
Essenz. Beiträge zur ganzen Wahrheit
Gravierende Folgen
der ideologisierten Politik
Die mittelständisch geprägte deutsche Wirtschaft befindet sich im freien Fall. Auf der Tagung „Rettet unsere Industrie“ wurden Gefahren für Arbeitsplätze und Wohlstand durch die katastrophale Energiepolitik deutlich benannt.
Der Gegenwart. — 25. Januar 2023
Die Akademie Bergstraße und die Initiative „Rettet unsere Industrie“ veranstalteten am 19. Januar 2023 eine Tagung, die von Tichys Einblick live aus dem Elysée Hamburg übertragen wurde, um auf gravierende Folgen der ideologisierten Politik hinzuweisen.
Die mittelständisch geprägte deutsche Industrie befindet sich im freien Fall. Durch eine katastrophale Energiepolitik, existenzbedrohende Umweltvorschriften, Fachkräftemangel, zusammenbrechende Lieferketten, eine verfehlte Geldpolitik und eine strangulierende Bürokratie.
Mehr und mehr Unternehmen müssen aufgeben, andere wandern ab. Der nicht umkehrbare Prozess der Deindustrialisierung gewinnt an Fahrt. Aus der Wirtschaft, vielfach von mittelständischen Unternehmern, sind zunehmend Stimmen zu hören, die sich mit dem Rücken an der Wand stehend sehen und teilweise nicht mehr wissen, ob sie und ihre Mitarbeiter die kommenden Monate überstehen werden. Dies abzutun als „die altbekannten Wohlstands-Klagen, um Vorteile zu erwirken“, ist mehr fahrlässig.
Vielmehr warnen diese Stimmen vor einer erbarmungslosen Politik, unter anderem auch vor der absurden Energiepolitik, die Millionen Arbeitsplätze, einen vielfach recht bescheidenen Wohlstand der Bevölkerung und die Freiheit in Gefahr bringt.
2023 droht ein katastrophales Jahr zu werden.
Die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist inzwischen nicht mehr einverstanden mit dieser zerstörerischen Politik, die immer mehr Betrieben in allen Branchen das Genick bricht. Längst sind nicht mehr nur energieintensive Branchen betroffen.
Programm der Tagung
Begrüßung: Henrik Paulitz
Einführung: Prof. Dr. Werner Patzelt
Moderation: Dietmar Grosser
Klima & Energie
Michael D. Shellenberger: „Klimarationalismus als Voraussetzung zur Bewahrung von Wohlstand, Demokratie und Freiheit“
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt: „Grundzüge einer strategischen Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik“
Stahl, Automobil & Zulieferer
Prof. Dr. Thomas Koch: „Maßnahmen zur Rettung der deutschen Automobilindustrie müssen umgehend erfolgen“
Dr. Hans-Bernd Pillkahn: „Überlebt die Metallindustrie das Energiedesaster?“
Chemie, Landwirtschaft & Nahrungsmittelsicherheit
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt im Gespräch mit Dr. Thomas Brokamp und Dr. Jochen Wilkens: „Chemieindustrie im Spannungsfeld von Energiepreiskrise, Gasversorgungskrise und europäischer Chemikalienpolitik (REACH)“
Anthony-Robert Lee: „Gewährleistung der Nahrungsmittelsicherheit durch eine Reform der Landwirtschaftspolitik“
Ökonomische Aspekte der aktuellen Krise
Podiumsgespräch Prof. Dr. Thomas Mayer mit Roland Tichy: „Energiekrise, Deindustrialisierung und Stagflation“
Forderungen an Brüssel und Berlin
Prof. Dr. Werner Patzelt: „Erläuterung des Abschluss-Kommuniqués 'Rettet unsere Industrie'“
Textgrundlage: https://www.youtube.com/watch?v=hRnPt40Rz-M
Referenten, Gesprächspartner und Moderatoren
Dr. Thomas Brokamp, Chemiker, ist Geschäftsführer und Vice President Befestigungssysteme der Bona Deutschland GmbH. (Foto: researchgate)
Prof. Dr. Thomas Koch ist Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und verantwortlich für die verbrennungsmotorischen Belange in den Bereichen Forschung, Lehre und Innovation. Zuvor war er 10 Jahre bei der Daimler AG in verschiedenen Positionen in der Nutzfahrzeugmotorenentwicklung tätig. In dieser Zeit war er maßgeblich an Wirkungsgrad-Verbesserungen und als Erfinder an über 70 Patenten beteiligt. Sein Interesse liegt in der weiteren Verbesserung der Eigenschaften des Verbrennungsmotors: „Die Vision lautet, dass der Verbrennungsmotor unter allen Betriebszuständen die typische Stadtluft von Immissionen reinigt.“ (Foto: KIT)
Anthony-Robert Lee bewirtschaftet die Domäne Möllenbeck, einen landwirtschaftlichen Musterbetrieb nahe Rinteln/Niedersachsen. Der examinierte Landwirt ist seit Juni 2021 Sprecher von „Landwirtschaft verbindet Deutschland“. In dieser Funktion weist er auf die Qualität, die Effizienz und die hohen Umweltstandards der hiesigen Landwirtschaft hin. Der Agrar- und Ernährungspolitik hält er immer wieder den Spiegel vor und fordert faire Wettbewerbsbedingungen. „Die Existenzen der Landwirte stehen auf dem Spiel. Deutschland wird sich bald nicht mehr selbst versorgen können. Die nächste Abhängigkeit droht.“
Prof. Dr. Thomas Mayer, CFA, ist Mitglied der CFA Society Germany und Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute mit Sitz in Köln. Zuvor war er Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe und Leiter von Deutsche Bank Research. Davor bekleidete er verschiedene Funktionen bei Goldman Sachs, Salomon Brothers, beim Internationalen Währungsfonds in Washington und beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Seit 2015 ist er Honorarprofessor an der Universität Witten-Herdecke. Zu seinen Buchveröffentlichungen zählen: „Europas Unvollendete Währung“ (2012), „Die Ökonomen im Elfenbeinturm“ (2014), „Die neue Ordnung des Geldes“ (2014) und „Die Ordnung der Freiheit und ihre Feinde" (2018).
Prof. Dr. Werner J. Patzelt war von 1992 bis zur Emeritierung 2019 Inhaber des Lehrstuhls für politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden. Seit September 2022 ist er Forschungsdirektor am MCC Brüssel, einem neu gegründeten Thinktank zur kritischen Analyse derzeitiger EU-Politik. Lange Jahre war er international tätig, etwa als Gastprofessor in Paris und Moskau sowie im Executive Committee der International Political Science Association. Mitglied der CDU seit 1994, betätigt er sich von jeher auch als Analytiker und Kommentator politischen Geschehens in Fernsehen, Hörfunk, Presse und sozialen Medien. Seine Publikationen umfassen u.a. 12 Monographien, 10 Sammelbände mit ausführlichen eigenen Beiträgen, gut 250 weitere Buchkapitel, über 100 Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften und über 400 publizistische Texte.
Henrik Paulitz ist Leiter der Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie- und Friedensforschung und Initiator der Initiative „Rettet unsere Industrie“. Der einstige Kritiker der Atomenergie hält angesichts fehlender Langzeitspeicher für Wind- und Solaranlagen und der harten CO₂-Minderungsverpflichtungen die weitere Nutzung der Kernenergie für unausweichlich, um die Versorgungssicherheit der Industrienation Deutschland zu gewährleisten. Er ist Autor u.a. der Bücher „Anleitung gegen den Krieg“ (2016), „Kriegsmacht Deutschland?“ (2018), „Strom-Mangelwirtschaft“ (2020), sowie „Strom-Abschaltungen und Blackout-Risiko“ (2022). Ferner erschien von ihm ein Buchbeitrag in: Herbert Niederhausen (Hrsg.) „Generationenprojekt Energiewende“ (2022).
Dr. Hans-Bernd Pillkahn studierte an der Technischen Universität Clausthal Hüttenwesen und promovierte dort. Er war 20 Jahre in der Metallindustrie als Betriebs- und Werksleiter, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied tätig, bevor er eine Ingenieurgesellschaft zur Entwicklung neuer Sekundärrohstoff-Aufbereitungstechniken gründete. Ergänzend betreibt er mit hochkarätigen Partnern ein Ingenieurbüro für zirkuläre Metallwirtschaft, das auch Kontrollorgane und Unternehmensleitungen zu Strategien der Rohstoff- und Energiesicherung berät. Dr. Pillkahn pflegt ein dichtes Netzwerk zu den Entscheidern der Metallwirtschaft, zu Verbänden, Forschungseinrichtungen und Behörden und ist Initiator und Vorstand des MUT Metall Unternehmertisch e.V.
Michael D. Shellenberger, Jahrgang 1971, ist ein amerikanischer Autor und seit über 30 Jahren als Klima- und Umweltaktivist tätig. In den 2000er Jahren setzte er sich für ein „neues Apollo-Projekt“ im Bereich der sauberen Energie ein, das zwischen 2009 und 2015 zu öffentlichen Investitionen in Höhe von 150 Milliarden Dollar in saubere Technologien führte. Für seine Arbeit wurde der Green Book Award Gewinner als „Hero of the Environment“ (Time Magazine), als „Umweltguru“, „Klimaguru“, „Nordamerikas führender Intellektueller für saubere Energie“ und „Hohepriester“ der Umweltbewegung bezeichnet. In seinem Buch „Apocalypse Never: Why Environmental Alarmism Hurts Us All“ (2020), tritt er leidenschaftlich für eine rationale Umweltpolitik ein und erteilt dem Öko-Alarmismus eine klare Absage.
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt war von 1991 bis 1997 Umweltsenator in Hamburg, danach wurde er Vorstand der Deutschen Shell für Erneuerbare Energien, 2002 gründete er als Vorstandsvorsitzender das Windanlagenhersteller REpower Systems AG und ab 2008 Geschäftsführer der RWE Innogy, der Erneuerbaren Sparte der RWE. Von 2012 bis 2019 war er Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung. 1998 wurde er zum Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg ernannt. Er ist Mitglied der Akademie der Technikwissenschaften Acatech.
Dr. Jochen Wilkens ist promovierter Naturstoffchemiker und seit mehr als 25 Jahren Geschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie e. V. Landesverband Nord und Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes ChemieNord. Darüber hinaus ist Herr Dr. Wilkens Geschäftsführer des Industrieverbands Gießerei Chemie, in dem bundesweit die Hersteller von Gießereichemikalien organisiert sind. Als Vorstandsmitglied des ChemCoast e. V. setzt er sich seit mehr als 20 Jahren für Infrastrukturprojekte zur Sicherung der Chemie-Küstenstandorte ein und dort seit 2012 insbesondere für den Ausbau einer klimaneutralen Wasserstoffinfrastruktur. Im europäischen Chemiearbeitgeberverband ECEG ist er Chairman der Working Group Competitiveness, Employment and Industrial Policy.
Moderator Dietmar Grosser war langjähriger Ressortleiter Wirtschaft der Thüringer Allgemeinen.
Moderator Roland Tichy: Der Journalist und Publizist Roland Tichy ist Chefredakteur des reichweitenstarken Online-Magazins Tichys Einblick. Zuvor war er in leitenden Positionen tätig u.a. für die Magazine Wirtschaftswoche, Handelsblatt und Capital. Von 2014 bis 2020 war er Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.
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Offener Brief an Roland Tichy
„Gegen die Idiotie des neu erweckten Malthus-Glaubens zu Felde ziehen!“
Von Andrea Andromidas. — 22. Februar 2023
Sehr geehrter Herr Tichy,
die Diskussionen und Beiträge, mit der Sie die Initiative „Rettet unsere Industrie“ mitgestaltet haben, habe ich eingehend verfolgt und vom Thema her außerordentlich begrüßt. Besonders die letzte Veranstaltung im Hamburger Elysee-Hotel präsentierte die ganze Breite der wirtschaftlichen Zerstörung. Von ausgezeichneten Fachleuten wurde eindrücklich demonstriert, wie besonders durch das jahrelange Treiben der Europäischen Kommission Zustände geschaffen wurden, die nun dazu führen, dass nicht nur Landwirtschaft und Autoindustrie dem freien Fall ausgeliefert sind, sondern durch die gescheiterte Energiewende besonders die Metallbranche überhaupt keine Zukunft hat und weite Teile des Mittelstands in den Bankrott getrieben werden.
Der Zuhörer fragt sich natürlich: Wo kommt dieser selbstverschuldete Niedergang her? Wer will das? Der Zuhörer erwartet eine belastungsfähige Analyse und Vorschläge für eine Lösung dieser bedrohlichen Situation. Vergeblich. Das Resümee überließen Sie dem Politologen Prof. Patzelt, der über „Stamokap“, Walter Ulbricht, die verwöhnte Jugend und ähnliches schwadronieren durfte. Na gut, dachte ich, geht nicht besser, wir kennen das ja.
Dann aber erweckte ein in Ihrem Meinungsmagazin „Tichys Einblick“ erschienener Artikel von Tomas Spahn mit der Überschrift „Im Dornröschenschlaft“ den Verdacht, dass diese oberflächliche Betrachtung nicht zufällig ist. Dort wurde dem Leser über drei lange Seiten erzählt, dass die gegenwärtige Krise schon mit den Umtrieben des Marxisten Rudi Dutschke begonnen habe und dass der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) – 50 Jahre nach seiner offiziellen Auflösung – nun doch noch gesiegt habe. Dazu kommt die steile These, dass die Wiedervereinigung Deutschlands entscheidend dazu beigetragen habe. „ Während sich die Liberalen und Konservativen an ihrem Pyrrhussieg berauschten“ sei eine Welle linksextremer Bestrebungen über das Land geschwappt. „Die Regierung Kohl ... prallte auf eine Front marxistischer Gegenwehr und scheiterte zuletzt ... an der Vereinigung ... mit der sozialistisch durchwirkten DDR.“!! Zusätzlich dickgedruckt: „Vorbild ist das Wirtschaftsmodell Chinas“.
Wozu diese Dornröschengeschichte? Ein erfundenes Narrativ für das hilflose Bürgertum, das in kollektiver Ohnmacht zuschaute, wie die Wohlstandsgesellschaft von Marxisten eingeschläfert wurde? Hilflos auch die „publizistischen Bollwerke des Bürgertums, einst angesiedelt im Axel-Springer-Verlag“, welche die marxistischen Thesen nur „nachäfften“? Weiße Eliten des Westens, die sich hilflos von Marxisten in den Sack stecken ließen?
Da Sie kein journalistischer Neuling sind, kann es nicht sein, dass Ihrem Haus die wahren Gründe der seit Jahren betriebenen „Großen Transformation“ ganz unbekannt sind. Wenn man tatsächlich erreichen will, dass die deutsche Industrie gerettet wird, muss man sich selbstkritisch und ehrlich mit der enormen politischen Veränderung befassen, die mit den Thesen von den Grenzen des Wachstums in unserer Gesellschaft Einzug hielt. Es kann nicht sein, dass Ihrem Haus der Malthusianismus des Club of Rome mit seiner extremen NATO-Präsenz kein Begriff ist und dass Sie nie etwas von der European Climate Foundation gehört haben, die den grünen Thesen mit Milliardenbeträgen eine sagenhafte Verbreitung in allen Institutionen verschaffte. Deren Vorsitzender war von 2013 bis 2018 kein anderer als Cajo Koch-Weser, ehemals auch Vize der Weltbank, Vize der Deutschen Bank (2006 – 2016) Finanzstaatssekretär der Bundesregierung (1999 – 2005) und Stiftungsrat des WEF. Marxist? Wohl kaum. Es kann nicht sein, dass Ihr Haus nie etwas vom Carbon Disclosure Projekt gehört hat, das im Jahr 2000 im Hause des Toni Blair aus der Taufe gehoben wurde und zu dessen ersten Finanziers nach Aussage seines damaligen Vorsitzenden Paul Dickinson, Zak u. Teddy Goldsmith und die Ted Turner Foundation gehörte. ( Alles Marxisten und Dutschke Fans? ) Es kann auch nicht sein, dass Sie ganz unbekannt sind mit den Netzwerken, die uns einst den Berater Prof. Dr. Schellnhuber bescherten, der schon vor mehr als zehn Jahren das Ende des Verbrennungsmotors, den Verzicht auf Beton, Plastik und die dramatische Einschränkung des Energieverbrauchs anempfohlen hat. Einer seiner Mentoren, der auch in Deutschland bekannte Lord Niklas Stern leitet noch heute „The Grantham Research Institute on Climate Change and the Evironment“ unter dem Dach der London School of Economics. (Alles Marxisten?) Wahrscheinlich kennen Sie auch die von der Mercator-Stiftung finanzierten Projekte Agora-Energiewende und Agora-Verkehrswende, die ständig überall zitiert werden und man kann auch davon ausgehen, dass Ihrem Haus die Propaganda des DAVOS FORUMs und seiner Klimakonferenzen nicht neu ist.
Rettet unsere Industrie! Was wäre nötig dazu?
Das eigentliche Drama unserer westlichen Gesellschaft ist wahrlich nicht der längst verstorbene Rudi Dutschke oder dessen Graswurzelnachkommen. Das eigentliche Drama ist der Umstand, dass mit der Gründung des Club of Rome der Malthusianismus in Deutschland abermals Einzug gehalten hat. Und nicht nur in Deutschland, denn es betrifft den ganzen Westen. Pfarrer Malthus (1766 – 1834) war der Inhaber des ersten Lehrstuhls für politische Ökonomie in England, der 1805 am College der Ost-Indien-Gesellschaft eingerichtet wurde. Malthus behauptete, dass die Wirtschaft es nie schaffen könne, eine wachsende Bevölkerung zu ernähren und dass deshalb eine Art Nullwachstum das Gebot der Politik sei. Besonders in der industriellen Entwicklungsperiode des 19. Jahrhunderts wurden diese Thesen von allen großen Forschern in Deutschland widerlegt und deshalb auch als unwissenschaftlich bekämpft. Der große Chemiker Justus von Liebig zum Beispiel, der Wesentliches für den Fortschritt der Landwirtschaft leistete, bekämpfte diese Nullwachstumsideologie mit spitzer Zunge, besonders auch in seinen Chemischen Briefen, die in viele Sprachen übersetzt auf der ganzen Welt Verbreitung fanden. Er bezeichnete sie als die Pestilenz des Jahrhunderts, die von den Kathetern der Universitäten verbreitet werde. Sein Zeitgenosse, der bedeutende Ökonom Friedrich List schreibt dazu:
Noch ist die Agrikulturchemie in ihrer Kindheit; wer kann dafür stehen, dass nicht morgen durch eine neue Erfindung oder Entdeckung die Ertragsfähigkeit des Grundes und Bodens um das Fünf- und Zehnfache vermehrt werden wird? ... Erscheint uns die Malthussche Lehre in ihrer Tendenz als eine beschränkte, so stellt sie sich in ihren Mitteln als eine naturwidrige, als eine Moral und Kraft tötende, als eine horrible dar. Sie will einen Trieb töten, dessen die Natur sich als des wirksamsten Mittels bedient, die Menschen zur Anstrengung ihres Körpers und Geistes anzuspornen und ihre edleren Gefühle zu wecken und zu nähren – einen Trieb, welchem das Geschlecht den größten Teil seiner Fortschritte zu verdanken hat. Sie will den herzlosesten Egoismus zum Gesetz erheben; sie verlangt, dass wir unser Herz gegen den Verhungernden verschließen, weil, wenn wir ihm Speise und Trank reichen, vielleicht in dreißig Jahren ein anderer statt seiner verhungern müsste. Sie will einen Kalkül an die Stelle des Mitgefühls setzen. Diese Lehre würde die Herzen der Menschen in Steine verwandeln. Was aber wäre am Ende von einer Nation zu erwarten, deren Bürger Steine statt Herzen im Busen trügen? Was sonst als gänzlicher Verfall aller Moralität und damit aller produktiven Kräfte und somit alles Reichtums und aller Zivilisation und Macht der Nation? 1)
Herr Tichy, wir werden die Errungenschaften unserer industriellen Entwicklung nicht verteidigen können, wenn wir den Kampf gegen diesen neuen Malthusianismus nicht aufnehmen, der unter dem Vorwand klimatischer Weltuntergangsgeschichten nicht als Graswurzelbewegung, sondern von der Spitze her die Gesellschaft vergiftet hat. Und wenn Sie sich scheuen, Ross und Reiter zu nennen, so sollten Sie wenigstens in scharfzüngiger deutscher Tradition gegen die Idiotie dieses von neuem erweckten Malthus-Glaubens zu Felde ziehen.
Mehr als Rudi Dutschke trug leider, gerade was die jüngere deutsche Geschichte angeht, Friedrich von Hayek zur Ausbreitung der Ideologie von den Grenzen des Wachstums bei. Er war nicht nur, wie jeder weiß, engagierter Antikommunist. Er war auch bekennender Malthusianer, woraus er in keiner Phase seines Lebens einen Hehl machte:
Sehen Sie, in den nächsten 20 Jahren soll sich die Weltbevölkerung erneut verdoppeln. Für eine Welt, die auf egalitäre Ideen gegründet ist, ist das Problem der Überbevölkerung aber unlösbar. Wenn wir garantieren, dass jeder am Leben erhalten wird, der erst einmal geboren ist, werden wir sehr bald nicht mehr in der Lage sein, dieses Versprechen zu erfüllen. Gegen die Überbevölkerung gibt es nur die eine Bremse, nämlich dass sich nur die Völker erhalten und vermehren, die sich auch selbst ernähren können. 2)
Simplistischer Antikommunismus ist wie jede simplistische Etikettierung kein guter Ratgeber in der gegenwärtigen Welt des Umbruchs.
Mit besten Grüßen
Andrea Andromidas
1) Friedrich List, Das Nationale System Politischer Ökonomie, 2. Buch, Elftes Kapitel
2) Interview mit Friedrich von Hayek aus Wirtschaftswoche Nr. 11, 1981
Andrea Andromidas, die Autorin des Offenen Briefs an Roland Tichy, ist Korrespondentin des Magazins Executive Intelligence Review (EIR) und des Schiller-Institut – Vereinigung für Staatskunst e.V. (Wiesbaden).
Wir danken der Autorin für die Erlaubnis zur Veröffentlichung. Die Überschrift „Gegen die Idiotie des neu erweckten Malthus-Glaubens zu Felde ziehen!“ wurde redaktionell ergänzt.
Die Tagung im Video
Tagung „Rettet unsere Industrie“: Tichys Einblick übertrug am 19. Januar 2023 die Tagung „Rettet unsere Industrie“ live aus dem Elysée Hamburg. Die Veranstalter der Tagung waren die Akademie Bergstraße und die Initiative „Rettet unsere Industrie“. (Video 4:52:30 Std.)
Die vollständige Dokumentation der Veranstaltung und die Links zu den einzelnen Vorträgen finden Sie auf der Tagungs-Website „Rettet unsere Industrie“: >>> LINK
Hintergrund
Siehe auch den Artikel zur „Datenbank Deindustrialisierung“: https://www.dergegenwart.de/z/datenbank-deindustrialisierung
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Nahezu jedes Produkt, das Sie kaufen, beinhaltet jede Menge, dringend benötigte Chemikalien. Nicht nur ohne energetische, auch ohne stoffliche Versorgungssicherheit ist ein modernes Leben in bescheidenem Wohlstand nicht möglich. Bis zu 40 oder sogar 50 Prozent der (Grund-)Chemikalien könnten aber von der EU im Rahmen einer geplanten Verschärfung der Chemikalienpolitik „REACH“ in Kürze verboten werden, mit der Folge, dass die industrielle Produktion im Mittelstand teilweise nicht mehr möglich wäre – mit entsprechenden Konsequenzen für Arbeitsplätze, Wohlstand, Sozialstaats-Finanzierung und (sozialem) Frieden. Über diese umfängliche Verbotspolitik der Europäischen Union wird hinter den Kulissen verhandelt, unter anderem mit EU-Kommissar Frans Timmermans, ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon erfährt. Wieder einmal sollen weite Teile von Politik, Wirtschaft, Arbeitnehmerschaft, Medien und Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen gestellt werden, ohne demokratisch über potenziell zerstörerische „Maßnahmen“ entscheiden zu können. Der Chemiker Prof. Dr. Fritz Vahrenholt erörterte diese Fragestellungen am 19. Januar 2023 in Hamburg bei der Tagung „Rettet unsere Industrie“ in einem Gespräch mit Dr. Jochen Wilkens, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes ChemieNord (Verband der Chemischen Industrie/VCI).
Henrik Paulitz (Akademie Bergstraße)