Vokabularium
Weißkittelhypertonie
Ein Drittel der Hypertoniker soll keinen „richtigen“ Bluthochdruck haben.
Der Gegenwart. — 12. Februar 2024
Erstmals hatte der bekannte Bluthochdruckforscher Giuseppe Mancia den Weißkittelhypertonus 1983 beschrieben. Nicht selten wurde diese Konstellation seitdem als harmlos eingestuft. Wissenschaftlich aber war immer unklar, ob und wie sich diese Hypertonie beim Arzt langfristig auf die kardiovaskuläre Prognose der betroffenen Patienten auswirkt. Eine neue Metaanalyse zeigt nun deutlich: Ein Weißkittelphänomen ist für Menschen, die dagegen keine Blutdrucksenker einnehmen, signifikant mit einem höheren Risiko für Hertzkreislaufprobleme und einen früheren Tod verbunden.
Beate Wagner: „Weißkittelhypertonie birgt Gefahr für Spätfolgen“, gelbe-liste.de 21.6.2019
Der Begriff Weißkittelhypertonie (engl. white coat hypertension) bezeichnet Blutdruckwerte, die aufgrund von situationsspezifischen Ängsten beim Patienten erhöht sind. Im Unterschied zu Selbst- und ambulanten Messungen (z. B. automatische Langzeitblutdruckmessung) sind die gemessenen Blutdruckwerte in einer Arztpraxis oder Klinik dann konsistent höher. Man spricht auch von isolierter klinischer Hypertonie.
Werden Patienten lediglich aufgrund dieser ärztlichen Einzelmessungen als Hypertoniker eingestuft, besteht die Gefahr einer Fehlbehandlung. Eine Überblicksstudie zeigte eine höhere Sterblichkeit und ein höheres Risiko für Herzkreislaufkomplikationen bei dieser Patientengruppe. In jedem Fall sollte eine Langzeitblutdruckmessung zur Klärung einzeln überhöhter Blutdruckwerte herangezogen werden.
Das Gegenteil sind „maskierte“ Hypertoniker (auch „Praxisnormotonie“ genannt). Bei dieser Gruppe von Patienten wird in der Klinik oder in der Praxis ein normaler Blutdruck gemessen, da sich der Patient in dieser Situation besonders sicher fühlt und damit entspannt ist. Eine Belastungsuntersuchung wirkt hier meist demaskierend. Ebenso ist die Langzeitblutdruckmessung ein Mittel, um einen eventuell erhöhten Blutdruckwert unter Alltagsbelastungen nachzuweisen.
Textgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fkittelhypertonie
Reproduzierbarkeit
»In einer neuen Studie evaluierten Prof. Giuseppe Mancia von der Universität Mailand-Bicocca (Italien) und Kollegen die langfristige Reproduzierbarkeit maskierter unkontrollierter Hypertonie (MUCH) und unkontrollierter Weißkittelhypertonie (WUCH).« (kompakt-allgemeinmedizin.de)
Giuseppe Mancia MD, PhD – Chairman of the Department of Clinical Medicine and Prevention ⋙ Link
Hypothesengerüst
Die Debatten in der Hypertonologie, so scheint es, fangen erst richtig an. Jedenfalls bleibt die Londoner Tagung den meisten in Erinnerung; weil vermeintlich sicheres Wissen plötzlich als Hypothesengerüst entlarvt wurde, dem das unerschütterliche Evidenzfundament fehlt.
Ärzte Zeitung online: „Hochdruck: Evidenz-Fundament wackelt“, 14.5.2012
Wenn die Schwester misst
Man schätzt, dass ein Drittel der Hypertoniker gar keinen „richtigen“ Bluthochdruck haben, sondern eben eine solche „Weißkittelhypertonie“. Mithilfe einer ambulanten Langzeitblutdruckmessung lässt sich dieses Phänomen entlarven. […] Dass der „Weißkitteleffekt“ tatsächlich geringer ausfällt, wenn eine Krankenschwester den Blutdruck misst, haben nun Dr. Christopher Clark und Kollegen von der Medical School der Universität Exeter in Großbritannien in einer Übersichtsarbeit offengelegt (BJGP 2014; 64(621): e223-e232).
Ärzte Zeitung online: „Schwestern tricksen den "Weißkitteleffekt" aus“, 4.4.2014