus. Ja, tatsächlich derselbe Autor. Kürzlich kam ebenfalls aus dieser unerschöpflichen Quelle noch sein Zukunftslexikon dazu. Welch schönes, fruchtbares Autorenleben, das 2016 endete.
Ein Wikipedia-Artikel ist Norbert Borrmann bisher nicht vergönnt. Die Verlage geben auf ihren Autoren-Seiten spärliche Auskunft. Ein Gespräch im Bayerischen Rundfunk und ein vorgelesenes Buchkapitel bei Youtube – mehr ist – außer den Büchern – nicht auffindbar.
Norbert Borrmann hat – so scheint es – einige Bücher und ein schwarz-gähnendes Loch hinterlassen. Wie viel an aktuellen Zumutungen der letzten Jahre ist ihm erspart geblieben, aber das ist ein schwacher Trost.
Norbert Borrmann ist tot. Von seinem Foto schaut er uns an. —
* * *
»Der Architekturkenner Norbert Borrmann weiß um die Gefahr fortschreitender Monotonie und fehlender Originalität in Städteplanung und -bau. Doch die Sphäre der Baukunst steht dieser Tage nur sinnbildlich für größere, weltumfassende Prozesse der Vereinheitlichung. Daher stellt Borrmann im 37. Band der reihe kaplaken klar, was mit deren wichtigsten Pfeilern Globalisierung und „One World“ im Äußeren sowie „Multikultur“ im Inneren tatsächlich gemeint ist:
1. Globalisierung bedeutet Amerikanisierung. Die angebliche wechselseitige Bereicherung durch fremde und ferne Kulturen entpuppt sich als Farce zugunsten einer Standardisierung von Kunst, Musik, Kultur und Sprache.
2. Der Traum vom Weltstaat wird zum Alptraum, weil die Einebnung der Unterschiede ganzer Völker und Kulturen im Zuge der Globalisierung damit unwiderruflich verknüpft ist.
3. Dasselbe gilt für das Konzept „Multikulturelle Gesellschaft“. „Bunt“ führt zu „grau“, was die Befürworter dieser Ideologie freilich ebensowenig stört wie die Tatsache, daß die vorgeblichen Antikapitalisten mit der Schaffung einer „industriellen Reservearmee“ (Karl Marx) zuvorderst den Kapitalismus bedienen.
Was heute als Vielfalt angepriesen wird, hat Borrmann zufolge im eigentlichen Sinne nichts damit zu tun. Statt tatsächlicher Pluralität verberge sich hinter diesen Floskeln das „Verschwinden der Vielgestaltigkeit der Welt“ (Alain de Benoist) im Zeichen universalistischer Ideologie.
Borrmann zeigt die Macht dieser dominierenden Tendenz auf, ohne Resignation zu auszustrahlen. Noch bleiben Möglichkeiten und Wege, sich der großen Gleichschaltung zu verweigern. Der Autor nennt sie.«
Dr. Norbert Borrmann (1953–2016)
Foto: DunkleEule; Vorschaubild: antaios.de
Der Autor
Dr. Norbert Borrmann lebte von 1953 (geboren in Bremen) bis 2016, studierte Architektur, Kunstgeschichte und Geschichte in Berlin. Promotion 1987. Er arbeitete viele Jahre in der Denkmalpflege und publizierte zu kunsthistorischen und politiktheoretischen Fragen. Borrmann ist Verfasser des 38. Bandes der reihe kaplaken, Die große Gleichschaltung. Vom Verschwinden der Vielfalt. Darin nennt er auch Wege, sich den Entwicklungstendenzen zu verweigern. Grundlegende Studien stellen seine Werke Kulturbolschewismus oder "Ewige Ordnung". Architektur und Ideologie im 20. Jahrhundert (Ares-Verlag) und der Band Identität und Gedächtnis. Denkmäler und politische Architektur von 1800 bis heute, dar, ebenfalls aus dem Ares Verlag. (antaios.de)
Die Bücher
Übersicht auf archinform.net ⋙ Link
Norbert Borrmann: Warum rechts? Leben unter Verdacht. Vom Wagnis, rechts zu sein. Regin-Verlag (2011)
Rezension von Manfred Kleine-Hartlage ⋙ Link
Norbert Borrmann: Die große Gleichschaltung. Vom Verschwinden der Vielfalt. Antaios Edition (2013)
Norbert Borrmann: Das Lexikon der Zukunft. Trends – Prognosen – Prophezeiungen. Diederichs (2002)
Norbert Borrmann: Vampirismus oder die Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Diederichs (1999/2011)
Handlungsstrategien
DunkleEule: Norbert Borrmann: Warum rechts? Vom Wagnis, rechts zu sein – Handlungsstrategien (21.4.2017; 59:24 min.)
»In diesem Video lese ich das Kapitel „Handlungsstrategien“ aus dem Buch „Warum rechts? Vom Wagnis rechts zu sein – Eine Streitschrift“ von Norbert Borrmann vor. Während das Buch immer wieder die Gegensätze und Unterschiede zwischen linken und rechten Sichtweisen beschreibt und beispielsweise zwischen linker „Monokultur“ und „Formverfall“ und rechter „Kulturenvielfalt“ und „Formwille“ unterscheidet, so ist sein letztes Kapitel mehr eine Hilfe für den erfolgreichen rechten Weg. Erfreulich ist es zu sehen, daß seit der Veröffentlichung im Jahre 2011 und der jetzigen Zeit einige seiner Ratschläge aufgegriffen und umgesetzt wurden.«