
Widerspruch+Widerstand
Zehn Jahre Pegida – zehn Jahre Demokratie von unten
Die DDR-Oppositionelle und heutige Bürgerrechtlerin Angelika Barbe würdigt die Dresdner Proteste: „Ostdeutsche haben wieder Geschichte geschrieben“.
Der Gegenwart. — 20. Oktober 2024
Von ANGELIKA BARBE | Ich erinnere mich noch genau: Es war Montag, der 14. Dezember 2014. Seit Wochen machte eine Bewegung in Dresden von sich reden, die sich PEGIDA nannte und einmal wöchentlich Kundgebungen und Abendspaziergänge organisierte. Eine Woche vorher hatten mir vor der Hofkirche junge Passanten erklärt, die vorbeilaufenden Demonstranten seien „von Pegida“ und „rechts“. Als ich sie fragte, was sie selbst denn seien, erklärten sie mir, sie seien „Anti-Pegida“. Über Pegida wussten sie nur, dass sie „gegen Islamisierung“ sei. Das hatte mich neugierig gemacht. Heute sollte die Weihnachtsfeier unserer Landeszentrale für politische Bildung stattfinden. Ich rief meine Kollegin an, entschuldigte mich, zitierte Bert Brecht: “Genosse, lass Dir nichts einreden, sieh selber nach!“ und reihte mich in die große Schar der Pegida-Demonstranten ein.
PEGIDA – Demokratie von unten
Die Protestbewegung PEGIDA ging von keiner Partei aus, sondern von engagierten sächsischen Bürgern, hier wurde lehrbuchmäßig „Demokratie von unten“ praktiziert. Protagonisten waren und sind bis heute zur 250. Veranstaltung Lutz Bachmann, Siegfried Däbritz, Wolfgang Taufkirch u.a.
In der Friedlichen Revolution 1989 hatten Ostdeutsche sich mit Zivilcourage und großem Mut ertrotzt, was Westdeutschen von den Amerikanern 1945 geschenkt worden war, DDR-Bürgern aber die Verbrecher-SED seit 1945 vorenthielt – die Freiheitlich-demokratische Grundordnung samt Grundgesetz und Rechtsstaat.
Überzeugte Demokraten nutzen die im Grundgesetz verbürgten Rede-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheiten, um ihre berechtigten Interessen öffentlich zu äußern. Ostdeutschen Demokraten blieb damals nur die Straße, weil sie im öffentlichen Diskurs – weder in Medien, noch Politik – vorkamen, nicht beteiligt wurden und westdeutsches linkes Wohlfühlgelaber mit ihren konkreten Anliegen störten.
Es erfolgte sofort eine hasserfüllte Feindmarkierung Pegidas, weil öffentliche Kritik an der Merkel-Regierung, der Islamisierung Deutschlands und später der Grenzöffnung gesellschaftliche Tabus waren. Es galt, Merkels alternativloses und damit totalitäres „Wir schaffen das!“ – was nichts anderes hieß, als sich zu unterwerfen.
Mediale Diffamierung fand überregional, parteiübergreifend und ständig nach jeder Montagsdemo im „zwangsgebührenfinanzierten Staatsfunk“ (Mathias Döpfner) statt, wobei stets Teilnehmerzahlen heruntergerechnet, also gefälscht wurden und Spaziergänger selbst als „Rechte“ (das war noch milde) galten, später gar als „Nazis“.
Ex-Bundespräsident Joachim Gauck markierte Ostdeutsche als „Dunkeldeutsche“, den Westen malte er als „Helldeutschland“. Siegmar Gabriel (SPD) nannte aufmüpfige Bürger „Pack“, der Grüne Cem Özdemir fand die Beschimpfung „Mischpoke“ passend. Daraufhin unterschrieb ich meine Briefe mit „Euer Finsterling aus Dunkeldeutschland“. Ein Propagandafeldzug gegen den PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann ergänzte die gezielte Ächtung regierungskritischer Spaziergänger.
Es brach sich unter den Dresdner Demonstranten die Erkenntnis Bahn, sich nicht nur digital, sondern analog zu treffen, sich auszutauschen und damit gegenseitig zu unterstützen. Teilnehmer kamen hauptsächlich aus der bürgerlichen Mitte. Man traf Ältere, die schon 1989 auf den Straßen demonstriert hatten, weniger Jüngere. Männer waren in der Mehrzahl, viele Frauen begleiteten Söhne und Ehegatten. Man konnte zahlreiche politisch Verfolgte treffen, die in SED-Haft unschuldig gelitten hatten und erste Anzeichen drohender Diktatur, die sich als Pseudodemokratie tarnt, beobachteten. Pegida-Anhänger kamen mehrheitlich aus Sachsen und Thüringen – vereinzelt auch aus westlichen Bundesländern. Und ja, es schlossen sich friedliche Hooligans an, die beim abendlichen Auseinandergehen weibliche Pegida-Teilnehmer vor Gewaltangriffen und Überfällen der Antifa beschützten.
Und eine Islamisierung fand doch statt …
Ausgangpunkt waren die im Oktober 2014 in den Fußgängerzonen ganz Deutschlands (z.B. Celle, Hamburg, Dresden auf der Prager Straße) stattgefundenen Ausschreitungen von PKK-Anhängern und Salafisten. Die Bürger waren entsetzt, wollten keine islamischen Glaubenskriege auf deutschen Straßen dulden.
Dem wiederkehrend vorgebrachten Argument, 2014 habe der Ausländeranteil in Sachsen laut Statista nur 2,9 Prozent betragen, weshalb Pegida keine Daseinsberechtigung hätte, widersprachen ostdeutsche Demokraten mit ihrem offenen Straßenwiderstand. Musste man die abschreckenden Verhältnisse in NRW nun künftig im schönen Sachsen ertragen?
Inzwischen hat sich die islamische Bevölkerung auch in Sachsen mehr als verdreifacht. Es beweist, dass die Befürchtungen PEGIDAs ihre Berechtigung hatten. Wenn von Repräsentanten der Politik keine Abhilfe zu erwarten ist, muss der mündige Demokrat initiativ werden und auf der Straße seine Anliegen vortragen.
Angelika Barbe
Foto: Privat
Pegida war der Zeit voraus, hat das Wählerpotential der AfD mobilisiert und damit Nichtwählern eine Alternative zur gefühlten politischen Hilflosigkeit aufgezeigt.
Lebensdaten
Angelika Barbe (* 26. November 1951 als Angelika Mangoldt in Brandenburg an der Havel) war DDR-Oppositionelle, Gründungsmitglied der Sozialdemokratischen Partei in der DDR und für diese Abgeordnete in der letzten frei gewählten Volkskammer. Von 1990 bis 1994 war sie MdB und Mitglied des Parteivorstandes der gesamtdeutschen SPD, ab 1996 war Barbe CDU-Mitglied. Seit 2001 war sie Mitglied des Bundesvorstandes der Dachorganisation Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft e. V. (UOKG), bis Juli 2007 amtierte sie als stellvertretende Vorsitzende. Im Jahre 2000 wurde Angelika Barbe als Kandidatin für das Amt des sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen vorgeschlagen. Bis zu ihrem Ruhestand im Frühjahr 2017 war sie bei der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung tätig. In den 2010er Jahren näherte sie sich mehr und mehr der AfD an. Im Februar 2024 trat Barbe aus der CDU aus und der Partei Werteunion bei. (PI-News; Wikipedia)
Ruf nach Änderungen
Mobilisierungsvideo: PEGIDA Montagsdemonstration am 5.1.2015 in Dresden (Fritz Schneider; 3.1.2015; 1:45 min.)
»Seit Oktober 2014 demonstrieren in Dresden jeden Montag Tausende Menschen friedlich gegen die zunehmende Überfremdung unserer Heimat. Versammelten sich auf der ersten Montagsdemonstration noch 350 Teilnehmer, so wuchs die Zahl von Demonstration zu Demonstration auf zuletzt 20.000. Während der Ruf nach Änderungen immer lauter wird und sich die Proteste auf andere Städte ausweiten, folgt von der Politik bislang nur Diffamierung. Darum gehen auch im neuen Jahr auf die Straße. Los geht’s am 5. Januar 2015 um 18:30 Uhr an der Cockerwiese. Mehr Infos im Netz gibt’s unter http://pegida.de«
Merkel & Co. über Pegida
„Pegida“-Demo: Reaktionen aus der Politik am 16.12.2014 (Phoenix; 5:55 min.)
»Reaktionen aus der Politik zur „Pegida“-Bewegung, u.a. mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), Cem Özdemir (Grüne, Parteivorsitzender), Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke), Yasmin Fahimi (SPD) und Wolfgang Bosbach (CDU).«
Letzte Großdemo
Live | 10 Jahre PEGIDA in Dresden Sachsen! Letzte Großdemo mit AfD Rednern! + Gegenprotest (Utopia TV Deutschland; 20.10.2024; 4:19:22 Std.)
»Am Sonntag, dem 20. Oktober 2024, ging Pegida zum 250. Mal auf die Straße.«