Essenz. Beiträge zur ganzen Wahrheit
Der Open Borders-Irrtum
Warum die Freihandelsidee nicht auf die Einwanderung übertragen werden kann und wie sich Lebensart, Kultur und Werte innerhalb gesicherter Grenzen schützen lassen, begründet und beschreibt Dr. Titus Gebel.
Der Gegenwart. — 18. Februar 2024
Genauso wie die allgemeine Anerkennung von Privateigentum eine höchst friedensstiftende Wirkung hatte, verhält es sich mit der Erfindung geografischer Grenzen und deren gegenseitiger Anerkennung. Wer seine Lebensart, seine Kultur oder seine materiellen und ideellen Werte schützen möchte, wer in Frieden, Freiheit und selbstbestimmt leben möchte, der muss diejenigen draußen halten, die das nicht wollen. Allenfalls stellen diese irgendwann eine ausreichend große Anzahl und versuchen die Machtübernahme.
Der derzeit stattfindende massive Ansturm auf die Südgrenzen der EU und der USA führt zu erheblichen sozialen Verwerfungen, die nur noch von verblendeten Ideologen geleugnet werden oder von denjenigen, die sich einen politischen Vorteil davon versprechen. Auch vielen Libertären sind mittlerweile Zweifel an der Richtigkeit des Open-Border-Dogmas gekommen. Zurecht, denn es handelt sich um eine Irrlehre, die auch nach libertären Maßstäben falsch ist. Das soll im Folgenden aufgezeigt werden. Gleichzeitig wird eine Antwort gegeben, wie ein funktionierendes, freiheitliches Zuwanderungsregime aussehen sollte.
Wozu brauchen wir überhaupt Grenzen? Wäre es nicht großartig und zutiefst human, wenn sich jeder dort niederlassen könnte, wo er möchte? Andererseits: Wäre es auch großartig und zutiefst human, wenn jeder sein Haus dort errichten könnte, wo er möchte, unabhängig davon, wem das Grundstück gehört? Mindestens der Grundstückseigentümer wird dies anders sehen. Aber nicht nur Grundeigentum, auch erfolgreiche und stabile Gemeinwesen sind ein knappes Gut. Als solche haben sie selbstverständlich einen Preis. Dieser besteht etwa darin, dass bestimmte Einwanderungsvoraussetzungen abgefragt werden. Sonst geschieht das, was der Journalist Peter Scholl-Latour wie folgt auf den Punkt gebracht hat:
Wer halb Kalkutta aufnimmt, hilft nicht Kalkutta, sondern wird selbst Kalkutta.
Einer gegenteiligen Auffassung zufolge würde die vollständige Niederlassungsfreiheit überall und damit die Öffnung aller Grenzen eine Verdoppelung des weltweiten Bruttosozialprodukts bewirken, vergleichbar den positiven Wirkungen des Freihandels, und sei bereits aus diesem Grunde zu befürworten. Soweit die Theorie. In der Praxis würde freilich genau das Gegenteil eintreten, weil gleich mehrere Faktoren und Anreize bei dieser Betrachtung außer Acht gelassen werden.
Gesicherte Grenzen sind notwendig aus Gründen der Sicherheit, zur Verhinderung feindlicher Übernahmen, zum Schutz erworbener Rechte und zum Erhalt der sozialen Harmonie. Die Freihandelsidee kann schon deshalb nicht auf die Einwanderung übertragen werden, weil eine grenzüberschreitende Ware einen Empfänger hat, der vorher sein ausdrückliches Einverständnis zur Einfuhr dieser Ware und zur Kostenübernahme gegeben hat. Nicht so bei der ungesteuerten Einwanderung. Und anders als Waren kommen Menschen mit Ideen und Überzeugungen, leider oft fragwürdigen Inhalts.
Dr. Titus Gebel, 2012
Foto: Free Private Cities
Lebensdaten
Dr. Titus Gebel (* 19. Juni 1967 in Würzburg) ist Stifter und Präsident der Free Cities Foundation, sowie CEO von Tipolis. Der Unternehmer und promovierte Jurist gründete davor die Deutsche Rohstoff AG, die er acht Jahre lang als CEO leitete. Nach über 30 Jahren politischer Aktivität kam er zum Schluss, dass Freiheit im Sinne von Freiwilligkeit und Selbstbestimmung auf diesem Wege nicht zu erreichen sei. Seine Lösung: mit Freien Privatstädten ein völlig neues Produkt schaffen, das bei Erfolg Ausstrahlungswirkung haben wird (freeprivatecities.com). Die theoretischen und praktischen Grundlagen dafür hat er in seinem Buch „Freie Privatstädte – mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt“ niedergelegt. Zusammen mit internationalen Partnern arbeitet er derzeit daran, die erste Freie Privatstadt der Welt zu verwirklichen. (Verlagstext)
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Das Buch
Titus Gebel: Freie Privatstädte: Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt. 536 Seiten. Herausgeber: Orgshop GmbH (2023)
»Stellen Sie sich vor, ein privates Unternehmen bietet Ihnen als „Staatsdienstleister“ Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum in einem abgegrenzten Gebiet. Titus Gebel skizziert dieses Szenario in seinem Buch „Freie Privatstädte. Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt“ bis ins kleinste Detail.« (Verlagstext)
Kein Recht auf Teilhabe
Der österreichische Ökonom und Sozialphilosoph Ludwig von Mises (1881–1973) hat bereits vor rund hundert Jahren – damals allerdings mit Blick auf das dünn besiedelte Australien – vor einer Überfremdung des Landes infolge einer ungebremsten Masseneinwanderung aus China, Japan und Malaysien gewarnt. Grundsätzlich ist für jedes einzelne Land die Frage zu beantworten, ob Immigration der aufnehmenden Bevölkerung Vorteile bringt oder nicht. Ist das nicht der Fall, hat das Zielland jedes Recht, die Zuwanderung zu bremsen, zu regulieren oder bei drohender „Übernahme“ durch Massenmigration zu unterbinden. […] Ein Recht von Migranten auf eine Teilhabe am Eigentum fremder Menschen im Zuwanderungsland kann es jedenfalls nicht geben.
Andreas Tögel: „Offene Grenzen und der Wohlstand der Nationen“, misesde.org 16. Februar 2024