Bahnbrechende Bücher
Der erste seiner Art
Javier Milei glaubt an die Individuen, an die spontane Ordnung und er regiert Argentinien. Prof. Dr. Philipp Bagus stellt hier den ersten liberal-libertären Präsidenten der Welt und in seinem Buch „Die Ära Milei“ vor.
Der Gegenwart. — 19. September 2024
Milei ist ein Anarchokapitalist. Für ihn sind Steuern Raub. Er wettert gegen die Polit-Kaste. Er glaubt an die Individuen, an die spontane Ordnung, Zivilgesellschaft und Selbstregierung. Ohne Mehrheit im Parlament, mit den Altlasten der vorherigen Regierung und einem bankrotten Staat, bekämpft von Peronisten und Gewerkschaften, bläst Milei der Wind ins Gesicht.
Javier Milei ist der erste „liberal-libertäre“ Präsident der Welt. Er bezeichnet sich als Anarchokapitalisten. Seine libertäre Revolution strahlt über Lateinamerika bis nach Europa. Die vor Milei stehenden Aufgaben sind gewaltig. Die Inflation liegt bei 140 Prozent. 18,5 Millionen Argentinier sind arm. Er hat keine Mehrheit im Parlament. Was sind aber seine Ideen, die ihn im peronistischen Argentinien wundersam an die Macht spülen konnten?
In der liberalen Denktradition gibt es verschiedene Strömungen. Gemein ist den liberalen Strömungen, daß sie zivile, politische und ökonomische Freiheiten verteidigen. Ferner setzen die liberalen Strömungen auf freie Märkte und sprechen dem Staat eine geringe Rolle in der Gesellschaft zu. Der Liberalismus stellt sich damit gegen Kommunismus, Nationalsozialismus, wie auch die heutigen Wohlfahrtsstaaten.
Worin unterscheiden sich nun die liberalen Strömungen? Zunächst ist der klassische Liberalismus eines John Locke, Adam Smith oder Wilhelm von Humboldt zu nennen. Der klassische Liberalismus lehnt staatliche Eingriffe in die Wirtschaft ab. Die Freiheit des Individuums ist nicht zu beschränken, auch nicht vom Staat.
Ein Minimalstaat für die Verteidigung der Eigentumsrechte
Moderne Vertreter des klassischen Liberalismus wollen einen Minimalstaat, der von Ferdinand Lasalle auch abwertend als Nachtwächterstaat tituliert wurde. Ein Minimalstaat ist nur für die Verteidigung der Eigentumsrechte zuständig. Er gewährt innere und äußere Sicherheit durch Polizei, Justiz und Armee. Nur für diesen Zweck sind Steuern legitim. Weder Bildung, Gesundheit, Renten oder Bedürftigenhilfe sind Aufgabe des Staates. Diese Bedürfnisse können besser und billiger im Wettbewerb von der Zivilgesellschaft bereitgestellt werden. Zu den liberalen Vertretern des Minimalstaats zählen Denker wie Ludwig von Mises, Robert Nozick oder Ayn Rand.
Vom klassischen Liberalismus setzt sich der Neoliberalismus ab, der von den Teilnehmern des Colloque Walter Lippmann, einem Treffen von Liberalen in Paris 1938, getauft wurde. Der Neoliberalismus ist Gegner der totalitären Strömungen. Er bekämpft den Sozialismus. Jedoch sieht er den Laissez-faire-Ansatz des klassischen Liberalismus, einen Minimalstaat, als nicht zielführend. Vielmehr fordert der Neoliberalismus einen starken Staat, der Rahmenbedingungen setzt und so das ökonomische Leben lenkt. Zudem solle der Staat eine soziale Grundsicherung bereitstellen. Monopol- und Kartellbildung habe er zu untersagen. Die Chicago-Schule und der deutsche Ordoliberalismus sind dem Neoliberalismus zuzuordnen. Klassische Liberale wie der österreichische Ökonom Ludwig von Mises konnten dem Neoliberalismus wenig abgewinnen. In den 1950er Jahren sagte Mises: „Ich habe mehr und mehr Zweifel daran, ob es möglich ist, mit dem Ordo-Interventionismus in der Mont Pelerin Society zusammenzuarbeiten.“
Die Umdeutung des Liberalismus ist ein langer Prozeß
Nicht mehr zur liberalen Denkrichtung zählend ist der amerikanische Liberalism. Denn in den USA wurde der Begriff „Liberalism“ von den Gegnern des Liberalismus usurpiert und bedeutet dort so viel wie Sozialdemokratie. Die Umdeutung des Liberalismus ist ein langer Prozeß und geht auf John Stuart Mill zurück, für den Freiheit nicht nur Abwesenheit von physischem Zwang war, sondern auch Abwesenheit der „Tyrannei“ der öffentlichen Meinung und der Traditionen. Mill stellt sich damit gegen Religion, Tradition und soziale Normen. Dadurch wird der Staat von einer Gefahr für die Freiheit zu ihrem Gewährleister. Er muß Arbeiter und Konsumenten vor der Macht der Unternehmen schützen. Der Liberalism amerikanischer Prägung schafft einen großen Steuer- und Umverteilungsstaat.
Milton Friedman oder der lange in den USA lebende Friedrich August von Hayek benutzten in der englischen Sprache daher nicht mehr das Wort „liberal“, sondern gingen zum Begriff „libertarian“ über. In Europa hat das Wort „liberal“ noch seine ursprüngliche Bedeutung, wenn auch hier immer mehr und mehr Personen den Begriff „Libertäre“ verwenden, um die konsequenteren und radikaleren Liberalen zu beschreiben; also jene, die den Staat radikal beschränken möchten oder jene, die ganz auf ihn verzichten wollen, die sogenannten Anarchokapitalisten.
Die Anarchokapitalisten lehnen die Existenz eines Gewaltmonopolisten grundsätzlich ab. Dafür führen sie ethische und ökonomische Gründe ins Feld. Aus ethischer Sicht erscheint die Initiierung von Gewalt gegen Unschuldige und die Gewaltandrohung zwecks Steuereintreibung nicht rechtfertigbar. Die ökonomischen Überlegungen lauten, daß Monopole, auch bei der Bereitstellung von Sicherheit, zu immer höheren Kosten und geringerer Qualität führen, weil der Monopolist nicht durch Wettbewerber diszipliniert wird, seinen Preis selbst bestimmt und sich nicht an Kundenwünschen zu orientieren braucht.
Alle sozialen Beziehungen freiwillig, gewaltfrei und ohne Zwang
Geht es nach den Anarchokapitalisten sollten alle sozialen Beziehungen freiwillig, gewaltfrei und ohne Androhung von Zwang geschehen. Der Staat bedeutet Anwendung systematischen Zwangs und ist daher nicht legitim. Er ist eine kriminelle Organisation. Steuern sind Raub. Statt Staat und Zwang wollen die Anarchokapitalisten Markt und Freiheit. Sie wollen nicht, daß Politiker sich anmaßen zu bestimmen, was zu tun ist, und keine Polit-Kaste, die sich bereichert. In der Zivilgesellschaft ist jeder selbst seines Glückes Schmied, dezentral. Vertreter des Anarchokapitalismus sind Murray Rothbard, David Friedman, Jesús Huerta de Soto und Hans-Hermann Hoppe.
Nun lassen sich Liberale indes nicht nur in Neoliberale, klassische Liberale und Anarchokapitalisten unterteilen, sondern auch hinsichtlich ihrer Rechts-Links-Orientierung. Die sogenannten Paleo- oder Rechtslibertären verbinden die libertäre Idee des freien Marktes mit einem kulturellen Konservatismus. Sie sind der Meinung, daß eine freie Gesellschaft neben der Freiheit gewisse kulturelle Werte braucht, um langfristig prosperieren zu können. Paleolibertäre verteidigen Institutionen wie die traditionelle Familie und die Religion, häufig in der Form der katholischen Kirche, die dem Allmachtsstreben des Staates Widerstand leisten. Konservative Werte, Moralvorstellungen, Konventionen und Traditionen werden als dem sozialen Zusammenhalt und Wohlstand förderlich angesehen. Rechtslibertäre erkennen, daß die Menschen von Natur aus ungleich sind, was zu natürlichen Hierarchien führt. Politisch empfiehlt der Rechtslibertäre Murray Rothbard daher einen rechten Populismus wie von mir in JF 37/23 genauer analysiert.
Viele Linkslibertäre unterstützen die LGBT-Bewegung
Im Gegensatz dazu stehen die Linksliberalen oder Lifestylelibertären. Sie lehnen traditionelle Hierarchien ab, weil sie die Menschen als fundamental gleich ansehen. Unterschiede zwischen den Menschen seien künstlich. Meist antiautoritär eingestellt, üben sie Kritik an gesellschaftlichen Konventionen. Besonders die Kirche stößt sie ab. Viele Linkslibertäre unterstützen die LGBT- und Frauenbewegungen. Sie sehen sich in erster Linie als Kosmopoliten und stehen dem Nationalstaat kritisch gegenüber. Einem hedonistischen Lebensstyl zugetan, schreiben sie die Verteidigung von zivilen Freiheiten, Gleichheit und Demokratie auf ihre Fahnen. Antidiskriminierungsgesetze, offene Grenzen und das Recht auf Abtreibung finden ihre Unterstützung.
Wo läßt sich nun Milei einordnen? Er bezeichnet sich als philosophischen Anarchokapitalisten. Für ihn sind Steuern Raub. Er wettert gegen die Polit-Kaste. Er glaubt an die Individuen, an die spontane Ordnung, Zivilgesellschaft und Selbstregierung. Obzwar er philosophisch und theoretisch ein Anarchokapitalist ist, findet er sich in der Praxis mit all ihren Zwängen und Widerständen mit einem Minimalstaat ab. Daher bezeichnet er sich eben als liberallibertär. In dieser Tradition steht auch seine Definition des Liberalismus: „Der Liberalismus ist die uneingeschränkte Achtung des Lebensentwurfs anderer, basierend auf dem Grundsatz der Nicht-Aggression, und in Verteidigung des Rechts auf Leben, Freiheit und Privateigentum.“
Sein Programm beinhaltet die Reduzierung und Beseitigung von Steuern, Privatisierungen, die Abschaffung der Zentralbank, freien Währungswettbewerb, Reduzierung von Ministerien und Staatsausgaben, Deregulierung und Freihandel. Milei ist sich bewußt, daß das Ziel des Minimalstaats nicht so schnell zu erreichen ist. Selbst Friedrich von Hayek und Milton Friedman sprachen sich für eine Mindestsozialhilfe aus. Auch für Milei wird es politisch unmöglich sein, die Sozialhilfe unmittelbar zu privatisieren. Ebenso setzt er im Bildungsbereich zunächst auf staatliche Bildungsgutscheine, die von Friedman ins Spiel gebracht worden waren.
Kulturkampf gegen den Kulturmarxismus
Kulturell läßt sich Milei eher dem Paleolibertarismus zuordnen. Zwar fiel er in der Vergangenheit nicht durch den Lifestyle und die Manieren eines konservativen Gentlemans auf. Zudem spricht er offen über liberale Forderungen wie die Drogenfreiheit. Dennoch ist sein Steckenpferd der Kulturkampf. Der Kulturkampf gegen den Kulturmarxismus, gegen die „zurdos de mierda“, die verdammten Linken. Kompromißlos kämpft er gegen Wokeness, Cancel Culture, Privilegien für LGTB-Gruppen und Feministinnen, die Klimahysterie und gegen Abtreibung. Passend dazu ist seine konservative Vize-Präsidentin Victoria Villarruel Tochter eines hochrangigen argentinischen Militärs. Milei möchte die Straßen sicher machen, sie von Vagabunden und Kriminellen befreien. Und auch die Einwanderung in die sozialen Netze Argentiniens einschränken. All dies ist im Einklang mit dem Rechtslibertarismus. Der Name eines seiner Hunde „Murray“ verdeutlicht seine Nähe zum Paleolibertären Murray Rothbard, dem „Mr. Libertarian“.
Die beste Beschreibung des argentinischen Präsidenten ist die eines philosophischen Anarchokapitalisten, der sich dem Kulturkampf gegen die Linken verschrieben hat. Wohin die Reise geht, ist in Argentinien klar. Ohne Mehrheit im Parlament, mit den Altlasten der vorherigen Regierung und einem bankrotten Staat, bekämpft von Peronisten und Gewerkschaften, bläst Milei der Wind ins Gesicht. Es ist nicht klar, wie weit er den Weg des Liberalismus beschreiten kann. Ein kultureller Umbruch in Richtung der Idee der Freiheit ist aber bereits geschafft. ■
Der Text von Prof. Dr. Philipp Bagus „Der erste seiner Art“ erschien am 22. Dezember 2023 in der Jungen Freiheit sowie am 12. Januar 2024 auf misesde.org. Wir danken herzlich dem Autor sowie der JF für die freundliche Erlaubnis zur Übernahme des Textes. Zwischenüberschriften wurden redaktionell bearbeitet.
Prof. Dr. Philipp Bagus
Foto: (c) Francisco Silanes/Verlag
Der Autor
Prof. Dr. Philipp Bagus ist Professor für Volkswirtschaft an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid. Zu seinen Forschungsschwerpunkten Geld- und Konjunkturtheorie veröffentlichte er in internationalen Fachzeitschriften wie Journal of Business Ethics, Independent Rewiew, American Journal of Economics and Sociology u.a. Seine Arbeiten wurden ausgezeichnet mit dem O.P.Alford III Prize in Libertarian Scholarship, dem Sir John M. Templeton Fellowship und dem IREF Essay Preis. Philipp Bagus ist ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des „Ludwig von Mises Institut Deutschland“. Er ist Autor eines Buches zum isländischen Finanzkollaps „Deep Freeze: Island’s Economics Collapse“ (mit David Howden; 2011). Sein Buch „Die Tragödie des Euro“ (2010) erscheint in 14 Sprachen. Weitere Bücher: „Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden ... und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen“ (mit Andreas Marquart; 2014); „Wir schaffen das – alleine! Warum kleine Staaten einfach besser sind.“ (mit Andreas Marquart; 2017) (misesde.org)
Das Buch
Philipp Bagus: Die Ära Milei. Argentiniens neuer Weg. Mit einem Vorwort von Javier Milei. Mit einem Nachwort von Markus Krall. 220 Seiten. Erscheint am 23.9.2024 im Langen Müller Verlag, München
»Als eine seiner ersten Amtshandlungen verringerte Javier Milei die Zahl der argentinischen Ministerien von 22 auf 9. Der exzentrische Polit-Quereinsteiger, der aus dem Nichts kam und die Verhältnisse im peronistischen Argentinien auf den Kopf stellte, ist der erste libertäre und bekennend anarcho-kapitalistische Präsident der Welt. Dieses Werk beleuchtet die Gründe für den wohl unglaublichsten Politikerfolg der jüngsten Vergangenheit. Doch was sind seine Ideen? Was ist Anarchokapitalismus? Wieso bezeichnet Milei das Konzept der sozialen Gerechtigkeit als zutiefst ungerecht? Wie Milei an die Macht kam, welche Allianzen er einging und welche Rolle der von ihm beschworene Kulturkampf auch global spielt, wird keinen Leser unberührt lassen. Ist Milei ein Rechtspopulist? Was kann Deutschland von ihm lernen? Ist ein neues Wirtschaftswunder möglich? Antworten liefert dieses Werk. ¡Viva la libertad!« (Verlagstext)
Ein wichtiges Buch, erscheint genau zur richtigen Zeit. Philipp Bagus erklärt seinen Lesern den atemberaubenden Befreiungsversuch Argentiniens vom Joch des Sozialismus durch Javier Milei, gibt theoretische Hintergründe, ordnet ein. Philipp Bagus ermutigt nicht zuletzt mit seinem Buch, von Milei zu lernen, ihm gleichzutun, den Freiheitskampf aufzunehmen. Großartig VIVA LA LIBERTAD CARAJO!
Javier Milei ist mit seinem Mut und seiner Gabe, liberale Ideen zu popularisieren, zum Vorbild für Liberale auf der ganzen Welt geworden. Philipp Bagus beleuchtet das Phänomen Milei in diesem Buch auf äußerst packende Weise. Alle, die das heutige Argentinien und Milei verstehen wollen, kommen nicht um diese Lektüre herum.
Olivier Kessler (Direktor Liberales Institut Schweiz)
Javier Milei und Philipp Bagus — Foto: Verlag
Der Präsident und der Autor
Javier Milei ist der erste libertäre und bekennend anarcho-kapitalistische Präsident der Welt. In unserer Neuerscheinung „Die Ära Milei. Argentiniens neuer Weg“ beleuchtet Philipp Bagus die Gründe für den wohl unglaublichsten Politikerfolg der jüngsten Vergangenheit. Der exzentrische Polit-Quereinsteiger kam aus dem Nichts und stellte die Verhältnisse im peronistischen Argentinien auf den Kopf. […] Der Erfolg gibt ihm recht. Mit dem gebeutelten Land geht es wieder aufwärts. Der Autor kennt den Präsidenten wie kein zweiter in seiner Zunft. Bagus vermittelte der Hayek-Gesellschaft den Kontakt zu Milei und begleitete ihn im Juni dieses Jahres zu der medial viel beachteten Verleihung der Hayek-Medaille nach Hamburg. Und so steuerte Milei auch das Vorwort zu dem Buch bei, in dem sich Bagus mit dem Werdegang Mileis, dessen Ideen und politischer Agenda beschäftigt. Dabei geht Bagus vielen Fragen nach. Was ist Anarchokapitalismus? Wieso bezeichnet Milei das Konzept der sozialen Gerechtigkeit als zutiefst ungerecht? Wie kam Milei an die Macht, welche Allianzen ging er ein und welche Rolle spielt der von ihm beschworene (globale) Kulturkampf? Ist Milei ein Rechtspopulist? Was kann Deutschland aus der politischen Entwicklung in Argentinien lernen?
Verlagsmitteilung, 19. September 2024