
Tonkunst und Geräusche
Sex Pistols
Die Punk-Band lehnte das Etikett Punk für sich ab, wurde in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen und der Rolling Stone listete sie auf Rang 60 der 100 größten Musiker aller Zeiten.
Der Gegenwart. — 17. April 2023
Ich hätte nie gedacht, dass ich den Tag erleben würde, an dem die Rechten die Coolen sind, die dem Establishment den Mittelfinger zeigen, und die Linken die wehleidigen, selbstgerechten Trottel, die alle beschimpfen.
Die Ursprünge der Band reichen zurück bis in das Jahr 1973, als die Collegefreunde Steve Jones, Paul Cook und Warwick Nightingale beschlossen, mit gestohlenem Equipment eine Band zu gründen. Im Juni 1974 stieß Glen Matlock als fester Bassist dazu, und die noch namenlose Gruppe hatte in dieser Besetzung Anfang 1975 ihren ersten Auftritt auf einer Party.
Im Juni 1975 wurde Gitarrist Nightingale, der den ersten eigenen Song Did You No Wrong geschrieben hatte, aus der Band geworfen, Steve Jones wechselte vom Gesang zur Gitarre, und ein neuer Sänger wurde Ende August 1975 in John Lydon gefunden.
Sex Pistols (1975–1977)
Die Band verbrachte den Herbst mit intensiven Proben und trat am 5. November 1975 unter dem neuen Namen Sex Pistols zum ersten Mal auf. Der Großteil des Songwritings wurde von Glen Matlock übernommen, während es Steve Jones’ Aufgabe war, Matlocks Ideen zu möglichst knappen und aggressiven Arrangements zu komprimieren. John Lydon übernahm das Schreiben von Texten (bis auf den Song Pretty Vacant, der komplett von Glen Matlock stammt).
Nach ihrem Auftritt am „100 Club Punk Festival“ (September 1976) bekamen sie einen Vertrag bei der Plattenfirma EMI. Ihre erste Single Anarchy in the U.K. erschien im November 1976. Nach einem provokativen Fernsehauftritt auf ITV zog EMI die Single zurück und kündigte am 6. Januar 1977 den Vertrag mit der Band. Wegen ständiger Querelen mit John Lydon verließ Glen Matlock im Februar 1977 die Gruppe und wurde durch Sid Vicious ersetzt, der zwar das passende Image hatte, aber als Bassist nur rudimentäre Kenntnisse vorzuweisen hatte. Folgerichtig wurden im Studio die Bassläufe vom Gitarristen Steve Jones eingespielt.
Die zweite Single, God Save the Queen, sollte zuerst bei A&M, wo die Band seit 10. März unter Vertrag war, erscheinen. Die Single wurde noch vor der Veröffentlichung wieder eingestampft und auch dieser Vertrag vom Label aufgelöst. Reich an Abfindungen, aber ohne erhältliche Plattenveröffentlichungen, unterschrieb die Band schließlich bei dem eigentlich verhassten Hippie-Label Virgin, wo am 27. Mai 1977 God Save the Queen noch rechtzeitig zum silbernen Thronjubiläum der Queen veröffentlicht wurde. Die Single wurde angeblich die Nummer 1 der englischen Charts, wurde aber auf den offiziellen Listen, angeblich wegen royalistischer Loyalität der Verantwortlichen, nur auf Platz 2 geführt. Die Single erlangte auch eine Menge Aufsehen, als die Band sich zum Geburtstag der Queen 1977 ein Boot mietete (welches ausgerechnet „Queen Elizabeth“ hieß), auf dem sie mitten auf der Themse vor Journalisten und geladenen Gästen in voller Lautstärke ein Konzert gab. Das Boot wurde von der Wasserschutzpolizei aufgebracht und die meisten der Passagiere verhaftet, die Band selbst konnte jedoch entkommen. Die Publicity rächte sich jedoch in den folgenden Wochen, als Mitglieder der Band von Royalisten überfallen wurden.
Um der aufgeheizten Stimmung in England zu entkommen, gingen die Sex Pistols auf eine kurze Skandinavien-Tour. Eine England-Tour folgte, allerdings unter dem Pseudonym SPOTS (Sex Pistols On Tour Secretly), um Auftrittsverbote zu umgehen. Im November 1977 erschien das einzige Studioalbum Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols. Eine Klage wegen angeblicher Obszönität des Titels wurde abgewiesen.
In der britischen Gesellschaft der 1970er-Jahre war die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg noch sehr präsent. Aus diesem Grund griffen die Sex Pistols – wie auch andere Punkbands – bei ihrem Versuch zu provozieren auch auf Nazi-Symbolik zurück, zum Beispiel mit dem Tragen von Hakenkreuzen. Obwohl heute klar ist, dass die Band zu keiner Zeit der nationalsozialistischen Ideologie anhing, wirken diese Irritationen bis heute fort; so zog das Unternehmen Bell Canada im Jahr 2007 eine Werbekampagne zurück, in der eine Anstecknadel mit dem Titel des Sex-Pistols-Songs Belsen Was a Gas (dt. etwa Bergen-Belsen war ein Spaß!) zu sehen war.
Nach einigen Konzerten in den Niederlanden – dem Anfang einer geplanten multinationalen Tournee – machte sich die Band im Dezember 1977 auf eine Never-Mind-the-Bans-Tour durch Großbritannien. Von acht geplanten Terminen wurden vier wegen Krankheit oder politischem Druck abgesagt. Am Weihnachtstag spielten die Sex Pistols zwei Shows bei Ivanhoe's in Huddersfield. Vor dem regulären Abendkonzert gestaltete die Band eine Benefiz-Matinee für die Kinder von „Feuerwehrleuten aus der Gegend, entlassenen Arbeitern und Ein-Eltern-Familien“. Sie spielten sechs Titel und ließen wegen der Kinder die unanständigen Worte weg. Dies waren die letzten britischen Auftritte der Band für mehr als 18 Jahre.
Auflösung (1978)
Anfang 1978 gingen die Sex Pistols auf USA-Tournee, an deren Ende Johnny Rotten nach einem Zerwürfnis mit dem Manager Malcolm McLaren die Band verließ. In der Folge hielt der Rest der Band noch kurze Zeit zusammen, bevor man sich endgültig trennte.
Nach den Sex Pistols
Rotten, der sich wieder Lydon nannte, gründete Public Image Ltd. (1978–1992), Jones und Cook die Band The Professionals (1979–1982). Davor hatten sie versucht, zusammen mit Jimmy Pursey, dem Sänger von Sham 69, in einer Band namens Sham Pistols zu spielen, was aber sehr bald scheiterte.
Malcolm McLaren verarbeitete die Bandgeschichte in dem teils fiktiven, teils autobiographischen Mockumentary-Film The Great Rock ’n’ Roll Swindle, mit dem er die Einnahmen der Band aufbrauchte. Er wurde in den 1980er-Jahren von den überlebenden Bandmitgliedern erfolgreich verklagt. Später nutzte er die Anfänge von Rap und Hip-Hop für eine Solokarriere.
Glen Matlock gründete die Rich Kids (1977–1979). Sid Vicious strebte eine Solo-Karriere an. Mit seiner Version des Frank-Sinatra-Songs My Way konnte er sogar Charterfolge verbuchen. Ende 1978 wurde er in New York angeklagt, seine Freundin Nancy Spungen ermordet zu haben, starb aber vor den Verhandlungen am 2. Februar 1979 an einer Überdosis Heroin.
Am 25. Dezember 1979 spielten Steve Jones und Paul Cook zusammen mit Billy Idol (Gesang) und Martin Glover (Bass) im Rahmen einer Weihnachtsfeier im Londoner Studio 21 vier Songs live (Slippin And Slidin/Roadrunner/No Fun/Bodies), wobei sie vom Veranstalter Jock McDonald als Sex Pistols angesagt wurden. 1986 veröffentlichte McDonald ein Bollock-Brothers-Studioalbum 77-78-79, von dem er fälschlicherweise behauptete, dass es sich um eine Aufnahme dieses letzten „Sex Pistols“-Auftritts handelte.
Reunion (seit 1996)
Am 16. März 1996 gaben die vier Originalmitglieder der Sex Pistols eine Pressekonferenz in London und verkündeten die Absicht, wieder gemeinsam auftreten zu wollen. Es folgte eine Welttournee (72 Konzerte zwischen Juli und Dezember 1996), nach der sich die Band wieder trennte.
Am 27. Juli 2002 gaben die Sex Pistols ein Konzert zum 50. Thronjubiläum der Queen, am 14. September 2002 folgte ein Festivalauftritt in Kalifornien. Im August und September 2003 gaben sie elf Konzerte in den USA und Kanada.
Am 13. März 2006 wurden sie gegen ihren Willen offiziell in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Die Band lehnte die Teilnahme an der Zeremonie strikt ab.
Im Juni 2007 gingen John Lydon, Steve Jones und Paul Cook mit dem Produzenten Chris Thomas ins The Boat Recording Studio in Los Angeles und nahmen neue Studioversionen der Songs Anarchy in the U.K. und Pretty Vacant für das Videospiel Guitar Hero III auf.
Zum 30. Jubiläum des Albums Never Mind The Bollocks absolvierten die Sex Pistols im Oktober und November 2007 acht Auftritte in Los Angeles und Großbritannien. Eines der Konzerte wurde von Regisseur Julien Temple gefilmt und unter dem Titel Sex Pistols – There'll Always Be An England als DVD veröffentlicht.
Gegenüber dem Journalisten Clive Prior (MOJO-Magazin, Januar 2008) schlossen John Lydon und Steve Jones die Möglichkeit eines neuen Studioalbums nicht mehr aus. Steve Jones: „Ich persönlich würde gerne ein paar neue Songs aufnehmen. Ich dränge schon seit Jahren darauf. Ich denke, es könnte bald soweit sein.“ John Lydon: „Früher habe ich gesagt, dass ich nie wieder Material mit dieser Band aufnehmen werde. Aber wenn es weiter so gut läuft und wir uns weiterhin so gut verstehen, würde ich nicht mehr nein sagen, es ist nämlich echt aufregend.“ Paul Cook äußerte am 16. Januar 2008 gegenüber WENN.com: „Ein ganzes Album kriegen wir vielleicht noch nicht zusammen, aber es gibt rechtzeitig für den Sommer hoffentlich ein paar neue Sachen.“ John Lydon bestätigte gegenüber der Presse am 16. Juni 2008 nochmals die Möglichkeit eines neuen Studioalbums.
Im Sommer 2008 absolvierten die Sex Pistols eine Welttournee mit 31 Konzerten.
Im Jahr 2021 kam es zu einem Rechtsstreit zwischen den Mitgliedern Paul Cook, Steve Jones und John Lydon. Die Beziehung von Cook und Jones mit Lydon sei seit Jahren zerrüttet. Grund für den Rechtsstreit war der Plan von Regisseur Danny Boyle, eine TV-Serie mit dem Titel „Pistol“ über die Band zu drehen. Lydon hatte die Nutzung der Sex Pistols Songs verboten. Im September 2022 wurde die Serie im Streamingkanal Disney+ ausgestrahlt.
Würdigung
Die Sex Pistols gelten als eine der wesentlichen Bands des englischen Punk. Die Band selbst lehnte das Etikett „Punk“ für sich jedoch ab. Einfache Akkorde, gerade Basslinien, schnelles, hartes Schlagzeug, wie sie als Musikform noch bei heutigen Punk-Bands zu finden sind, wurden eher von anderen Bands wie den Ramones oder den Buzzcocks aus Manchester entwickelt.
Neben der Musik trugen besonders die provokanten Texte und das schockierende Auftreten der Sex Pistols dazu bei, dass Punk zur bestimmenden Musik- und Kulturbewegung der späten 1970er Jahre wurde und sie selbst zu deren Ikone. Der Rolling Stone listete die Pistols auf Rang 60 der 100 größten Musiker aller Zeiten.
Textgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Sex_Pistols
Cover des Albums „Never Mind the Bollocks, Here's the Sex Pistols“ aus dem Jahr 1977 — Repro: Wikimedia
Fakten & Daten
Die Sex Pistols sind eine der bekanntesten englischen Punk-Bands der zweiten Hälfte der 1970er Jahre. Die Mitglieder der Band sind John „Johnny Rotten“ Lydon, Steve Jones, Paul Cook und Glen Matlock, den in den Jahren 1977 und 1978 Sid Vicious ersetzte. Weitere wichtige Personen im Umfeld der Sex Pistols waren deren Manager Malcolm McLaren, der für sich in Anspruch nahm, die Band geschaffen und berühmt gemacht zu haben, die Designerin Vivienne Westwood, der Regisseur Julien Temple, der drei Filme über sie drehte, und der Grafiker Jamie Reid. Das einzige Studioalbum „Never Mind the Bollocks“ markiert den kommerziellen Durchbruch der Punk-Bewegung in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre. (Wikipedia)
Gründung: 1975, 1996, 2002, 2007
Auflösung: 1978, 2001, 2004, 2009
Gründungsmitglieder
Gesang: Johnny Rotten (John Lydon)
Gitarre: Steve Jones
Bass: Glen Matlock (bis 1977, seit 1996)
Schlagzeug: Paul Cook
Spätere Mitglieder
Bass: Sid Vicious (John Ritchie) (1977–1978)
Website SexPistolsOfficial.com ⋙ Link
Das einzige Studioalbum
Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols ist das einzige Studioalbum der britischen Band Sex Pistols. Es erschien am 28. Oktober 1977 beim Musiklabel Virgin Records in Großbritannien und wurde am 10. November 1977 in den USA veröffentlicht. Es wird dem Genre Punk zugerechnet und gilt als prägend für die Punkszene der späten 1970er-Jahre. Der Albumtitel verstärkte die Kontroverse, weil einige das Wort bollocks (Testikel) anstößig fanden. Viele Plattenläden weigerten sich, das Album zu verkaufen. In einigen Charts wurde es nicht aufgeführt, sondern stattdessen nur eine Leerstelle gezeigt.
In Großbritannien unterlag das Album dem, was der Autor Heylin als „krasse Zensurakte der Medien und des Einzelhandels“ bezeichnete. Die Londoner Polizei besuchte die Filialen von Virgin Record Stores in der Stadt und teilte den Verantwortlichen mit, dass sie wegen Unanständigkeit strafrechtlich belangt werden, falls sie weiterhin Plakate des Album-Covers in ihren Fenstern ausstellten. So sei es durch ein Gesetz von 1899 vorgeschrieben. Die Dekorationen wurden daraufhin entweder abgeschwächt oder entfernt. Am 9. November 1977 kündigte der London Evening Standard jedoch in seiner Schlagzeile Police Move in Punk Disc Shops („Polizeibewegung in Punk-Plattenläden“) an und berichtete, dass ein Virgin-Records-Shopmanager in Nottingham wegen Ausstellens des Albumcovers verhaftet wurde. Er hatte das Wort Bollocks nicht verdeckt.
Chris Seale, der Manager des Ladens, schien sich bereitwillig als Zielscheibe zur Verfügung gestellt zu haben. Er sagte, dass er bereits viermal von der Polizei besucht worden war und jedes Mal wieder Exemplare des Albums in den Schaufenstern ausstellte, nachdem sie gegangen war. Nach Seales Festnahme kündigte Branson an, dass er die Prozesskosten des Managers übernehme und den Kronanwalt John Mortimer als Verteidiger beauftrage. In der Zwischenzeit wurde versucht, mit Werbeanzeigen für Never Mind the Bollocks in Musikzeitungen das Thema zu politisieren. Sie zeigten Schlagzeilen in der Zeitung über die Sex-Pistols-Kontroverse, im Sinne von „Das Album wird bleiben. Die Umschlagsgestaltung nicht“.
Das Gerichtsverfahren gegen Seale wegen Obszönität fand am 24. November vor dem Amtsgericht in Nottingham statt. Mortimer stellte den Fall als Diskriminierung durch die Polizei vor. Während seines Kreuzverhörs mit Seale fragte er, warum die Zeitungen The Guardian und Evening Standard (die sich auf den Namen des Albums bezogen hatten) nicht wegen derselben Tat angeklagt worden waren. Als der Oberste Richter seine Fragestellung ansprach, gab Mortimer an, dass offensichtlich eine Doppelmoral im Spiel sei und Bollocks nur als obszön angesehen würden, wenn sie auf dem Titel eines Sex-Pistols-Albums erschienen. Mortimer führte einen sachverständigen Zeugen an, Professor James Kinsley, den Leiter der School of English an der University of Nottingham. Dieser argumentierte, dass das Wort Bollocks nicht obszön sei und ein legitimer Begriff der alten englischen Sprache sei, der sich früher auf einen Priester bezog, was im Zusammenhang damit Unsinn bedeutete. Rechtsanwalt Geoffrey Robertson, der zusammen mit Mortimer erschienen war, wies auf den Professor hin, der sagte, frühere englische Übersetzungen der Bibel verwendeten Bollocks, um sich auf Hoden zu beziehen. Dies wurde in der King-James-Version der Bibel durch das Wort Steine ersetzt. Rotten reichte Robertson einen Zettel mit der Aufschrift: „Keine Sorge, wenn wir den Fall verlieren, benennen wir das Album in Never Mind the Stones, Here’s the Sex Pistols um.“
Das Schlusswort des Vorsitzenden der Verhandlung:
So sehr meine Kollegen und ich die vulgäre Ausbeutung der niedersten Instinkte der Menschheit für die Erzielung von kommerziellen Gewinnen sowohl von Ihnen, als auch von Ihrem Unternehmen, aus tiefstem Herzen beklagen, müssen wir Sie widerwillig bei jedem der vier Anklagepunkte für nicht schuldig befinden.
Never Mind The Bollocks
Sex Pistols – Never Mind The Bollocks, Here's The Sex Pistols [Full Album] (HQ) (38:56 min.)
Sex Pistols' only studio album. Released on November 11, 1977.
Track List:
01 - Holidays In The Sun 0:00
02 - Bodies 03:23
03 - No Feelings 06:27
04 - Liar 09:18
05 - God Save The Queen 12:00
06 - Problems 15:19
07 - Seventeen 19:30
08 - Anarchy In The U.K. 21:34
09 - Submission 25:06
10 - Pretty Vacant 29:19
11 - New York 32:37
12 - EMI 35:42