
Tonkunst und Geräusche
Tangerine Dream
Unverkennbar typisch sind die dynamisch-rhythmischen und repetitiven Synthesizersequenzen, breiten Klangteppiche und metallisch-digitalen Sounds der deutschen Elektronikpioniere.
Der Gegenwart. — 4. April 2023
Tangerine Dream gelten neben Kraftwerk als die wohl bedeutendsten Vertreter elektronischer Musik aus deutschen Landen. Sie kreierten den Begriff 'Kosmische Musik' und den Stil der sogenannten 'Berliner Schule' mit ausgedehnten, sich erst langsam entwickelnden Stücken, die auf verschiedenen rhythmischen Sequenzen aufbauen und sich ständig wiederholen. Der später auftauchende Begriff 'New Age' mit seiner vielfach kitschigen Überfrachtung wird dem Sound von Tangerine Dream nicht annähernd gerecht.
laut.de-Biographie Tangerine Dream
Tangerine Dream wurde im September 1967 von Edgar Froese gegründet. Der Bandname ist angelehnt an die Textzeile „Tangerine Trees and Marmalade Skies“ aus dem Lied Lucy in the Sky with Diamonds der Beatles. Eine der ersten offiziellen Besetzungen lautet: Volker Hombach (Saxophon, Flöte, Geige), Lanse Hapshash (Schlagzeug), Kurt Herkenberg (Bass) und Edgar Froese (Gitarre). Das erste Konzert gab Tangerine Dream im Januar 1968 in der Mensa der Technischen Universität Berlin; bereits kurz danach traten sie bei den Essener Songtagen auf, dem damals größten Musikfestival in Deutschland mit über 40.000 Besuchern.
Hart-rockende Gruppe mit Free-Jazz-Färbung
Zu diesem Zeitpunkt hatte Tangerine Dream mit elektronischer Musik noch nichts im Sinn. Zeitzeugen schrieben von einer „hartrockenden, aggressiven Gruppe mit Free-Jazz-Färbung“. Letztlich war es das 1968 mit Mitteln des Berlinförderungsgesetzes eingerichtete Electronic-Beat-Studio, das unter der Leitung des Avantgardekomponisten Thomas Kessler viele Berliner Gruppen kostenlos an den damals noch neuen Synthesizer heranführte. Anfang 1969 stieg Herkenberg bei T.D. aus und gründete mit Heiner Pudelko (späterer Sänger der Gruppe Interzone) und Alex Conti die Gruppe Curly Curve. Daraufhin spielte Froese mehrere Konzerte mit wechselnden Musikern, bis er 1969 auf Klaus Schulze traf, der zu diesem Zeitpunkt Schlagzeug bei der Berliner Formation Psy Free spielte. Besonders Schulzes Fähigkeit, einen ungewöhnlichen Rhythmus auch über einen längeren Zeitraum zu halten, bewog Froese dazu, ihn zu fragen, ob er bei Tangerine Dream einsteigen wollte.
Froese und Schulze suchten einen weiteren Musiker, den sie in Conrad Schnitzler fanden, einem damaligen Schüler des Objekt- und Aktionskünstlers Joseph Beuys. Mit dieser Formation entstand während einer Session in einem Privatstudio die Musik, die im Jahr 1970 unter dem Titel Electronic Meditation herauskam. Das Material war ursprünglich nicht für eine Veröffentlichung vorgesehen. Bei dieser Produktion kamen bis auf eine Farfisa-Orgel noch keine elektronischen Tasteninstrumente zum Einsatz. 1970 verließen Klaus Schulze und Conrad Schnitzler die Band bereits wieder. Schulze gründete Ash Ra Tempel (zusammen mit Manuel Göttsching und Hartmut Enke) und begann 1971 eine erfolgreiche Solokarriere, die ihn weltweit bekannt machen sollte.
Erste Single auf dem Ohr-Label
Christoph Franke, den Froese in Berlin kennenlernte, kam im Alter von 17 Jahren von Agitation Free zu Tangerine Dream. Franke studierte am Berliner Konservatorium Klassische Musik und Komposition. Das neue Trio ergänzte der Organist Steve Schroyder. Unter dem Titel Ultima Thule erschien 1971 auf dem Ohr-Label ihre erste Single.
In der Besetzung Froese, Franke, Schroyder entstand 1971 die LP Alpha Centauri. Außer den drei Musikern wirkten noch Udo Dennebourg an der Flöte und der damalige Roadmanager Roland Paulick am Synthesizer mit. Nachdem persönliche Probleme mit Steve Schroyder auftraten, wurde er 1971 durch den Berliner Peter Baumann ersetzt, der 1968 seine musikalische Karriere als Organist bei der Amateurband Burning Touch begonnen hatte. Mit dieser Zusammensetzung entstand die erste konstante Formation.
Plattenvertrag bei Virgin
Während Tangerine Dream auf den ersten beiden Alben noch herkömmliche Instrumente und elektronische Effekte einsetzten, benutzten sie erstmals auf der 1972 erschienenen Doppel-LP Zeit intensiv einen Synthesizer (EMS VCS 3), den sie ein Jahr zuvor gekauft hatten. 1973 veröffentlichen sie ihre vierte LP Atem. Diese fand vor allem auf den britischen Inseln größeren Anklang. Der englische DJ John Peel machte die Platte auf seiner BBC-Sendung zur „Platte des Jahres“. Dadurch wurde Richard Branson von Virgin Records auf Tangerine Dream aufmerksam. Wegen rechtlicher Differenzen mit dem Ohr-Label und der Tatsache, dass sie im Ausland mehr Beachtung als in Deutschland fanden, unterschrieben sie im Dezember 1973 einen Plattenvertrag bei Virgin.
Im Jahr 1973 verließ Baumann die Gruppe für kurze Zeit. Froese und Franke gingen mit neuem Material ins Studio. Das Ergebnis dieser Arbeit erschien jedoch erst 1986 auf dem Album Green Desert.
Die Virgin-Jahre
Die erste Veröffentlichung auf dem Virgin-Label war 1974 Phaedra. Die Platte kam bis in die britischen Top 20. Am 16. Juni 1974 fand im Londoner Victoria Palace ihr erstes Konzert im englischsprachigen Ausland statt. Es folgte eine dreiwöchige Tournee durch Großbritannien, auf der ihre Musik erstmals von einem sogenannten „Video-Synthesizer“ optisch unterstützt wurde. Ihre Konzerte bestanden zum größten Teil aus Improvisationen. Tangerine Dream hatten sich vorgenommen, kein Stück zweimal zu spielen.
Kurz vor einer Tournee, welche die Band im Frühjahr 1975 nach Australien und Neuseeland führte (wo sie ihre erste goldene Schallplatte erhielt), sprang Michael Hoenig (Agitation Free) für Peter Baumann ein. Baumann hatte die Band im Januar 1975 über Nacht verlassen, um mit dem Auto eine Reise durch Asien zu machen. Nach der Tour verließ Hoenig die Band wieder.
Nach Baumanns Rückkehr wurde das 1975 veröffentlichte Album Rubycon wieder in der Besetzung Froese, Franke und Baumann eingespielt. Auf dem Ende 1975 veröffentlichten Album Ricochet war erstmals Livemusik von Tangerine Dream zu hören, die während ihrer '75er Tournee durch Frankreich und England mitgeschnitten worden war.
Tangerine Dream wird rhythmischer
Die nächste LP Stratosfear erschien 1976. Erste Anzeichen dafür, dass Tangerine Dream rhythmischer geworden waren, bewies das Titelstück. Auf der darauf folgenden Europatournee durch Deutschland, Spanien, Frankreich, Schweiz und England stellten sie ihr neuestes Werk bei 31 Konzerten live vor, gefolgt von ihrer ersten, 16 Konzerte umfassenden USA-Tournee Anfang 1977.
Ebenfalls 1976 wurde der amerikanische Regisseur William Friedkin auf Tangerine Dream aufmerksam. Für sein Remake des Klassikers Wages of Fear (dt. „Atemlos vor Angst“) beauftragte er die Band, den Soundtrack Sorcerer zu schreiben. Ungewöhnlich war dabei, dass Friedkin, begeistert von dem Resultat, den Film nach der Musik umschnitt. Nach einer weiteren USA-Tournee im August 1977 veröffentlichte Tangerine Dream die Doppel-LP Encore. Auf ihr sind Aufnahmen der Frühjahrs-Tour durch Nordamerika enthalten.
Mit Gesang nicht die gewünschte Resonanz
Ende 1977 verließ Peter Baumann die Gruppe aufgrund künstlerischer Meinungsverschiedenheiten sowie persönlicher Probleme. Er widmete sich einigen Soloprojekten, bis er mit seinem Plattenlabel „Private Music“ 1988 wieder auf seine ehemaligen Kollegen traf. Die verbleibenden Mitglieder Froese und Franke gingen mit der nächsten Produktion ein gewagtes Experiment ein, indem sie den englischen Multiinstrumentalisten Steve Jolliffe engagierten, der zuvor bei der Bluesrockband Steamhammer gespielt hatte. Als Schlagzeuger wurde der Berliner Schlagzeuger (und Bruder von Ideal-Gitarrist F.J. Krüger) Klaus Krüger in die Band aufgenommen. Aus dieser Zusammenarbeit entstand 1978 das Album Cyclone, welches für Tangerine Dream untypisch war, da sie hier erstmals songähnliche Texte benutzten. Die anschließende ausgedehnte Tournee fand aufgrund der für Tangerine Dream ungewöhnlichen Instrumentierung und des Gesangs beim Publikum nicht die gewünschte Resonanz. Steve Jolliffe verließ demzufolge die Gruppe wieder.
Die zum Duo Froese/Franke geschrumpfte Formation brachte 1979 die LP Force Majeure auf den Markt. Wieder übernahm Klaus Krüger das Schlagzeug, bevor er mit Iggy Pop live wie im Studio zusammenarbeitete. Als weiterer Gastmusiker ist Eduard Meyer am Cello zu hören.
Besetzung mit drei Keyboardern
Froese und Franke wollten wieder in ihrer erfolgreichen Besetzung mit drei Keyboardern arbeiten. Allerdings suchten sie jemanden, der einen anderen Musikansatz als sie hatte und ein ausgebildeter Pianist war. Sie fanden ihn in dem Organisten Johannes Schmoelling.
Schmoelling wurde von einem Tonmeister empfohlen und, obwohl er nicht wusste, wer Tangerine Dream war und mit der Musik ursprünglich nicht viel anfangen konnte, sagte er der Gruppe zu. Ende 1979 spielte das Trio bereits ihre ersten Kompositionen, die schließlich 1980 unter dem Titel Tangram erschienen. Am 31. Januar 1980 traten Tangerine Dream als erste West-Berliner „Rockband“ in der DDR auf.
Im selben Jahr erschien ein Teil dieser beiden Konzerte im Palast der Republik in Ostberlin bei der DDR-Plattenfirma Amiga als LP unter dem simplen Namen Tangerine Dream, unterteilt als zwei Parts mit den Part-Bezeichnungen Quichote. 1986 wurde dieses Konzert dann bei Virgin als Pergamon Live ein zweites Mal offiziell herausgebracht.
Synthesizersequenzen und Klangteppiche
Stilistisch lassen sich die stilistischen Merkmale durch den im Arrangement vielfach gleichberechtigten Einsatz akustischer Instrumente (Gitarre, Saxofon, Flöte, Perkussion, gelegentlich Piano, Orchester usw.) und hin und wieder Gesang von anderen Protagonisten der „sinfonischen elektronischen Musik“ zuweilen gut abgrenzen. Seit den 1980er-Jahren wurden zumeist deutlich kürzere Musikstücke mehr in Strophe-Refrain-Interlude-Schemata veröffentlicht. Unverkennbar typisch sind ihre dynamisch-rhythmischen und repetitiven Synthesizersequenzen, breiten Klangteppiche und auch metallisch-digitalen Sounds.
Von experimentell bis Rock und Pop, 20-minütigen Kompositionen oder kurzer Liedform, von einfacher Drum-Rhythmik bis zu House-Stilistiken passte sich Tangerine Dream in einem gewissen Maße dem Zeitgeist an, behielt aber eine Konsequenz in der Atmosphäre und Ästhetik ihrer Musik. Die Konzerte waren und sind eine aufwendige Performance aus Ton, Licht und Videoprojektion.
Fast alles, was im Instrumentenmarkt für elektronische Klangerzeugung bedeutsam ist, verwendet Tangerine Dream und hat somit auch die Entwicklung elektronischer Musikinstrumente mit beeinflusst.
Ausschnitte mit Beschränkung auf die Gründung und die ersten Jahre aus dem umfangreichen und sehr detaillierten Text: https://de.wikipedia.org/wiki/Tangerine_Dream
Es gibt keinen Tod.
Nur einen Wechsel der kosmischen Adresse.
Fakten und Namen
Tangerine Dream („Mandarinentraum“) ist eine Musikformation aus Deutschland, die vor allem wegen ihrer Pionierarbeit auf dem Gebiet der elektronischen Musik bedeutsam ist. So gilt die Band neben Ash Ra Tempel und Agitation Free als Wegbereiter der sogenannten Berliner Schule, während die frühe Phase der Gruppe auch zum Krautrock gezählt wird. Oft wird die Musik von Tangerine Dream auch dem Musikgenre New Age zugeordnet (so gab es z. B. eine Grammy-Nominierung in dieser Sparte), in Interviews distanziert sich die Band jedoch von dieser Kategorisierung. Eher lässt sich ihre Musik neben der gelegentlichen Kategorisierung Progressive Rock auch als sinfonische Musik oder als eine Form von Ambient mit Schwerpunkt auf elektronischer Klangerzeugung und mit Einflüssen aus der Rockmusik bezeichnen. (Wikipedia)
Tangerine Dream official website ⋙ Link
Gründungsmitglieder seit 1967
Synthesizer, Gitarre: Edgar Froese († 2015)
Violine: Volker Hombach (bis 1968)
Schlagzeug: Lanse Hapshash (bis 1968)
Gesang: Charlie Prince (bis 1968)
Bass: Kurt Herkenberg (bis 1968)
Ehemalige Mitglieder
Schlagzeug: Klaus Schulze (1969–1970, † 2022)
Synthesizer: Conrad Schnitzler (1969–1971)
Synthesizer: Christoph Franke (1971–1987)
Synthesizer: Steve Schroyder (1971)
Synthesizer: Peter Baumann (1971–1977)
Synthesizer: Johannes Schmoelling (1980–1986)
Synthesizer: Paul Haslinger (1986–1990)
Synthesizer: Ralf Wadephul (1988)
Synthesizer, Gitarre, Schlagzeug: Jerome Froese (1990–2006)
Aktuelle Besetzung
Synthesizer, Piano: Thorsten Quaeschning (seit 2005)
Violine, Cello: Hoshiko Yamane (seit 2011)
Synthesizer: Ulrich Schnauss (seit 2014)
Synthesizer: Paul Frick (seit 2020)
Force Majeure (1979)
Tangerine Dream – Force Majeure (1979) FULL ALBUM (40:20 min.)
01. 0:00 Force Majeure
02. 18:17 Cloudburst Flight
03. 25:45 - Thru Metamorphic Rocks
Klaus Krieger – Drums
Edgar Froese – keyboards, synthesizer, electric & acoustic guitars, bass, Fx, co-producer & mixing
Christoph Franke – keyboards, sequencers, co-producer & mixing
Cold Smoke (1970)
Tangerine Dream – Cold Smoke (1970; 10:49 min.); Album Electronic Meditation
Live in Bologna (1980)
Tangerine Dream – Live in Bologna/Italy 1980 (23:26 min.)
Live in Berlin (1981)
Tangerine Dream – Live in Berlin 29.8.1981 (38:43 min.)
PART ONE: KIEW MISSION
PART TWO: BIOCOMPUTERS, S-M-I-L-E
PART THREE: FORCE MAJEURE (EXTRACT)
PART FOUR: META PATROL
Edgar Froese (1944–2015)
Anfang 2013 hatte Edgar Froese einen schweren Unfall, als er auf Glatteis ausrutschte und eine Kopfverletzung erlitt, in deren Folge er ein halbes Jahr im Koma lag. Durch den erlittenen Kieferbruch konnte er zunächst weder essen noch sprechen. Noch Monate später hatte er erhebliche Probleme, sich zu artikulieren. Edgar Froese starb am 20. Januar 2015 im Alter von 70 Jahren in Wien an einer Lungenembolie. Seine Asche wurde am 6. Februar 2015 am Friedhof der Feuerhalle Simmering bestattet (Abteilung 8, Ring 2, Gruppe 3, Nummer 221). Seine im Herbst 2017 veröffentlichte, nach dem Album Force Majeure benannte Autobiografie konzentriert sich trotz des Zusatztitels auf die 70er und 80er Jahre. (Wikipedia)
Two Hours Mixtape
Tangerine Dream 2 Hours Mixtape (session edit) (1:59:49 Std.)