Widerspruch+Widerstand
Reconquête
Éric Zemmour würdigt Mozart und Marion Maréchal beschwört Karl den Großen für ein starkes, standhaftes Frankreich: Auftakt des Europa-Wahlkampfs mit einem Stimmungsbericht aus Paris.
Der Gegenwart. — 18. März 2024
»Frankreich hat ein Migrationsproblem. Banlieus in Flammen, Übergriffe auf Frauen und Kinder, die schweren Krawalle im letzten Sommer. Doch der Widerstand wächst. Die Partei Reconquête von Marion Maréchal und Éric Zemmour ist auf dem Sprung nach Brüssel. COMPACTTV-Reporter Paul Klemm war beim Wahlkampfauftakt in Paris.«
Quelle: „COMPACTTV: Frankreich: Sie will 1000-fache Remigration!“ ⋙ Link
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Politische Positionen
Marion Maréchal
Maréchal-Le Pen hat sich öffentlich dagegen gewehrt, als rechtsextrem bezeichnet zu werden. Im Gegensatz zu vielen Anhängern des Rassemblement National hat sie sich gegen die Todesstrafe ausgesprochen, allerdings für eine „wirklich lebenslange“ Gefängnisstrafe. Sie ist keine Gegnerin des gesetzmäßigen Schwangerschaftsabbruchs bei medizinischen oder sozialen Indikationen, lehnt aber die Kostenübernahme des Eingriffs durch die Krankenkassen ab, wenn dieser wiederholt erfolgt. Sie hat sich außerdem gegen die Gleichberechtigung eingetragener homosexueller Partnerschaften mit der Ehe ausgesprochen und an öffentlichen Demonstrationen dagegen teilgenommen.
Bei einer Veranstaltung der Action française bekannte sie, sie gehöre einer Generation an, die von den Werten der Republik „genervt“ sei, die „man uns ständig serviert und von denen man nicht weiß, was sie einfordern“. Die Republik habe für sie keinen Vorrang vor Frankreich, sie verteidige die Fünfte Republik, aber diese sei nur ein politisches System. Ihr Land sei Frankreich, das bereits Jahrhunderte vor der Französischen Revolution existiert habe. Charles Maurras, den historischen Anführer der Action française, bezeichnete sie – auch wenn sie nicht in allem mit ihm übereinstimme – als „politischen Denker ersten Ranges“.
Maréchal-Le Pen galt unter den Anhängern ihrer Partei als sehr beliebt, besonders im Süden Frankreichs zog sie bei Wahlveranstaltungen regelmäßig große Menschenmengen an. In den Augen ihrer Anhänger wurde sie auch als mögliche Nachfolgerin ihrer Tante Marine Le Pen gesehen; dabei wurden ihre Positionen oft als gegensätzlich zu den anti-europäischen Stellungnahmen Marine Le Pens und ihres damaligen Stellvertreters Florian Philippot interpretiert. (Wikipedia)
Éric Zemmour
Éric Zemmour gilt als einer der bekanntesten Exponenten der islamkritischen Rechten in Frankreich. Er sorgte wiederholt mit Äußerungen über arabische und schwarze Einwanderer für Aufsehen. Weiteres Aufsehen erregte seine sarkastische These, man müsse Molenbeek bei Brüssel bombardieren, wenn man die Terroristen treffen wolle, und nicht Rakka im fernen Syrien. Am Tag seiner Kandidatur erklärte Zemmour, keinen Unterschied mehr zwischen Islam und Islamismus machen zu wollen; beides sei für ihn dasselbe. Die Ermordung des Lehrers Samuel Paty hat er ebenfalls polemisch verarbeitet.
Den Feminismus bezeichnete Zemmour als „Vernichtungskrieg“ gegen den weißen heterosexuellen Mann, die Parität von Frauen und Männern, eine „positive Diskriminierung“, will er abschaffen. Zemmour behauptet, noch nie eine Frau getroffen zu haben, die intelligenter gewesen sei als er und beklagt eine Entmännlichung („dévirilisation“) der Männer. In der Familienpolitik fordert er, dass das Gesetz Eltern zur Wahl französischer Vornamen verpflichtet. Die französische Sprache sieht er durch die Einwanderung von Maghrebinern in Gefahr. Auch würden die öffentlichen Krankenhäuser „von einer aus der ganzen Welt hergekommenen Bevölkerung belagert“. Die Wiedereinführung der Todesstrafe befürwortet er aus philosophischen Gründen („philosophiquement favorable“).
Von der Bewegung der Gelbwesten sagte sich Zemmour los, als sich diese als unempfänglich für seine Forderungen erwies. Zemmour ist für wirtschaftlichen Protektionismus und spricht sich gegen den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen aus. Die Aufkündigung bestehender Verträge hingegen betrachtet er als undurchführbar. Während einer von Marion Maréchal organisierten „Zusammenkunft der Rechten“ (Convention de la droite) hielt Zemmour im September 2019 in Paris eine programmatische, den Kern seines Denkens aufzeigende Grundsatzrede. Darin prangerte er den sogenannten „Progressivismus“ als „immer ausgefeilteren repressiven Apparat der Kanalisierung und der Zensur“ an, dem die Justiz als Vollstreckerin diene, „um Dissidenten zu schikanieren und die einst schweigsame, jetzt gelähmte Mehrheit zu terrorisieren“. Dieser „Progressivismus“ diene zwei „Totalitarismen“, die „gleichzeitig Rivalen und Komplizen“ seien:
Wir sind also gefangen zwischen Hammer und Amboss zweier Universalismen, die unsere Nationen, unsere Völker, unsere Territorien, unsere Traditionen, unsere Lebensweise, unsere Kulturen zerstören: auf der einen Seite der Marktuniversalismus, der unsere Gehirne im Namen der Menschenrechte versklavt und sie zu entwurzelten Zombies macht; andererseits der islamische Universalismus, der sehr geschickt von unserer Menschenrechtsreligion profitiert, um […] Teile des französischen Territoriums zu besetzen und zu kolonisieren und sie allmählich, durch die schiere Kraft der Zahl und des religiösen Rechts, in ausländische Enklaven zu verwandeln, in das, was der algerische Schriftsteller Boualem Sansal […] „Islamische Republiken im Entstehen“ nannte. […] Früher bedeutete Einwanderung, aus dem Ausland zu kommen, um seinen Kindern eine französische Zukunft zu ermöglichen. Heute kommen Einwanderer nach Frankreich, um weiter wie in ihrem Herkunftsland zu leben. […] Sie verhalten sich also wie in einem eroberten Territorium, wie die Pied-noir in Algerien oder die Engländer in Indien: sie verhalten sich wie Kolonisatoren. […] In Frankreich wie auch anderswo in Europa werden alle unsere Probleme durch die Einwanderung verschärft […]. Und alle unsere Probleme, die durch die Einwanderung verschärft werden, werden durch den Islam verschärft. Es ist eine doppelte Gefahr. Wir leben unter der Herrschaft eines neuen Hitler-Stalin-Paktes. Unsere beiden Totalitarismen haben sich zusammengeschlossen, um uns zu zerstören, ehe sie sich gegenseitig in Stücke reißen.
Zemmour fordert dezidiert ein „katholisches Frankreich“ und verweist dabei auf Polen, das den Katholizismus konsequent verteidige. Zemmour nahm im September 2021 auf Einladung von Ungarns Premier Viktor Orbán in Budapest an einem internationalen „Gipfel zur Demographie“ teil und sagte aus diesem Anlass, Orbán habe die Entwicklung der Welt verstanden, er verteidige die Identität seines Landes und Europas.
Zemmour hat sich zugunsten einer Abschaffung von französischen Gesetzen geäußert, die Holocaustleugnung sowie rassistische und antisemitische Äußerungen unter Strafe stellen. Für Empörung unter Frankreichs Juden sorgte Zemmours implizite Aussage beim Fernsehsender France 2 im September 2021, dass die jüdischen Opfer der Anschlagsserie in Midi-Pyrénées im März 2012 keine echten Franzosen gewesen seien, weil deren Angehörige entschieden hatten, sie in Israel zu beerdigen.
Ein Meinungsartikel in der linksliberalen israelischen Zeitung Haaretz beschrieb Zemmour im Oktober 2021 als „viel schlimmer als Donald Trump“ und als den „jüdischen Erben einer besonders bösartigen Form des antisemitischen Nationalismus in Frankreich“. Der Philosoph Alain Finkielkraut empfiehlt hingegen: „Wir sollten Zemmour nicht verteufeln. Wir sollten die Probleme lösen, die er anspricht.“ Der Philosoph Michel Onfray sagte über ihn: „Zemmour ist kultiviert, fleissig, intelligent und ein hervorragender Debattierer.“
Zuspruch erhält Zemmour auch von der Journalistin Élisabeth Lévy, die mit Finkielkraut und anderen das rechtsaußen positionierte Magazin Causeur herausgibt. Simone Rodan-Benzaquen, Geschäftsführerin des American Jewish Committee in Europe, beklagt, dass Zemmours Kampagne die Glaubwürdigkeit ihrer Arbeit gegen islamistischen Antisemitismus untergräbt. Der Historiker Serge Klarsfeld forderte Zemmour 2021 auf, sich im Ton zu mäßigen. (Wikipedia)
Die Wahlkampf-Reportage
Frankreich: Marion Maréchal will 1000-fache Remigration! (COMPACTTV vom 17.3.2024; 20:33 min.)
Partei & Personen
Marion Maréchal (* 10. Dezember 1989 in Saint-Germain-en-Laye), die bis Mai 2018 unter dem Nachnamen Maréchal-Le Pen auftrat, ist eine französische Politikerin. Die Enkelin des Parteigründers Jean-Marie Le Pen und Nichte von Marine Le Pen war von 2012 bis 2017 für das Département Vaucluse Abgeordnete für die Partei Rassemblement National in der Nationalversammlung. Bei der Präsidentschaftswahl 2022 unterstützte sie Eric Zemmour, den Konkurrenten ihrer Tante. (Wikipedia)
Éric Zemmour (* 31. August 1958 in Montreuil bei Paris) ist ein französischer Politiker, Journalist und Autor. Seine Stellungnahmen zur Sicherheits- und Migrationspolitik bilden den Kern seines Diskurses. Er bedient sich eines polemischen Stils. Zemmour kandidierte bei der französischen Präsidentschaftswahl 2022, schied aber im ersten Wahlgang aus dem weiteren Rennen aus. (Wikipedia)
Nicolas Bay [im Foto links] (* 21. Dezember 1977 in Saint-Germain-en-Laye, Département Yvelines) ist ein französischer Politiker der Partei Reconquête. Er ist seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments. Er war von 2014 bis 2017 Generalsekretär, anschließend bis 2018 stellvertretender Vorsitzender der Front National und ist seit Februar 2022 stellvertretender Vorsitzender von Reconquête. Im Europäischen Parlament war er von 2017 bis 2019 Ko-Vorsitzender der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit und von 2019 bis 2022 stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Identität und Demokratie. Seit Februar 2023 ist er Teil der Fraktion Europäische Konservative und Reformer. (Wikipedia)
Guillaume Peltier [im Foto rechts] (* 27. August 1976 in Paris) ist ein französischer Politiker. Er absolvierte die Universität Paris-Sorbonne, war Lehrer, Kommunikationsberater, politischer Kolumnist und Mitglied verschiedener politischer Gruppierungen. Er wurde Bürgermeister von Neung-sur-Beuvron, Präsident der Gemeinschaft der Gemeinden des Sologne des tangs (2014 bis 2017), Abgeordneter im 2. eWahlkreis Loir-et-Cher und auch 2021 zum Abteilungsrat von Loir-et-Cher im Kanton Chambord gewählt. Von 2019 bis Dezember 2021 bekleidete er Positionen an der Spitze der Les Républicains. Im Jahr 2022 schloss er sich Eric Zemmour für seine Präsidentschaftskampagne an und wurde der Sprecher des Kandidaten sowie der Vizepräsident von Reconquête. (Wikipedia)
Logo du parti Reconquête! d'Eric Zemmour
Illustration: Parti Reconquête!/Wikimedia
Reconquête (Eigenschreibweise: Reconquête!; kurz R! oder REC; deutsch Rückeroberung) ist eine Partei in Frankreich, die im Jahr 2021 von Éric Zemmour gegründet wurde.
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Die Nation ist der größte gemeinschaftliche Kreis den es gibt. Sie ist der Gipfel der Hierarchie der politischen Ideen. Von allen starken Realitäten ist sie die stärkste.
Charles Maurras
Lebensdaten
Charles Maurras (* 20. April 1868 in Martigues; † 16. November 1952 in Tours) war ein französischer Schriftsteller und politischer Publizist. (Wikipedia)