Hinweise auf Menschen
Ola Hansson
Der schwedische Dichter und Schriftsteller entdeckte Nietzsche und gehörte 1890 bis 1893 zum Friedrichshagener Dichterkreis.
Der Gegenwart. — 31. Oktober 2025 — Nach einem Geschenk von M. R. und einem Zufallsfund in der Bücherzelle.
»Ola Hansson […] stammte aus einem alten Bauerngeschlecht. Bereits während der Schulzeit interessiert er sich für Philosophie, Literatur und die revolutionierenden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse seiner Zeit. Er debütiert 1880 mit Gedichten über seine schonische Heimat. 1881/82 studiert er in Lund, anschließend lebt er zeitweise in Kopenhagen, dem damaligen Zentrum des skandinavischen Geisteslebens, und profiliert sich als Lyriker, Erzähler und Rezensent. Erste Buchveröffentlichungen tragen ihm Lob und Freundschaft bedeutender Kritiker und Literaten ein. Der große Bruch kommt im Herbst 1887, als Sensitiva amorosa erscheint und heftig attackiert wird. Keiner seiner Freunde kommt ihm zu Hilfe; Ola Hansson fühlt sich verraten.
Er verläßt Schweden und geht nach Dänemark, wo er im Hause Georg Brandes seine spätere Frau Laura Mohr (Pseudonym Laura Marholm, 1854–1928) kennenlernt. Das Paar reist 1890 nach Paris, in die Schweiz und nach Berlin. 1891 läßt sich das Ehepaar Hansson/Marholm in Friedrichshagen bei Berlin nieder. Man nimmt am Boheme-Leben teil und knüpft bzw. erneuert Kontakte zu Wilhem Bölsche, Bruno Wille, den Brüdern Hart, August Strindberg, Arne Garborg, Richard Dehmel, Przybyszewski, Munch, Leistikow, Franz Servaes, Dauthendey u.a.
Ola Hanssons Bücher erscheinen in deutscher und norwegischer Sprache. Vor allem aber wird er als Literaturvermittler bekannt; er propagiert skandinavische Autoren in Deutschland (Das junge Skandinavien, 1891), verbreitet die Ideen Nietzsches und Langbehns und setzt sich mit den Werken Poes, Garschins, Bourgets und anderer Vertreter der Moderne auseinander. Mitte der 1890er Jahre kann Ola Hansson zu den einflußreichsten Kulturkritikern Europas gezählt werden.
1893 zieht die Familie Hansson nach Schliersee. In der ländlichen Ruhe Oberbayerns schreibt Ola Hansson einige seiner schönsten Novellen (Der Weg zum Leben, 1894/96) und Gedichte. Doch die materiellen Schwierigkeiten nehmen zu und die Familie zieht nach München. Laura Marholms paranoide Ausbrüche bringen sie in eine psychiatrische Anstalt; nach der Entlassung müssen die Hanssons das Land verlassen. Nun beginnt ein unstetes Wanderleben: Feldkirch (Vorarlberg), Meudon, Bern, Berlin, Riga, Prag, Mölle, Ragusa (Dubrovnik) und Athen sind einige Stationen.
Die literarische Produktivität leidet darunter, es fehlen die Beziehungen zu den geistigen Strömungen der Zeit ebenso wie sprachliche Kontakte zur Heimat. Dafür wird Ola Hansson in Schweden von einer neuen Generation wiederentdeckt. Zwischen 1919 und 1922 erscheint sein Werk dort in siebzehn Bänden.
Am 26. September 1925 stirbt Ola Hansson nach kurzer Krankheit in Buykdere am Bosporus. Hinter ihm lagen 37 Jahre eines selbstgewählten Exils.«
Verlagstext zu Ola Hansson: Nietzsche. Übersetzt und herausgegeben von Erik Gloßmann. Klaus Boer Verlag (1997)
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Im Land der Pickelhaube
»Als der Schwede Ola Hansson (1860–1925) Anfang Februar 1890 nach Berlin kam, war er in den literarischen Kreisen Deutschlands kein unbeschriebenes Blatt mehr. Von der Großstadt war er ebenso beeindruckt wie abgestoßen. Davon zeugen die ersten Gedichte, die er zu jener Zeit verfasste.
1891 zog er mit seiner Familie nach Friedrichshagen. Ihr Haus in der Lindenallee entwickelte sich zu einem wichtigen Treffpunkt der Vorort-Boheme.
Neben Beiträgen zur ästhetischen Debatte schrieb Hansson Gedichte: zum einen sensible Verse über das Leben mit Frau und Kind, zum anderen bissige Satiren auf das Preußentum und die biedere Melange aus Edelanarchisten, Sozialaristokraten und Lebensreformern, die ihn in Friedrichshagen umgab.
Aber auch ein alter Freund tauchte, vielmals darum gebeten, endlich in dem Dorf hinter der Weltstadt auf: August Strindberg.
Nicht zufällig beginnt die Auswahl von Texten aus und über Berlin und Friedrichshagen, die vorgestellt werden, mit einem Brief an Strindberg und endet mit einer Schilderung der letzten Begegnung mit dem alternden Schriftsteller.
Aus heutiger Sicht erscheinen die dreieinhalb Monate in Berlin und die achtzehn Monate in Friedrichshagen als eine glückliche und erfolgreiche Zeit im Leben von Ola Hansson, an deren Ende die verhängnisvolle Entscheidung stand, nach Bayern zu ziehen.«
Verlagstext zu Ola Hansson: Im Land der Pickelhaube. Texte aus und über Berlin und Friedrichshagen. Herausgegeben und übersetzt von Erik Gloßmann. Kulturhistorischer Verein Friedrichshagen e. V. (2025)
Nietzsche
»Für Ola Hansson war Nietzsche als Dichter und Philosoph ein Rebell und Revolutionär. Die Nietzsche-Lektüre half ihm, die Lebenskrise nach dem Skandal um Sensitiva amorosa zu überwinden; das Prosapoem Ung Ofegs visor (1889), Ola Hanssons persönliche Zarathustra-Dichtung, ist auch eine Abrechnung mit feige schweigenden Freunden. Ola Hansson hat sich von Nietzsche stimulieren und inspirieren lassen; ein Epigone war er nicht.
Die in diesem Band enthaltenen Essays Friedrich Nietzsche und Friedrich Nietzsche und der Naturalismus sind in hohem Maße Zeitdokumente. Der erste Essay von 1889/1890 skizziert Leben und Werk und feiert den deutschen Denker in einer zum Teil hymnisch-pathetischen Sprache. Der zweite Beitrag von 1890 verdeutlicht, sachlicher im Ton, die Gegenposition Nietzsches zu den vorherrschenden naturalistischen Strömungen der Zeit.
Ola Hansson war der erste überhaupt, der nicht nur den Rang Nietzsches erkannte, sondern auch versuchte, dessen Auffassungen systematisch zu verstehen und darzustellen. Hier liegt uns eines frühes Zeugnis einer unbefangenen Nietzsche-Rezeption vor: ein Blick, der uns heute durch die ideologischen Debatten vieler Jahrzehnte verstellt ist.«
Verlagstext zu Ola Hansson: Nietzsche. Übersetzt und herausgegeben von Erik Gloßmann. Klaus Boer Verlag (1997)

Der Autor Ola Hansson auf einer zeitgenössischen
Fotografie — Foto: Autor/-in unbekannt/Wikimedia
Lebensdaten
Ola Hansson (* 12. November 1860 in Hönsinge (Grönby), Schweden; † 26. September 1925 in Büyükdere am Bosporus) war ein schwedisch-deutscher Schriftsteller. Ola Hansson heiratete 1889 die deutsch-baltische Autorin Laura Marholm. Gemeinsam mit ihr verließ er 1890 Schweden, um auf Umwegen durch Frankreich und die Schweiz nach Berlin zu gelangen und sich dort niederzulassen. Ebenso wie seine Frau schloss er sich dem Friedrichshagener Dichterkreis an. Bis zu seinem Lebensende kehrte er nicht mehr nach Schweden zurück. Als Grund für seine Emigration werden die vernichtenden Kritiken seiner Werke Notturno (1885) und der Novellen-Sammlung Sensitiva amorosa (1887) angeführt. Die Herabsetzung dieser zentralen Werke empfand Hansson als beleidigend und diffamierend. 1888/1889 wurde er, durch Vermittlung von Georg Brandes und August Strindberg, mit dem Werk von Friedrich Nietzsche konfrontiert, das ihn bis an sein Lebensende beschäftigte. (Wikipedia)
Werke
— Seher und Deuter. Rosenbaum & Hart, Berlin 1894. Digitalisat ⋙ Link
— Vor der Ehe. Roman. Janke, Berlin 1895.
— Alltagsfrauen. Beiträge zur Liebesphysiologie der Gegenwart. Duncker, Berlin 1896.
— Nordisches Leben. Band 1: Goldene Jugend. Duncker, Berlin 1897.
— Nietzsche. Boer, München 1897. Digitalisat ⋙ Link
— Sensitiva amorosa. Aus dem Schwedischen übersetzt und hrsg. von Erik Gloßmann. Boer, München 1997.
— Parias. Aus dem Schwedischen übersetzt und hrsg. von Erik Gloßmann. Boer, München 2001.
— Der Materialismus in der Literatur. Hammer, Stuttgart 1892. Digitalisat ⋙ Link
Literatur

Ola Hansson: Im Land der Pickelhaube. Texte aus und über Berlin und Friedrichshagen. Herausgegeben und übersetzt von Erik Gloßmann. 140 Seiten. Edition Friedrichshagen 15, Kulturhistorischer Verein Friedrichshagen e. V. (1. Auflage 2025)

Ola Hansson: Nietzsche. Aus dem Schwedischen übersetzt und herausgegeben von Erik Gloßmann. 109 Seiten. Klaus Boer Verlag (1997)